Freitag, 19. April 2024

Archiv


Kämpfer für die Emanzipation der Juden

Als dem Juristen, Publizisten und Politiker Gabriel Riesser in Hamburg als Jude eine Hochschullaufbahn verweigert wurde, machte er den Kampf für die Emanzipation der Juden zu seiner Lebensaufgabe. Denn bis zur Verfassung der 1860er Jahre durften in Hamburg nur Lutheraner ein Staatsamt bekleiden - Katholiken, Calvinisten und Juden blieb das verwehrt.

Von Jens Brüning | 02.04.2006
    "Wenn man in das Hamburger Rathaus hineinkommt, kommt man unten in die Ratsdiele, und in dieser Ratsdiele befinden sich also Säulen, und an diesen Säulen sind dann Medaillons der großen Hamburger, und unter anderen ein Medaillon von Gabriel Riesser, der in dieser Form dann doch irgendwie im kollektiven Gedächtnis noch vorhanden ist, auch wenn man vielleicht auf der Straße fragen würde, wer ist Gabriel Riesser, und man dann nur erstaunte Blicke ernten würde."

    In der Ratsdiele ist Gabriel Riesser, Vizepräsident der Hamburger Bürgerschaft seit 1859 und Hamburger Obergerichtsrat seit 1860, in guter Gesellschaft. Von 1938 bis 1949 aber war er abwesend. Sein Medaillon wurde wie das Salomon Heines und anderer Juden von den Säulen entfernt. Heute ist diese nationalsozialistische Zwangshandlung gut zu erkennen: Während alle übrigen Medaillons die Geehrten im Profil abbilden, sind die 1949 ersetzten Porträts alle unterschiedlich.

    Riessers Medaillon zeigt ihn auf der Höhe seiner politischen Karriere als Vizepräsident der Deutschen Nationalversammlung, dem Paulskirchen-Parlament. Arno Herzig, der eine Biografie von Gabriel Riesser vorbereitet:

    "Was seine Forderung war, das ist die politische Gleichberechtigung aller Bürger, und die war ja damals sehr stark an die Konfessionen gebunden. Und das zielt dann wieder hier nach Hamburg, wo bis zur Verfassung der 1860er Jahre nur Lutheraner ein Staatsamt bekleiden durften, und auch Katholiken oder auch sogar Calvinisten hier – wie die Juden – davon ausgesperrt blieben. Also insofern ist das doch die Basis, auf der heute unser Grundgesetz beruht."

    "Wohl mussten wir unsere Wünsche und Hoffnungen herabstimmen, aber wir halten fest an der Zuversicht des endlichen Gelingens unserer Bestrebungen, wenn wir auch dem Ziele nur allmählich, nur auf Umwegen uns zu nähern im Stande sind."

    So beurteilte Gabriel Riesser im Rückblick seine politischen Erfolge. Gabriel Riesser wurde am 2. April 1806 als Sohn des Sekretärs der Dreiergemeinde Altona-Hamburg-Wandsbek geboren, sein Großvater mütterlicherseits war deren Oberrabbiner Cohn, bekannt dadurch, dass er heftig gegen Moses Mendelssohn und dessen Bibelübersetzung polemisierte. Gabriel Riesser studierte Rechtswissenschaft in Kiel, München und Heidelberg und wurde mit Auszeichnung promoviert.

    Da er nirgendwo als Hochschullehrer oder Anwalt arbeiten konnte, ohne die Konfession zu wechseln, gründete er eine eigene Zeitschrift. Riessers erste bedeutende Veröffentlichung trug den Titel: "Über die Stellung der Bekenner des mosaischen Glaubens in Deutschland. An die Deutschen aller Confessionen".

    "Das Geschickte, was er eigentlich macht in seiner Argumentation, ist, dass er juristisch argumentiert, und damals eine Forderung erhebt, die totale Trennung von Kirche und Staat, und in diesem Zusammenhang erklärt er, dass Juden nicht eine Nation in einer Nation seien, sondern dass sie eine Konfession seien, wie die anderen Konfessionen auch."

    Damit hatte Riesser zunächst keinen Erfolg. So machte er den Kampf für die Emanzipation der Juden zu seiner Lebensaufgabe. Im Paulskirchenparlament war er einer der brillantesten Redner, und er gehörte der Abordnung an, die dem König von Preußen die Kaiserkrone antrug. Friedrich Wilhelm IV. wollte die allerdings nur von den Reichsfürsten entgegennehmen.

    "Die Einheit Deutschlands ist der Gedanke unseres Lebens."

    Mit dieser Maxime trat Gabriel Riesser für die Einheit der Nation in einem deutschen Staat ein.

    Herzig: "Er stellt sich also relativ früh – und das ist diese Kaiserrede – auf diese kleindeutsche Lösung ein, was natürlich die Abgeordneten, die aus dem österreichischen Raum kamen, nicht gerade sehr begeistert hat. Aber er begründet das damit, dass das die einzige Lösung sei, die in dieser Zeit gegeben sei, und eine andere Lösung nicht infrage komme, und deshalb sollte man – wenn auch widerwillig - dem zustimmen. Auch das ist mehrheitsfähig geworden in der Paulskirche."

    Freiheit, Gleichheit und Einheit waren Riessers Forderungen. Als er am
    22. April 1863 in Hamburg starb, folgten Tausende seinem Sarg. Gabriel Riesser sollte nicht nur in seiner Geburtsstadt im Gedächtnis bleiben.