Rameau

"Das größte musikalische Genie Frankreichs"

Ein Gobelin von König Ludwig XIV., auf dem Bedienstete zu sehen sind, die sich um die Silbermöbel in Schloss Versailles kümmern.
Ein Gobelin von König Ludwig XIV. zeigt einen Raum in Schloss Versailles. Der Komponist Rameau (1683-1764) wurde unter der Herrschaft des "Sonnenkönigs" geboren. © dpa / picture alliance / Maxppp Dider Saulnier
Von Stefan Zednik  · 12.09.2014
Was Bach in Deutschland und Händel in England, das war Jean-Philippe Rameau in Frankreich: Der Komponist feierte am Hof von Versailles Triumphe und mischte sich in die musiktheoretischen Diskussionen der Zeit.
"Der unsterbliche Rameau ist das größte musikalische Genie, das Frankreich hervorgebracht hat."
So urteilte der Komponist Camille Saint-Saens, der sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts um die Wiederentdeckung des am 12. September 1764 gestorbenen Kollegen bemühte. Jean-Philippe Rameau wurde 1683 unter der Herrschaft Ludwig des XIV., des "Sonnenkönigs", in Dijon geboren. Zwei Jahre älter als Bach und Händel, wächst er als siebtes von elf Kindern eines Organisten auf. Er genießt eine musikalische Ausbildung, wenn auch seine schulische Erziehung in einem Jesuitenkolleg scheitert: Der Junge, der während des Unterrichts immer nur Noten schreibt, wird nach dem vierten Jahr von der Schule verwiesen. Autodidaktisch lernt er verschiedene Instrumente, assistiert dem Vater, bekleidet schließlich selbst Stellungen als Organist - und er komponiert.
Der musikalische Geschmack wurde am Hof gebildet
"L'etat c'est moi!" - "Der Staat bin ich!" Das ist das Credo einer Zeit, in der auch in ästhetischen Fragen das Prinzip der absolutistischen Direktive herrscht. Der musikalische wie der literarische Geschmack werden am Hof gebildet, und dennoch gibt es eine parallel verlaufende, stetig anwachsende und zunehmend unabhängige intellektuelle Bewegung außerhalb. Voltaire ist einer ihrer Protagonisten, mit ihm wagt sich Rameau auf ein neues Arbeitsfeld. Der Komponist erinnert sich:
"Seit meinem zwölften Lebensjahr habe ich mich mit dem Theater beschäftigt, doch nie für die Oper gearbeitet, bevor ich 50 wurde. Ich fühlte mich noch nicht fähig, ich zögerte. Dann gelang mir etwas, ich hatte Glück. Schließlich wurde ich mutig, tollkühn... und habe weiter gemacht."
Rameaus "Tragédie en musique" "Samson", für die Voltaire das Libretto verfasst, fällt 1736 zwar der Zensur zum Opfer. Doch Rameau schreibt mit "Hippolyte et Aricie" eine weitere Oper, deren Uraufführung die Zuhörerschaft spaltet. Ein Streit zwischen den Anhängern des Zeitgenossen Rameau und denen des längst verstorbenen Jean-Baptiste Lully, immer noch der Maßstab in der Kunst des Musiktheaters, entsteht. Viele Zuhörer meinen, die Instrumente wären falsch gestimmt. Charakteristisch für die Musik seien, so berichtet der "Mercure de France":
"... Dissonanzen ohne Ende, viel Lärm, Furor, Getöse und Turbulenz an Stelle von Freude - nichts, das ans Herz gehen könnte..."
Rameau als Hofkomponist
Doch Rameau bleibt unbeirrt, schafft eine Vielzahl von Bühnenwerken, entwirft in theoretischen Schriften eine eigene Harmonielehre und plant gar die Gründung einer Schule für Komposition. Und während er in weiten Kreisen als Theoretiker bekannt wird, als Nonkonformist am Randbereich der Tradition, spricht sich seine Qualität auch bei Hofe herum. 1745 verleiht ihm König Ludwig XV. einen Titel als Hofkomponist, verbunden mit einer Pensionszahlung.
Rameau widmet sich den damals beliebten Tanzopern, dem heroischen oder dem komischen Ballett. Mit "Platée" schafft er eine heute wie eine Offenbachiade wirkende Mythentravestie der besonderen Art: Genervt von der übertriebenen Eifersucht von Jupiters Gattin Juno animiert der Götterhof eine hässliche Sumpfnymphe zur Werbung um den Chef. Eine Geschichte um Eitelkeit und Gefallsucht, ein Schelm, der das mit dem Leben in Versailles in Verbindung bringt.
In der Mitte des Jahrhunderts kommt es zum sogenannten "Buffonistenstreit". Italienische Musiktruppen standen von jeher in Konkurrenz zur Oper des französischen Hofes. Ihre Kunst galt als einfacher, frischer, volksnäher und weniger affektiert, und als ein Gastspiel mit Pergolesis "La serva padrona" in Paris einen Sensationserfolg erringt, beginnt eine intellektuelle Kontroverse.
"Der französische Gesang ist nur ein fortgesetztes Bellen, jedem Ohr, das nicht daran gewöhnt ist, unerträglich."
So poltert der vielleicht wichtigste Kopf der Szene, der auch selbst komponierende Philosoph Jean-Jacques Rousseau. Doch als er die Gelegenheit erhält, Platée kennenzulernen, zeigt er sich umgehend zur Revision seines Urteils bereit:
"Lassen Sie sich nicht gereuen, sie als das Meisterwerk von Monsieur Rameau zu betrachten und als das hervorragendste musikalische Werk, das jemals auf unserem Theater zu hören war."
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