Dem kulturellen Leben verpflichtet

Von Sabine Fringes · 10.04.2007
Anna Amalia, Herzogin von Sachsen-Weimar, hat viel zur geistig-kulturellen Atmosphäre in der Stadt Weimar beigetragen. "Es ist kein bedeutender Name von Weimar ausgegangen, der nicht in ihrem Kreise früher oder später gewirkt hätte", sagte Goethe in der Traueransprache, die zum Vorlesen auf allen Kanzeln des Landes bestimmt war.
"Ein Veilchen auf der Wiese stand
gebückt in sich und unbekannt
es war ein herzigs Veilchen."

Im Jahr 1776 vertonte die Herzogin von Sachsen-Weimar diese Verse von Goethe. Das Lied vom in sich gekehrten, unbeachteten Veilchen mag die 1739 geborene Tochter Herzog Carls I. an ihre eigene Kindheit erinnert haben:

"Nicht geliebt von meinen Eltern, immer zurückgesetzt, meinen Geschwistern in allen Stücken nachgesetzt, nannte man mich nur den Ausschuss der Natur. Ein feines Gefühl, welches ich von der Natur bekommen hatte, machte, dass ich sehr empfindlich die harte Begegnung fühlte."

Von Natur aus schüchtern und zurückhaltend, zudem kleinwüchsig und mit der spitzen Nase ihres Onkels Friedrich des Großen ausgestattet, ließ man sie am Braunschweiger Hof deutlich spüren, dass sie keine ebenso blendende Erscheinung war wie ihre größere Schwester Caroline.

Wie eine "Erlösung aus harten Banden", so fährt Anna Amalia in ihren Erinnerungen fort, sei ihr da die Vermählung mit Ernst August Constantin und ihr Einzug in das gerade mal 800 Häuser zählende Städtchen Weimar erschienen.

Doch schon zwei Jahre nach der Hochzeit stirbt ihr Gatte kurz vor der Geburt des zweiten Sohnes und auf den Schultern der 19-Jährigen lasten nun die Geschicke des Landes mitten in den Wirren des Siebenjährigen Krieges. Trotz leerer Staatskassen gelingt es ihr im Laufe ihrer 17 Jahre währenden Regierung durch ein eisernes Sparprogramm der Bevölkerung einen bescheidenen Wohlstand zu sichern und eine Verbesserung der Schulbildung zu erwirken.

Die solide Regentschaft verdankt sie auch ihrem Gespür für die richtigen Menschen um sich herum, darunter Christoph Martin Wieland, den sie 1772 als Erzieher ihres Sohnes Carl August an den Hof holt und dessen Maxime sie überzeugt, ein Fürst solle zu allererst erkennen, dass er ein Mensch ist.

Drei Jahre später kommt auf Einladung von Carl August, der soeben volljährig geworden die Regierungsgeschäfte übernimmt, ein weiterer berühmter Dichter nach Weimar: Johann Wolfgang Goethe.

Doch der 26-jährige Autor der "Leiden des jungen Werther" macht gemeinsam mit dem jungen Herzog erst einmal mit allerlei "Bubenstreichen" die Gegend unsicher und stellt mit seinem Genie-Gebaren den Hof auf den Kopf. "Hölle, Donner, Sackerment" - so wie er fluchen nun bald viele junge Leute. Man ist entsetzt

"Goethe hat hier einen wahren Umsturz hervorgerufen;[...] Unser Hof ist nicht mehr, was er war","

so Charlotte von Stein an einen Freund. Und Minister von Fritsch droht gar mit der Kündigung. Doch Anna Amalia sieht großzügig über das Treiben der jungen Stürmer und Dränger hinweg, beruhigt den erzürnten Minister und legt damit den Grundstein für den "Musenhof" zu Weimar. Von Goethe angezogen, strömen nun weitere Dichter und Philosophen in die kleine Stadt an der Ilm, darunter Klinger, Lenz, Herder und Schiller.

Man übt Geselligkeit, musiziert viel, macht Gedichte und gibt deutsche und französische Theaterstücke, zu denen auch Nicht-Adligen Eintritt gewährt wird. War die Herzogin-Mutter auch nicht das Zentrum all dieser Aktivitäten, so ging von ihr doch eine besondere Anziehungskraft aus. Eine Hofdame:

""Eine Fähigkeit wie sie wenig Menschen besitzen war ihr angeboren, diese Fähigkeit bestand darin, die Menschen zu durchschauen, ihre Eigentümlichkeit zu erkennen und ihnen freien Spielraum zu geben, damit solche sich ungehindert entfalten und im hellsten Licht zeigen können."

Für Amalia ist Kultur dazu da, den Menschen zu vervollkommnen und befreit von den Regierungsgeschäften widmet sie sich ganz der Kunst. Die Musik ist dabei ihre größte Leidenschaft: Sie komponiert Lieder und Kammermusik, außerdem ein Singspiel von Goethe: "Erwin und Elmire".

Anna Amalia stirbt ohne vorhergehende Krankheit am 10. April 1807, still und schmerzlos während ihres Mittagsschlafes.
Mehr zum Thema