Komponist

Reformator der alten Oper

Ein zeitgenössisches Porträt des Komponisten Christoph Willibald Gluck
Mit "Orpheus und Eurydike" und vier weiteren Werken stieß Gluck eine Opern-Reform an. © picture-alliance / dpa - bifab
Von Michael Stegemann · 02.07.2014
Anderthalb Jahrhunderte lang bestand eine Oper aus einer festen Abfolge von Rezitativen, Arien und Szenen. Diese Stereotypie der sogenannten "opera seria" änderte sich erst mit Christoph Willibald Gluck, der vor 300 Jahren geboren wurde.
Am 5. Oktober 1762 wird auf der Bühne des Wiener Burgtheaters die "Nummernoper", die barocke opera seria zu Grabe getragen.
Die Uraufführung der "azione teatrale" "Orfeo ed Euridice" von Christoph Willibald Gluck leitet eine Opernreform ein, deren Auswirkungen bis heute nachklingen.
Gluck ist damals 48 Jahre alt und lebt seit acht Jahren in Wien, nach Jahrzehnten des rastlosen Reisens kreuz und quer durch Europa. Geboren wurde er am 2. Juli 1714 in Erasbach in der Oberpfalz als Sohn eines Försters. Ein Studium der Logik und Mathematik in Prag hatte er abgebrochen, war mit 23 nach Mailand gegangen, hatte bei Giovanni Battista Sammartini Komposition studiert und 1741 seine erste Oper Artaserse präsentiert, der bis zum Orfeo 30 weitere folgen sollten – allesamt im damals gängigen Stil einer stereotypen Abfolge von Rezitativen und Arien.
Maria Theresias Hofkapellmeister
Venedig, London, Dresden, Kopenhagen und schließlich also Wien, wo 1754 die Festoper Le Cinesi dem 40-jährigen Gluck die Gunst des Kaiserhofes verschafft. Gluck wird Hofkapellmeister Maria Theresias und Musiklehrer ihrer Kinder, der Papst ernennt ihn zum "Ritter vom goldenen Sporn", ein Erfolg reiht sich an den anderen.
Man feiert vor allem seine Opern, aber auch (1761) das Don-Juan-Ballett Le Festin de pierre. Es ist der erste Schritt zur großen Opernreform, die Gluck (und sein Librettist Calzabigi) dann mit dem Orfeo beginnen, dem Alceste und Paride ed Elena folgen. Keine "Nummernoper" mehr, sondern ein durchkomponiertes Drama:
Zitat Christoph Willibald Gluck:
"Schluss mit den kalten Schönheiten der Konvention, an denen die Tonsetzer festzuhalten sich verpflichtet fühlten. Die wahre Aufgabe der Musik ist, der Dichtung zu dienen, ohne ihre Aktionen zu unterbrechen oder zu hemmen!"
Triumph der "Gluckisten"
Wichtiger noch als Wien wird Paris, wo Gluck (auf Einladung seiner ehemaligen Schülerin Marie Antoinette) ab 1774 seine Reformideen vorstellt, denen später Beethoven und Berlioz ebenso folgen werden wie Verdi und Wagner. Es ist der Triumph der Wahrheit über die Schönheit. Werke wie die beiden Iphigénie-Opern en Aulide und en Tauride, die Armide und zuletzt Écho et Narcisse spalten zwar das Publikum, am Ende aber werden die "Gluckisten" triumphieren – auch wenn zum Beispiel Mozart nie versucht war, Glucks Reform zu folgen.
Nach einem Schlaganfall kehrt Gluck im Sommer 1781 nach Wien zurück, wo er am 15. November 1787 stirbt. 22 Jahre später wird E. T. A. Hoffmann ihm seine erste Novelle widmen:
"Alles, was Hass, Liebe, Verzweiflung, Raserei in den stärksten Zügen ausdrücken kann,
fasste er gewaltig in Töne zusammen [...] – ich war außer mir [...] und rief mit gepresster
Stimme: 'Was ist das? Wer sind Sie?' – [...] Feierlich kam er auf mich zu, fasste mich sanft
bei der Hand und sagte, sonderbar lächelnd: 'Ich bin der Ritter Gluck!'"
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