Vor 70 Jahren

"Paris ist befreit"

Die Pariser Bevölkerung begrüßt im August 1944 die US-amerikanischen Truppen nach der Befreiung der Stadt von der deutschen Besatzung.
Die Pariser Bevölkerung begrüßt im August 1944 die US-amerikanischen Truppen nach der Befreiung der Stadt. © picture-alliance / dpa
Von Eberhard Spreng · 24.08.2014
Vor 70 Jahren begann mit der Operation Overlord die Landung der alliierten Truppen in der Normandie. Zu ihnen gehörte auch die zweite, von General Leclerc geführte Panzerdivision der französischen Befreiungstruppen. Fast alle Soldaten dieser Einheit sind spanische Sozialisten, Kommunisten, Anarchisten. Sie waren am 24. August 1944 die ersten alliierten Soldaten bei der Befreiung von Paris.
24. August 1944, 21:20. Einige Militärfahrzeuge halten auf dem Platz vor dem Pariser Hôtel de Ville, dem Rathaus. Ein Soldat springt aus seinem Halbkettenfahrzeug und wird vom "nationalen Zentralrat des Widerstandes" begeistert begrüßt. Er ist der erste alliierte Soldat in dem seit vier Jahren von den Nazis besetzten Paris. Sein Name: Armado Granell. Auf den Uniformen seiner Männer prangt das Wappen der im Bürgerkrieg unter gegangenen Zweiten Spanischen Republik. Armado Granell ist Leutnant in der 9. Kompanie der zweiten, von General Leclerc geführten Panzerdivision der französischen Befreiungsarmee, genannt "La Nueve". Fast alle Soldaten dieser Einheit sind spanische Republikaner: Sozialisten, Kommunisten, Anarchisten.
Zitat:
"Das sind Dickköpfe. Es sind gute Soldaten, aber sie machen allen Angst. Sie müssen mit ihnen zurechtkommen."
Das sagte Leclerc zu Raymond Dronne, als er ihm das Kommando über die als undiszipliniert geltenden, aber bis zum äußersten kampfbereiten Spanier übertrug. Wie Jacques-Philippe Leclerc und Charles de Gaulle war Dronne, der Befehlshaber der spanischen Einheit, ein Gaullist der ersten Stunde. Zusammen mit anderen in Afrika stationierten Truppenverbänden gehörte seine Einheit zu De Gaulles Befreiungsarmee.
Nach ihrem Sieg gegen die Deutschen in Nordafrika war Dronnes "Neunte" nach England verlegt worden und am 4. August in der Normandie gelandet.
Im August 1944 sind sich die Alliierten in Bezug auf Paris strategisch uneins. Briten und Amerikaner planen die Einnahme der französischen Hauptstadt für einen späteren Zeitpunkt; de Gaulle ist ungeduldiger. Als die Résistance in Paris am 19. August einen bewaffneten Aufstand beginnt, ändert sich die Lage. Nach zähen Verhandlungen mit Eisenhower setzen sich alliierte Truppen zu deren Unterstützung in Bewegung in Richtung Paris, aber Verspätungen und Verständigungsprobleme verzögern die Operation. Leclerc steht unter Zeitdruck. Ihn erreichen Berichte, die Deutschen brächten ungeheure Mengen Sprengstoff an Brücken und Monumenten an. Und verzweifelte Hilferufe: Den Aufständischen geht die Munition aus. Ohne Abstimmung mit den Alliierten gibt Leclerc dem Kompaniechef Dronne und seiner "Nueve" einen einsamen, historischen Marschbefehl:
Zitat:
"Dronne, fahren Sie so schnell Sie können nach Paris- auf welchem Weg auch immer. Lassen Sie sich von nichts aufhalten und sagen Sie den Parisern in der Résistance, dass sie den Mut nicht verlieren sollen."
Am Abend erreichen drei Sherman-Panzer und 15 Half-tracks die Porte d' Italie. Ein atemloser Radioreporter meldet die Ankunft des Vorauskommandos.
"Ich habe zwei Panzer gesehen. Erst dachte ich wie immer, es wären deutsche Panzer, und ich wollte meinen Augen nicht trauen, weil es zu schön gewesen wäre, um wahr zu sein. Aber nein! Es waren wirklich 2 Panzer aus Leclercs Division, die Vorhut der Befreiungsarmee."
Am Nachmittag des 25. August verhaftet der Spanier Antonio Gonzales den deutschen Stadtkommandanten Dietrich von Choltitz, der sich dem Führerbefehl verweigert, Paris in Flammen aufgehen zu lassen. Wenig später unterzeichnet Choltitz die Kapitulation. Und De Gaulle hält vor dem Rathaus eine kurze, historische Rede.
"Paris. Paris wurde beleidigt. Paris wurde gebrochen. Paris wurde gepeinigt. Aber Paris ist befreit. Es hat sich selbst befreit. Befreit durch sein Volk mithilfe der französischen Armee und mit der Unterstützung von ganz Frankreich."
Der künftige Staatsmann verschweigt den Beitrag der Alliierten. Auch von Staatschef Philippe Pétain und seiner mit den Deutschen kollaborierenden Vichy-Regierung spricht er nicht. De Gaulles abenteuerliche Auslassungen bereiten einen Mythos vor, der die Vierte und dauerhaftere Fünfte Republik begleiten wird. Für seine Sicherheit vor deutschen Heckenschützen sorgt beim Triumphzug de Gaulles am 26. August wiederum die "Nueve". Die spanischen Republikaner, die man nach Francos Sieg in nordafrikanischen Auffanglagern angeworben hatte, sind nun schon im achten Jahr ihres Kampfes gegen den europäischen Faschismus. Sie werden ihre Fahrt bis zu Hitlers Berghof am Obersalzberg bei Berchtesgaden fortsetzen. In der französischen Geschichtsschreibung werden sie gerne übergangen. Aber immerhin: Seit dem 24. August 2004 hängt ihnen zu Ehren ein Gedenktäfelchen am Pariser Hôtel de Ville.
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