Kunstsammlung mit dem Gewinn aus Zwangsarbeit

Von Carsten Probst · 09.01.2013
Als Friedrich Christian Flick seine Kunstsammlung den Staatlichen Museen in Berlin am 9. Januar 2003 als Leihgabe überlässt, kommt es zu tumultartigen Debatten. Denn Flicks Vermögen geht auf das Erbe seines Großvaters zurück, der bei den Nürnberger Prozessen als Kriegsverbrecher verurteilt wurde.
"Herzlich willkommen zur Eröffnung der Friedrich Christian Flick Collection heute hier im Hamburger Bahnhof! Kein Zweifel, heute wird Berlin zu einem einzigartigen Zentrum der zeitgenössischen Kunst in der Welt."

Verkündet Klaus-Dieter Lehmann, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, im Sommer 2004. Hunderte Ehrengäste sind in das Berliner Museum für Gegenwartskunst gekommen, darunter der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder und zahlreiche Botschafter anderer Länder. Mitten drin: Friedrich Christian, genannt Mick Flick, der reiche Erbe des einstigen Rüstungsunternehmers Friedrich Karl Flick. Innerhalb weniger Jahre hat Flick eine private Sammlung mit Gegenwartskunst angelegt, die in der Welt ihresgleichen sucht. Den Staatlichen Museen Berlin will er sie für einen Zeitraum von zunächst sieben Jahren ausleihen. Kritiker aber, unter ihnen auch Künstler wie Hans Haacke oder Gerhard Richter, geißeln den Kunstsammler als unmoralisch. Sein Großvater Friedrich Karl Flick, ein verurteilter Kriegsverbrecher in der Nazizeit, hatte sein Vermögen unter anderem mit sogenannten Arisierungen und durch Beschäftigung zehntausender Zwangsarbeiter gemacht. Geld, das sein Enkel nun für Kunst ausgibt. Klaus-Dieter Lehmann zeigt wenig Verständnis für die hitzige Debatte, die seit Monaten um die Eröffnung der Sammlungsausstellung getobt hat.

"Überrascht hat uns der Charakter der öffentlichen Debatte. Während auf der ersten großen Pressekonferenz im Januar 2003 weitgehend Konsens für die Kunst, aber erstaunlicherweise nur geringes Interesse an der historischen Auseinandersetzung bestand, brach weit über ein Jahr später eine eher schrille Berichterstattung los, die von Blutgeld sprach und verlangte, die Kunst wegzuschließen."

Der Zorn der Museumsleute richtet sich vor allem auf Salomon Korn, den Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland. Korn hatte Flick in einem offenen Brief vorgehalten, dass er sich weigere, in den Entschädigungsfonds der deutschen Wirtschaft für ehemalige Zwangsarbeiter einzuzahlen, obwohl an seinem ererbten Vermögen das Blut der Ausgebeuteten klebe. Besonders entsetzt zeigt sich Korn jedoch über die ambivalente Haltung der Staatlichen Museen:

"Das Problem war nicht Herr Flick. Das Problem war die Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Und zwar als Einrichtung der Länder und des Bundes. Warum gibt man ihm dann eine solche Bühne, wenn man selbst darauf sehr dünnhäutig reagiert, wenn ich gesagt habe, da hätte es ja genau so gut eine Göring-Collection sein können? Da haben sie dünnhäutig reagiert, aber die Flick-Collection haben sie den Zwangsarbeitern zugemutet!"

Friedrich Christian Flick hatte seine Sammlung ursprünglich in Zürich der Öffentlichkeit zugänglich machen wollen – in einem Privatmuseum, das der niederländische Stararchitekt Rem Koolhaas hätte bauen sollen. Doch die Stadt Zürich hatte nach heftigen Protesten unter anderem der jüdischen Gemeinde abgelehnt. Warum wurde Flick danach in Berlin aufgenommen? Musste man gerade dort nicht besonders sensibel für die historische Belastung seines Namens sein? Warum zahlten die Staatlichen Museen Berlin sogar mehr als sieben Millionen Euro für die Herrichtung der riesigen Ausstellungshallen neben dem Hamburger Bahnhof – Geld, das sie dann bei Programmen anderer Museen in Berlin einsparen mussten? Die Museen wehren sich gegen solche Fragen mit dem Verweis auf die Einzigartigkeit der Sammlung, die doch nichts mit der Familiengeschichte Flicks zu tun habe.

Friedrich Christian Flick: "Die Taten, die mein Großvater im Dritten Reich begangen hat, waren Unrecht. Dazu ist er verurteilt worden. Und das ist Recht gewesen. Das habe ich auch immer so gesagt."

Wird auch Flick nicht müde zu beteuern. Am 9. Januar 2003 unterzeichnen die Staatlichen Museen den Leihvertrag - durchaus in der Hoffnung, dass Flick eines Tages zahlreiche Werke nach Berlin verschenken könnte. So kam es schließlich auch im Jahr 2008. Bei der Eröffnung der ersten Ausstellung gibt sich der Stifter historisch bewusst – und gleichwohl trotzig:

"Natürlich habe ich als Träger des Namens Flick eine besondere Verantwortung, die sich aus meiner Familiengeschichte ergibt. Ich glaube nur, so wenig wie ich die Verantwortung, die sich aus meiner Familiengeschichte ergibt, auf die Gesellschaft delegieren kann, so wenig kann die Gesellschaft ihre Verantwortung auf mich delegieren."

Der Leihvertrag zwischen Flick und den Staatlichen Museen Berlin wird später geräuschlos bis ins Jahr 2021 verlängert. Ein bitterer Nachgeschmack bleibt bis heute.