Donnerstag, 25. April 2024

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Justizministerin Barley (SPD) zu Gesetzesvorhaben
"Die Mietpreisbremse wird deutlich angeschärft"

Justizministerin Katarina Barley hat Kritik an der von ihr geplanten Neuregelung der Mietpreisbremse zurückgewiesen. Das Instrument sei weniger kompliziert als bisher, sagte die SPD-Politikerin im Dlf. Mieter hätten nun mehr Informationsrechte, zum Beispiel über die Höhe der Vormiete.

Katarina Barley im Gespräch mit Mario Dobovisek | 05.09.2018
    26.03.2018, Berlin: Katarina Barley (SPD), Bundesjustizministerin, gibt nach einem Treffen mit einer Facebook-Delegation eine Pressekonferenz. Im Zentrum des Treffens stand der Datenskandal.
    Das Mieterschutzgesetz umfasse mehr als nur eine verschärfte Mietpreisbremse, so Katharina Barley (dpa / picture alliance / Kay Nietfeld)
    Mario Dobovisek: Bezahlbarer Wohnraum ist knapp in Deutschlands Großstädten. Daran konnte auch die Mietpreisbremse der Großen Koalition wenig ändern – auch, weil sie kompliziert ist und intransparent. So lautete bisher die Kritik an der Regelung, die übermäßig steigende Mieten in Altbauten deckeln sollte. Der Wissenschaftliche Beirat des Wirtschaftsministeriums würde die Mietpreisbremse sogar am liebsten abschaffen. Jetzt bessert SPD-Justizministerin Katarina Barley nach, verschärft die Mietpreisbremse – Thema heute im Bundeskabinett. Am Telefon begrüße ich Katarina Barley. Sie ist Bundesjustizministerin und Sozialdemokratin. Guten Morgen, Frau Barley!
    Katarina Barley: Schönen guten Morgen!
    Dobovisek: Seit gut drei Jahren gibt es sie bereits, die Mietpreisbremse. Einzig die Preisexplosion zu bremsen, vermochte sie nur stellenweise. Heute bringen Sie eine verschärfte Version im Kabinett ein. Wird die Bremse damit tatsächlich aus Sicht vieler Mieter endlich greifen?
    Barley: Erst mal umfasst das Mieterschutzgesetz mehr als nur eine verschärfte Mietpreisbremse. Es geht dabei auch noch um die Kosten von Modernisierungen, wie die umgelegt werden auf die Mieter. Es geht um Maßnahmen gegen dieses Herausmodernisieren von Mieterinnen und Mietern. Es ist ein großes Paket.
    Die Mietpreisbremse wird deutlich angeschärft. Bisher hat sie daran gekrankt, dass man als Mieter sagen musste, worauf man sich genau bezieht, wenn man eine zu hohe Miete rügt, was genau der Vermieter da nicht hätte machen dürfen, aber auf der anderen Seite wenig Informationsrechte hat, eigentlich gar keine, und beide Seiten haben wir jetzt geändert. Es ist so: Es gibt ja eine Höhe, die die Mietpreisbremse festschreibt, das ist die ortsübliche Miete plus zehn Prozent. Wenn der Vermieter mehr haben will, dann muss er Ihnen das bei Vertragsabschluss sagen, und er muss Ihnen auch sagen, warum er das Recht darauf hat.
    Es gibt dafür drei Ausnahmen: Die Vormiete war schon höher, Modernisierungen sind vorgenommen worden, oder es handelt sich um einen Neubau. Wenn er das nicht tut, wenn in Ihrem Vertrag nichts steht, wenn er Sie nicht darauf hinweist, dann sind Sie auch nicht verpflichtet, eine höhere Miete zu bezahlen.
    Dobovisek: Ist das der Grund, Frau Barley, warum die Mietpreisbremse bisher nicht funktioniert hat?
    Barley: Ja! Wie gesagt: Bisher war es so, dass Sie genau sagen mussten, wieviel zu hoch die Miete war und warum er die nicht nehmen durfte und so weiter. Sie hatten aber keine Möglichkeit, zum Beispiel zu erfahren, gab es eine höhere Vormiete, gab es umfangreiche Modernisierungen. Die Möglichkeit haben Sie jetzt. Der Vermieter muss Sie darauf hinweisen.
