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Kalifornien und die Homo-Ehe

Für viele Homosexuelle in den USA ist es ein längst überfälliger Schritt: Die Richter des Supreme Courts beraten aktuell sowohl über die im Bundesrecht verankerte Benachteiligung Homosexueller als auch über das Verbot der Homo-Ehe in Kalifornien. Dort wurde die Homo-Ehe 2008 per Referndum verboten.

Von Anne Raith | 30.03.2013
    Viel Platz ist nicht in der kleinen Küche, in der Jörg Kelly-Schade gerade Kaffee für sich und seinen Mann Randel macht. Auf einem Tablett balanciert der 44-Jährige die beiden Tassen Richtung Esstisch. Der Deutsche und der Amerikaner sind seit 18 Jahren ein Paar – vor fünf Jahren haben die beiden in San Francisco geheiratet.

    "Wir haben am 4. November 2008 geheiratet, an dem Tag, an dem die Kalifornier über die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe abgestimmt haben." - "Wir haben uns bewusst für dieses Datum entschieden. Mir ging es nicht nur darum, zu heiraten, es ging auch um die damit verbundenen Rechte. Um ein politisches Statement."

    Wie politisch dieses Statement am Ende war, das zeigte sich schon beim Hochzeitsessen – als das Ergebnis des Referendums über die Bildschirme flimmerte: Die gleichgeschlechtliche Ehe war ab sofort wieder verboten.

    "Randel hat geahnt, dass das passieren könnte. Ich war einfach zu naiv und konnte mir das gar nicht vorstellen – in San Francisco, in Kalifornien, wo die Leute Blumen im Haar tragen. Randel war da viel realistischer oder einfach pragmatischer."

    Ed Malcolm ist heute noch fassungslos, wenn er an den 4. November 2008 zurückdenkt:

    "Proposition 8 war für uns Schwule eine der schmerzlichsten Erfahrungen überhaupt. Weil sie zementiert hat, dass wir Menschen zweiter Klasse sind."

    Auch bei "Dignity", einer Gruppe schwuler und lesbischer Katholiken, ist die gleichgeschlechtliche Ehe an diesem Nachmittag Thema. Wie so oft, seit der Supreme Court im vergangenen Jahr beschlossen hat, das kalifornische Verbot erneut auf den Prüfstand zu stellen. Der 64-Jährige fasst sich an seine Baseballkappe, redet sich in Rage. Selbst wenn das Verbot gekippt wird, sagt er, werden gleichgeschlechtliche Paare auf nationaler Ebene weiterhin diskriminiert:

    "Dann gibt es ja auch noch das Gesetz zur Verteidigung der Ehe, DOMA, das gleichgeschlechtlichen Ehepaaren auf Bundesebene nicht die gleichen Rechte wie heterosexuellen Ehepaaren einräumt. Du hast keine Rechte!"

    Denn auf Bundesebene wird die Ehe als rechtliche Verbindung zwischen Mann und Frau definiert – kein Bundesstaat kann also gezwungen werden, die gleichgeschlechtliche Ehe anzuerkennen und dem Paar entsprechende Rechte zu gewähren.
    Auch DOMA will der Supreme Court erneut prüfen.

    Für Bevan Dufty längst überfällige Schritte. Sein Büro liegt im Rathaus, nicht weit entfernt von der Büste des schwulen Bürgerrechtlers Harvey Milk. Bevan Dufty ist selbst homosexuell, war lange Stadt-Abgeordneter in Milks ehemaligem Bezirk Castro.

    "Für uns wäre die Legalisierung der Ehe hier in Kalifornien wirklich bedeutend – und für die anderen würde sich ja nichts ändern! Wir nehmen doch niemandem etwas weg. Die gleichgeschlechtliche Ehe ist doch keine Gefahr für die Religion, den Job oder das Familienglück von irgendjemandem."

    Doch genau das sehen viele Gegner der gleichgeschlechtlichen Ehe anders. Sie sehen die "Institution" Ehe bedroht, fürchten den Niedergang vermeintlich traditioneller amerikanischer Werte. Das weiß auch Bevan Dufty und tut sich deswegen schwer mit einer Prognose:

    "Der Supreme Court ist im Moment sehr gespalten – gäbe es weniger konservative Richter, wäre ich zuversichtlicher. Es könnte auf eine 5:4 Entscheidung hinauslaufen."

    Auch Randel Kelly kennt die Argumente der Gegner nur zu gut. Er ist in einer streng evangelikalen Familie aufgewachsen. Seine Eltern waren nicht bei seiner Hochzeit. Und doch ist er zuversichtlich

    "Es geht ja auch um das Gefühl, nicht auf der falschen Seite der Geschichte stehen zu wollen. Wenn wir heute auf vergangene Grundsatzentscheidungen zurückblicken, zum Beispiel den Fall Plessy gegen Ferguson, der die Rassentrennung manifestiert hat, natürlich denken wir dann heute, wie rückwärtsgewandt diese Leute damals waren. Deshalb glaube ich, dass es den Richtern bei der jetzigen Entscheidung auch um ihr Vermächtnis geht. Dass sie nicht diejenigen sein wollen, die Homosexuelle weiterhin diskriminieren, obgleich sich eine Mehrheit des Landes für eine Gleichstellung ausspricht."