Samstag, 20. April 2024

Archiv


Kabinenkomfortforschung mit eigenem Flieger

Alle, die mal im Flugzeug saßen, kennen das: kalte Füße, steifer Nacken und das Klapptischchen im Bauch, wenn der Vordermann die Rückenlehne runterlässt. Die Uni Oldenburg will das ändern. Der Fachbereich Physik erforscht das Wohlbefinden an Bord. Und hat deshalb für 4000 Euro ein eigenes Flugzeug gekauft, mit immerhin 44 Plätzen.

12.08.2003
    Ein Beitrag von Christina Gerlach

    Die 30 Jahre alte Passagiermaschine hebt garantiert nicht mehr ab. Muss sie aber auch nicht. Denn die Oldenburger Physiker haben einen Simulator entwickelt, der den Flug überflüssig macht. Lufttrockenheit, Vibrationen, Geräusche, alles wird perfekt imitiert. Doktorand Roland Kruse ist für die Akustik zuständig.

    Dazu muss man Lautsprecher und Schwingungserreger anbringen sowie die Klimaanlage projektieren.

    In einem halben Jahr ist es soweit. Dann soll Europas einziger Forschungssimulator in Betrieb gehen. Bislang konnten die Oldenburger Wissenschaftler ihre Erfahrungen nur in Flugzeugattrappen sammeln, in Österreich und Großbritannien. Jetzt haben sie die eigene Maschine fast vor der Hautür. 4000 Euro - und die VFW 614 gehörte Professor Volker Mellert und seinen Studenten.

    Dies ist ein richtig vollständiges Flugzeug, auch wenn es im Moment noch etwas zerlegt ist. Der Glücksfall besteht darin, dass diese Maschine hier hergestellt wurde. Wir haben die Spezialisten, die wissen, wie man's wieder zusammenschraubt.

    Auch die Ingenieure von Aircraft Services Lemwerder freuen sich über das Wiedersehen. In den 70er Jahren haben sie immerhin 19 dieser Passagiermaschinen gebaut. Aber dieser Vogel mit seinen breiten, hellblauen Plüschsesseln und den Teakholztischchen ist was ganz Besonderes.

    Das Inventar muss natürlich raus. Für die Tests kommt die übliche Bestuhlung. Passagiere und Crew sollen sich schließlich genau so fühlen, wie auf einem echten Flug. Dann werden physikalische Umgebungsparameter erhoben. Klima, Krach, Bewegungsfreiheit, alles, was das subjektive Empfinden beeinflusst. Bei den Piloten sind das zum Beispiel die ewig kalten Füße, sagt Professor Volker Mellert.

    Unten kann es ganz kalt werden, bei manchen Flugzeugen. Auch gibt es oft kalte Schultern, und dann ist man als Pilot nicht mehr so einsatzfähig.

    Der Forschungsauftrag Wohlbefinden ist zwar bei der Physik angesiedelt. Aber es sind auch andere Fachbereiche beteiligt. Petra Welzer studiert Wirtschaftswissenschaften und will sich um die Vermarktung kümmern.

    Ich erstelle eine Marktanalyse. Ich beschäftige mich damit, welche Firmen grundsätzlich Interesse an einem solchen Simulator haben könnten, um ihn eventuell auch anderen Leuten zur Verfügung zu stellen.

    Der Simulator wird 1,5 Millionen Euro kosten. Die Summe teilen sich die EU, das niedersächsische Wirtschaftsministerium und die Airbus-Industrie. Und wenn wir in ein paar Jahren auch in der Holzklasse ein bisschen komfortabler fliegen, kann das durchaus an den Oldenburgern Forschern liegen.