    Das Wichtigste ist die Rechtsfolge. Tut er das nicht, dann sind Sie berechtigt, als Mieterin oder als Mieter nur die ortsübliche Vergleichsmiete plus zehn Prozent zu bezahlen, selbständig die Miete zu reduzieren.
    "Wissenschaftler sind von einer falschen Faktenbasis ausgegangen"
    Dobovisek: Der Wissenschaftliche Beirat beim Wirtschaftsministerium will die Mietpreisbremse am liebsten ersatzlos streichen. Wir erinnern uns an die Schlagzeilen vor knapp zwei Wochen. Das haben Sie dann als "unverantwortlich" zurückgewiesen, Frau Barley, und "Verschlimmbessern" aus Sicht der Wissenschaftler die komplizierte Bremse jetzt bloß. Was entgegnen Sie den Wissenschaftlern?
    Barley: Es hat sich herausgestellt, dass die Wissenschaftler von einer falschen Faktenbasis ausgegangen sind. Die Wissenschaftler haben geglaubt, dass sich die Mietpreisbremse auch auf Neubauten bezieht, und haben deswegen gesagt, sie verhindert das Entstehen von neuem Wohnraum. Das ist schlichtweg falsch!
    Dobovisek: Und wenn die Wissenschaftler das nicht verstehen, wie sollen es dann Mieter und Vermieter verstehen, wenn es jetzt sogar noch komplizierter wird?
    Barley: Na ja. Wissenschaftler sollten sich darüber kundig machen, was in einem Gesetz steht, bevor sie es in Grund und Boden kommentieren. Das erwarte ich von Wissenschaftlern.
    Das Schöne bei den Normalbürgern, bei den Mieterinnen und Mietern ist ja gerade, dass es eben nicht kompliziert ist. Sie müssen nur sich erkundigen, wie hoch ist hier die ortsübliche Vergleichsmiete plus zehn Prozent. Sie schauen sich an, was steht im Mietvertrag, steht da eine Ausnahme oder steht da keine. Und wenn keine drinsteht, dann darf der Vermieter sie auch nicht nehmen.
    Dobovisek: Aber offensichtlich fanden auch drei Bundesländer die Mietpreisbremse zu kompliziert, Hessen, Hamburg und Bayern nämlich. Als die die Mietpreisbremse eingeführt haben, wurde sie gleich wieder von Gerichten einkassiert. Halten wir fest: Sie ist kompliziert, anders als Sie es gerade darstellen. Warum sind da die Sichtweisen offensichtlich so unterschiedlich?
    Barley: Das bezog sich ja auf die alte Regelung. Ich finde es immer originell, dass immer gesagt wird, die Mietpreisbremse ist dies, ist das, kann nicht wirken und so weiter. Man bezieht sich dabei aber auf den alten Stand. Man muss jetzt die neue Regelung angucken. Da hat sich einiges verändert. Das war ja mein Ziel, dass die Mieterinnen und Mieter bei Abschluss des Mietvertrages sehen können, was ihre Rechte sind und was nicht. Ich empfehle allerdings allen Mieterinnen und Mietern auch, sich immer an die Mietervereine, den Mieterbund und so weiter zu wenden, genauso wie ich allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern empfehle, Mitglied in Gewerkschaften zu werden. Es ist immer gut, wenn man auch kompetente Leute an seiner Seite hat, die einen auch beraten. Aber das Instrument der Mietpreisbremse ist nicht mehr kompliziert.
    Dobovisek: Jetzt haben Sie das Instrument Herausmodernisieren vorhin schon genannt, gegen das Sie vorgehen wollen. Auch bei acht Prozent Modernisierungsumlage – und das sieht ja Ihr Gesetz vor – steigen die Mieten für eine Familie in einer entsprechenden Wohnung schnell um mehrere hundert Euro. Wo hilft das dann?
    Barley: Na ja. Diese acht Prozent beziehen sich auf einen Zeitraum von fünf Jahren. Es gibt eine weitere Kappungsgrenze, die dann wiederum, je nachdem wie groß die Wohnung ist, auch günstiger sein kann. Das sind drei Euro pro Quadratmeter. Ich kenne den Fall einer älteren Dame in München. Die hat für 700 Euro gewohnt und nach einer Modernisierung sollte sie 1.500 Euro mehr, also nicht 1.500 Euro, sondern 1.500 Euro mehr bezahlen. In den großen Ballungszentren München, Berlin, Hamburg, da kann man solche Fälle durchaus häufiger beobachten – leider -, und da schieben wir einen Riegel vor.
