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Kahlschlag in Sachsen-Anhalts Hochschullandschaft?

Ein ministerielles Papier sorgt in Sachsen-Anhalt für Unruhe. Danach sollen aus Spargründen ganze Hochschulorte geschlossen werden. Wissenschaftsminister Möllring dementierte die Pläne nicht. Die Hochschulen fürchten nun um Tausende Arbeits- und Studienplätze.

Von Christoph Richter | 12.09.2013
    Noch mal zu den Fakten des ministeriellen Papiers, die schnell dementiert wurden: Die Uni-Klinik in Halle, der Standort Magdeburg der FH Magdeburg-Stendal, die FH Merseburg sollen geschlossen, in der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg sollen die Geisteswissenschaften abgewickelt werden. Nur ein kleiner Ausschnitt. Insgesamt würden damit - wenn es nach diesem Papier ginge - rund 1000 Jobs gestrichen, rund 10.000 Studienplätze zur Disposition stehen. Ein Aufschrei ging durchs Land. Infarkt, Kahlschlag, Zerstörung einer ganzen Hochschullandschaft: So lauteten und lauten immer noch die Titelzeilen. Eine nach 1990 mühsam aufgebaute Hochschullandschaft würde damit sozusagen handstreichartig zerstört, unterstreicht Norbert Doktor, Pressesprecher der FH Magdeburg, die eines der Streichopfer wäre.

    "Man kann dem Papier Eins abgewinnen: Wenn man tatsächlich diese 50 Millionen in Sachsen-Anhalts Wissenschaftsetat sparen will, sieht man, dass es nur geht, wenn man zu radikalen Kahlschlagmethoden greift."

    Ähnlich sieht es auch die Opposition im Land. In der heutigen Landtagsdebatte hat Claudia Dalbert von den Grünen noch mal ihr Entsetzen zum Ausdruck gebracht, während die Regierungsparteien das Thema elegant umschifft haben.

    "Halte das, was dort bekannt geworden ist für bodenlos. Wenn man etwas Gutes daran finden will, kann man sagen, das zeigt, dass 50 Millionen Einsparungen in den Hochschulen gar nicht möglich ist. Das ist nur möglich, wenn man die Hochschulen an Arm und Beinen amputiert."

    SPD Finanzministers Jens Bullerjahn will jedoch an dem Sparziel 50 Millionen festhalten, das hat er in der Landtagsdebatte noch einmal ausdrücklich bestätigt.

    "Ich weiß, dass Rationalität sehr schwer ist. Trotzdem müssen wir es machen. Wir müssen reden über die 50 Millionen als Einsparziel. Weiß aber auch, dass die 50 Millionen heftig in der Diskussion stehen."

    Während man im Magdeburger Landtag unter anderem auch um die Einsparungen im Hochschulbereich ringt, sitzt CDU-Wissenschaftsminister Hartmut Möllring fast ungerührt auf seinem Stuhl. Er äußert sich nicht. Am Rande wiederholt er nur das, was er dem Deutschlandfunk bereits letzte Woche in einem Interview geäußert hat.

    "Es ist ein Papier, das aufgezeigt hat, was erforderlich sein könnte, was möglich wäre, um die Vorgaben des Kabinetts zu erreichen. Das ist eines von vielen Papieren. Einige kenn ich gar nicht, einige kenn ich. Das ist aber auch ganz normal, dass solche Überlegungen in einem Ministerium zusammengetragen werden müssen und später zusammengefügt werden."

    Klare Dementis klingen anders. Wissenschaftsminister Möllring sieht sich lediglich als Exekutor der Pläne des Finanzministers, aus dessen Feder die Hochschulsparpläne stammen.

    Möllring bläst zunehmend der Wind auch aus den eigenen Reihen entgegen. Parteikollegen zeigen ihm klare Kante, stellen sich den Einspar-Überlegungen des Wissenschaftsministeriums deutlich entgegen. Einer von ihnen ist der Wittenberger CDU-Abgeordnete Frank Scheurell.

    "Sicherlich ist das, was da jetzt in der Öffentlichkeit verbreitet wurde, nicht diskutabel als Vorschlag. Auch für unsere CDU-Fraktion nicht. Also dieses Papier, in dieser Tragweite ist nicht diskutabel. Uns wurde dieses Papier nie zur Kenntnis gegeben."

    Kritiker fragen, ob es sinnvoll ist, erst Zahlen zu nennen, um dann über Strukturen zu reden. Kooperationen und Synergien - soviel scheint klar - will sich jedoch keiner der Rektoren an Sachsen-Anhalts Hochschulen verstellen, auch wenn die 50 Millionen als ein absolut irreales Sparziel angesehen werden. Dennoch ist man realistisch und weiß, dass zukünftig weniger Geld zur Verfügung steht, und hat daher schon längst selbst begonnen, eigene Sparpotenziale herauszuarbeiten, sagt Pressesprecher Norbert Doktor. Man müsse im Ministerium nur mal zuhören, ergänzt er noch und verweist auf die FH Magdeburg.

    "Gibt Bibliotheken, wir haben zwei, eine in Magdeburg, eine in Stendal. Die Uni Magdeburg hat eine Bibliothek, da ist es durchaus denkbar, dass man da zu Kooperationen kommt. Das ist nur vernünftig, das muss verhandelt werden. Es gibt Fachbereiche, die jetzt bereits zusammenarbeiten. Die Uni Magdeburg und die FH haben beispielhaft den Studiengang Gefahrenabwehr geschaffen. Den gibt es seit 10 Jahren, ist ein Erfolgsmodell. Der bundesweit die Interessenten anzieht. Aber dazu muss das Ministerium, muss die Politik in Sachsen-Anhalt die Hochschulen auch arbeiten lassen. Wenn man nicht in Strukturen denkt, sondern nur in Geld, dann führt es dazu, dass man die Strukturen zerschlägt."