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Kabinett Kopacz vereidigt
Polens neue Regierung im Amt

Polen hat eine neue Regierung: Gut zwei Monate bevor Donald Tusk nach Brüssel wechselt, wurde Ewa Kopacz als neue Premierministerin vereidigt. Sie war ihren Landsleuten zuletzt eher negativ aufgefallen – noch umstrittener ist allerdings eine andere Personalie in ihrem neuen Kabinett.

22.09.2014
    Der scheidende polnische Ministerpräsident Donald Tusk (r.) steht neben seiner Nachfolgerin Ewa Kopacz, die einen Rosenstrauß in den Händen hält.
    Der polnische Regierungschef Donald Tusk (r.) übergibt die Regierungsgeschäfte an Ewa Kopacz, weil er das Amt des EU-Ratspräsidenten übernimmt. (picture alliance / dpa / Leszek Szymanski)
    Die neue Regierung steht, alle Mitglieder haben ihren Amtseid abgelegt allen voran Ewa Kopacz, die neue Premierministerin. Die erste politische Nagelprobe kommt am 1. Oktober, wenn die Regierung dem Parlament die Vertrauensfrage stellt.
    Nur ein Jahr wird das Kabinett im Amt sein, denn im Herbst 2015 finden in Polen die Parlamentswahlen statt. Die Regierung hat also wenig Zeit, vor allem Ewa Kopacz, die die meisten Polen stets im Schatten ihres Vorgängers Donald Tusk gesehen haben. Tusk wird neuer EU-Ratspräsident, was seiner Partei viel Sympathien gebracht hat, fühlen sich die Polen doch endlich wahrgenommen in Europa.
    Ewa Kopacz ist zuletzt allerdings eher negativ aufgefallen. Die einstige Gesundheitsministerin, die sich während der Schweinegrippe 2009 weigerte, panisch große Impfvorräte anzulegen, verließ danach das Glück. Sie war verantwortlich nach dem Flugzeugabsturz von Smolensk, die sterblichen Überreste zu identifizieren, wobei schwerwiegende Fehler auftraten. Zahlreiche Gräber mussten geöffnet, die Leichen neu bestattet werden, denn keineswegs jeder lag in dem Grab, auf dem sein Name stand.
    Überraschende Außenminister-Ernennung
    Kopacz gilt als politisch farblos, die Zusammensetzung ihrer Ministerriege als ein Versuch, Parteigegner einzubinden, was ihr schon vor Amtsantritt den Vorwurf einbrachte, Kopacz stelle das Parteiwohl über das Landeswohl.
    Vor allem die Absetzung von Außenministers Sikorski löste heftige Dispute aus. Moderat, aber dennoch überraschend kamen Beanstandungen von Tomasz Nalecz, dem Berater von Präsident Bronislaw Komorowski. Dass Komorowski Sikorksi nie mochte, war in Warschau kein Geheimnis, dass er ihn jetzt gern behalten hätte, verwundert deshalb viele.
    "Der Präsident meinte, dass in dieser schwierigen Internationalen Situation angesichts der kurzen Perspektive für diese Regierung Kontinuität die beste Lösung gewesen wäre. Der Präsident war überzeugt davon dass Sikorski als Außenminister in der neuen Regierung nützlich gewesen wäre."
    Tatsächlich gehören dem 18köpfigen Team fünf neue Minister an: Die umstrittenste ist die Berufung des bislang an Außenpolitik ganz und gar nicht interessierten neuen Chefdiplomaten Grzegosz Schetyna.
    Opposition: "eine Verhöhnung des Volkes"
    Für den Chef der größten Oppositionspartei Jaroslaw Kaczynski, der schon an Premier Tusk kein gutes Haar gelassen hat, ist die neue Regierungsmannschaft ein einziges Ärgernis: "Es kann offenbar immer noch schlechter kommen. Es fehlt demonstrativ das Prinzip der Kompetenz bei der Auswahl der Personen für diese höchsten Ämter. Das ist eine Verhöhnung unseres Volkes. Und wenn man sich anschaut, wie sich diese Leute im Sejm aufgeführt haben, weiß man, dass das auch den Sejm verändert wird. In Polen sollen künftig Skandale initiiert werden, denn diese Regierung hat nur dann eine Chance, wenn es Skandale gibt. Aber wir werden uns nicht in Skandale hineinziehen lassen."
    Grzegorz Napieralski von der Oppositionspartei SLD knüpft an eine frühere Prophezeiung von PiS-Chef Kaczynski an. Die Ernennung des ehemaligen Außenministers Radoslaw Sikorski zum Parlamentspräsidenten, der in Polen Sejm-Marschall heißt, sei eine Kriegsandrohung.
    "Es ist schade, dass die Bürgerplattform zum Krieg mit der PiS zurückkehrt. Wir kennen Herrn Sikorski und sein Temperament, und wir wissen, wie wichtig ein Sejm-Marschall ist. In dieser Funktion muss man die Opposition hören, auf sie zugehen, Kompromisse finden. Sikorski ist aber arrogant, hochmütig und hat einen schlechten Charakter und wir wissen genau, dass er die PiS angreifen wird, das finde ich schlecht."
    Auch der Historiker Andrzej Nowak kritisiert Sikorskis Ernennung zum Parlamentspräsidenten. Ihm fehle die charakterliche Ausgeglichenheit, dies sei schon in seiner Arbeit als Außenminister zutage getreten als er den Bau der North-Stream-Gasleitung von Russland nach Deutschland als neuen Ribbentrop-Molotow-Pakt bezeichnete.