    "Dieses Mieterschutzgesetz ist nur ein Baustein in einem großen Wohnpaket"
    Dobovisek: Noch einfacher wäre es – das sagen auch Wissenschaftler, andere Wissenschaftler -, die Mietpreisbremse abzuschaffen und massiv mehr Wohnraum zu schaffen. Mehr Angebot nimmt den Druck aus dem Kessel und die Mieten sinken wieder. So sieht es jedenfalls auch der sogenannte Rat der Immobilienweisen. Liegen diese fünf Wissenschaftler da so falsch?
    Barley: Nein, das tun sie nicht, und man kann das eine tun, ohne das andere zu lassen. Wir tun ja beides. Das ist ganz wichtig. Dieses Mieterschutzgesetz ist nur ein Baustein in einem großen Wohnpaket, das wir geschnürt haben. Dazu gehört ja ein massiver Aufbau im sozialen Wohnungsbau. Es geht ja gerade um bezahlbaren Wohnraum. Uns nutzen nicht mehr Luxuswohnungen, sondern uns nutzt bezahlbarer Wohnraum. Dafür ändern wir sogar das Grundgesetz, damit der Bund dauerhaft fördern kann, und stecken 2,5 Milliarden Euro dort hinein. Dann gibt es das Baukindergeld, dass jungen Familien es ermöglicht wird, leichter Wohneigentum auch zu bilden. Es gibt viele weitere Maßnahmen und auch im Mietrecht ist das noch nicht das Ende der Entwicklung.
    Dobovisek: Aber Investoren schrecken Sie ab, unter anderem mit der Mietpreisbremse, weil – so sagen die Investoren – Anreize fehlen, um neuen Wohnraum zu schaffen.
    Barley: Genau das ist falsch, weil die Mietpreisbremse für Neubauten nicht gilt.
    Dobovisek: Wenn wir über den sozialen Wohnungsbau reden, auch da haben Wissenschaftler angemahnt, den sozialen Wohnungsbau ganz abzuschaffen. Wieviel sozialen Wohnungsbau braucht Deutschland heute?
    Barley: Wenn wir uns die letzten Jahrzehnte ansehen, dann sehen wir, dass genau das der Fehler war. Die Kommunen und auch die Länder haben in hoher Zahl Wohneigentum verkauft, zum Teil muss man sagen verscherbelt an Private, und das fehlt uns jetzt. Das ist genau der bezahlbare Wohnraum, den wir heute bräuchten. Das hat leider massiv zu den Preisentwicklungen beigetragen. All diese Wohnungen sind jetzt nicht da, die müssen jetzt neu gebaut werden. Das tun wir, aber das dauert auch ein bisschen. Wie gesagt, wir wollen ja, dass neu gebaut wird. Das war der Grund, warum wir gesagt haben, die Mietpreisbremse gilt für Neubauten nicht. Da arbeiten verschiedene Ressorts in der Bundesregierung auch zusammen. Da ist das Bauministerium beteiligt, das Finanzministerium. Wir haben da sehr, sehr viele Maßnahmen, die alle zusammenwirken.
    "Für uns, für die SPD war der Mieterschutz ganz besonders wichtig"
    Dobovisek: Arbeiten tatsächlich alle Ressorts da gemeinsam und zusammen, weil in anderen Politikfeldern haben wir ganz andere Eindrücke gewonnen in den letzten Monaten? Erwarten Sie von Ihrem Koalitionspartner, dass er heute zustimmt?
    Barley: Na ja. Wir haben drei unterschiedliche Parteien in dieser Regierung und die haben auch unterschiedliche Schwerpunkte. Das sieht man auch. Für uns, für die SPD war der Mieterschutz ganz besonders wichtig und auch der soziale Wohnungsbau. Die CSU hat vor allen Dingen das Baukindergeld hineingebracht. Wir haben da unterschiedliche Schwerpunkte, das ist auch klar. Aber deswegen ist auch so ein Paket zusammengekommen, das gemeinsam mit Sicherheit dazu beitragen wird, dass mehr Wohnraum entsteht und dass auch die Preise nicht mehr in der Form weitersteigen, wie das bisher der Fall ist.
    Dobovisek: Noch einmal die Frage: Erwarten Sie, dass der Koalitionspartner heute zustimmt?
    Barley: Ja, selbstverständlich.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.