Jazzsängerin Billie Holiday

Eine der größten Stimmen des 20. Jahrhunderts

Die Sängerin Billie Holiday
Die Sängerin Billie Holiday © imago / United Archives International
Von Karl Lippegaus · 07.04.2015
Billie Holiday verzauberte durch eine völlig neue Gesangskunst im Jazz der Swing-Ära. Ihre Schönheit, ihr Charme und ihr Charisma wirkten überwältigend auf ihr Publikum. Vor 100 Jahren, am 7. April 1915, wurde sie in Philadelphia in den USA geboren.
"Alles, was ich singe ist ein Teil meines Lebens."
Mit diesem Vorsatz interpretierte Billie Holiday eigene oder fremde Songs und formte sie zu einer bewegenden persönlichen Aussage. Obwohl sie nur über einen geringen Stimmumfang verfügte, entwickelte sie - durch ihren Sinn für Dramatik und ihr Feeling - eine einmalige Vortragskunst. Noch ein halbes Jahrhundert nach ihrem Tod mit nur 44 Jahren, ist der Name Billie Holiday Musikhörern in der ganzen Welt ein Begriff. Ihr gehört eine der größten Stimmen des 20. Jahrhunderts.
Geboren wurde sie am 7. April 1915 als Tochter des Gitarristen Clarence Holiday. Ihre Eltern - beide damals noch Teenager - heirateten nie und Eleonora wuchs als einsames, ungeliebtes Kind auf, mit einem Minderwertigkeitskomplex, der sie lebenslang belastete. Die traumatischen Erlebnisse sexuellen Missbrauchs während ihrer Kindheit erzählt sie in ihrer erschütternden Autobiografie "Lady Sings The Blues".
"Es ist das Schlimmste, was einer Frau passieren kann, und es passierte mir, als ich zehn war."
"Lady Day" aus Harlem
Um 1927 brachten zwei Stimmen aus dem Radio Licht in diese Dunkelheit: der Jazzmusiker Louis Armstrong und die Bluessängerin Bessie Smith. Durch sie entdeckte Eleonara Fagan, dass Musik ein Fluchtweg aus dem Elend sein kann. Das Blatt wendete sich 1933, als der Produzent John Hammond von Columbia Records die junge Frau in einem kleinen Kellerlokal in Harlem singen hörte. Der britische Komponist Spike Hughes:
"Sie war groß, selbstsicher, mit schwarzem aufgestecktem Haar und großen Ohrringen und hatte eine goldbraune Haut, die exquisit durch ihr hellblaues Kleid schimmerte. Sie fiel sofort auf in einer Menschenmenge in Harlem. Ich fand sie ganz unwiderstehlich."
Ihr Biograf John Chilton schreibt:
"Das Timbre ihrer Stimme war absolut individuell. Ihr unglaublicher Sinn für Rhythmus und Harmonie ließ sie Songs auf eine neuartige Weise phrasieren."
Niemand wusste ihr Talent mehr zu schätzen als die Jazzmusiker. Sie war eine von ihnen. Unter Leitung des Pianisten Teddy Wilson umschwärmten sie Billie wie die Motten das Licht. Die größten Jazzmusiker New Yorks willigten ein, für eine geringe Gage bei ihren vielen Plattensessions mitzuwirken. Ihr Freund, der Saxofonist Lester Young, gab ihr den Namen "Lady Day".
Sie sang ein Jahr lang in der Bigband von Count Basie, dann bei Artie Shaw, aber beide waren bei anderen Firmen unter Vertrag und so entstanden keine gemeinsamen Studioplatten. Und dennoch wuchs ihr Ruhm in jener Zeit – besonders 1939, als sie fast ein Jahr lang in einem Cabaret namens "Café Society" auftrat. Am Schluss brachte sie immer ihre Erkennungsmelodie, dann ging das Licht aus, und es gab keine Zugaben.
Song über den rassistischen weißen Mob
Es war ein verstörendes, erschütterndes Lied, das ein Kommunist, Jude und Englischlehrer namens Abel Meeropol geschrieben hatte unter dem Pseudonym Lewis Allen. Die "Strange Fruit", die "seltsame Frucht", die Billie hier besingt, sind die Körper von Afroamerikanern, die von einem rassistischen weißen Mob gelyncht wurden.
In den 50er-Jahren, als Billie Holiday viel Geld verdiente, ließ ihre Stimmkraft - durch Heroin-, Alkohol- und Tabakmissbrauch - nach. Ihre Freundin, die Sängerin Carmen McRae, fasste es in einem kurzen Satz zusammen:
"Das Singen ist die einzige Art, wie Billie sich so ausdrücken kann, wie sie die ganze Zeit gerne wäre."
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