Frère Roger Schutz

Der Vater der Taizé-Gemeinde

Der Gründer der ökumenischen Taizé-Gemeinde, Frère Roger Schutz, auf einem Foto aus dem Jahr 2002.
Der Gründer der ökumenischen Taizé-Gemeinde, Frère Roger Schutz, auf einem Foto aus dem Jahr 2002. © AFP / Martin Bureau
Von Anna Gann · 12.05.2015
Roger Schutz kaufte 1940 in dem Örtchen Taizé ein heruntergekommenes Haus mit kleinem Grundstück. Das war der Grundstein für eine ökumenische Gemeinschaft. Heute kommen jedes Jahr Zehntausende Gläubige dorthin, um zu beten. Vor 100 Jahren wurde Schutz geboren.
Das kleine burgundische Dorf Taizé, etwa 80 Kilometer nördlich von Lyon auf einem Hügel gelegen, zieht seit den 1950er-Jahren Jugendliche aus aller Welt an. Sie teilen für ein paar Tage oder auch länger das einfache Leben der Brüder, die dort wohnen, suchen Orientierung für ihren Alltag und ihren Glauben. Die meditativen Gebets-Gesänge der "Communauté de Taizé" sind weithin bekannt.
Begründer dieser ersten ökumenischen Brüdergemeinschaft der Kirchengeschichte war der evangelisch-reformierte Theologe Roger Schutz. Als er 1974 in der Frankfurter Paulskirche den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhielt, sagte er:
"In meiner Jugend, in dieser Zeit, in der es solche Spaltungen quer durch Europa gab, fragte ich mich unablässig: Warum dieses Gegeneinander der Menschen, selbst bei den Christen?"
Frère Roger, wie er meist genannt wird, war als jüngstes von neun Kindern am 12. Mai 1915 im schweizerischen Juradorf Provence zur Welt gekommen. Auf Wunsch seines Vaters, der Pfarrer war, studierte er Theologie in Lausanne und Straßburg. Doch die intellektuelle Auseinandersetzung mit Glaubensfragen blieb ihm suspekt, wie er noch im hohen Alter eingestand.
"Alles, was zu systematisch vorgeht, mag ich nicht, unterstütze ich nicht. Es gibt einen ganzen Teil an Spontaneität, an innerem Leben, an den Dingen des Herzens, des Seelenlebens, der dadurch beschädigt wird."
Neue Heimat in einem Dorf ohne Strom und Wasser
Seine Lebensentscheidung reifte während einer langwierigen Lungentuberkulose, die ihn zeitweise in Lebensgefahr brachte. Nach seiner Genesung im Sommer 1940 kaufte er in Taizé ein heruntergekommenes Haus mit kleinem Grundstück. Das verlassene 40-Seelen-Nest ohne Elektrizität, fließendes Wasser und Telefon lag unweit der Demarkationslinie zu jenem Teil Frankreichs, der von Hitlerdeutschland besetzt war.
"Es ging natürlich darum, einen Ort der Gemeinschaft vorzubereiten, aber auch darum, dort politische Flüchtlinge aufzunehmen, insbesondere Juden."
Als 1942 ganz Frankreich besetzt und seine Rettungsaktion entdeckt wurde, musste Frère Roger zwei Jahre in der Schweiz ausharren. Wieder zurück, nahm er sich ab 1945 deutscher Kriegsgefangener an, die nahe Taizé in Lagern untergebracht waren.
"Ich erhielt die Genehmigung, mit den deutschen Kriegsgefangenen Sonntagvormittags für einen kurzen Moment zu beten und wir teilten die wenige Nahrung, die wir auftreiben konnten. Die Armut war unser aller Los."
Das Leben der Menschen teilen und ihnen dadurch beistehen. Aus diesem Grundanliegen heraus lebte Frère Roger in den Jahrzehnten danach immer wieder längere Zeit unter den Ärmsten der Armen.
Mit vielen Preisen geehrt
Frère Roger wurde wegen seines Einsatzes für Frieden und Versöhnung zwischen den Völkern mit verschiedenen europäischen Preisen ausgezeichnet. Vielen Christen war er ein hoffnungsvoller Vorreiter der Ökumene. Er nahm als nichtkatholischer Beobachter am Zweiten Vatikanischen Konzil teil und war mit mehreren Päpsten sowie mit Patriarchen der orthodoxen Kirche vertrauensvoll verbunden. Am 16. August 2005 wurde der charismatische, aber zurückhaltende, eher öffentlichkeitsscheue Mann während des Abendgebets in Taizé von einer wohl psychisch kranken Frau getötet.
Die Gemeinschaft von Taizé zählt heute um die 100 Brüder verschiedener Konfession aus mehr als 25 Nationen. Noch immer finanzieren sie sich allein durch ihre Arbeit, nehmen keine Spenden für ihren Unterhalt an und bilden keine Rücklagen. Zehntausende Jugendliche reisen jährlich nach Taizé und zu den regelmäßigen Jugendtreffen in verschiedenen europäischen Städten. Frère Roger war den jungen Gästen stets mit großer Zuneigung begegnet.
"Ich entdecke, dass bei aller Vielfalt der Ausdrucksweisen, unter den Jugendlichen eine brennende Suche nach Verständigung ist."
Mehr zum Thema