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Kalifornien
Vermeidbare Feuerkatastrophen

In Kalifornien wüten verheerende Feuer. Neben steigenden Temperaturen und zunehmenden Dürren gibt es auch eine weitere Ursache: die veraltete Infrastruktur der regionalen, privaten Energieanbieter. Denn wenn marode Strommasten umstürzen, lösen sie häufig Feuer aus.

Von Marcus Schuler | 02.11.2019
Feuerwehrmänner vor einem brennenden Lagerhaus in Riverside in Kalifornien am 31. Oktober 2019.
Brände bedrohen nun schon im dritten Jahr in Folge Menschen und Umwelt in Kalifornien (imago / Watchara Phomicinda)
Es ist gerade mal zwei Jahre her, da haben die Waldbrände Danielle Bryant und ihren Mann aus ihrem Haus in Santa Rosa vertrieben, das wenig später niederbrannte. Die Stadt liegt gut 90 Kilometer nördlich von San Francisco. Vor zwei Jahren starben 44 Menschen. Im letzten Jahr kamen die Herbstfeuer wieder. 80 Menschen verloren ihr Leben.
Vergangene Woche mussten Danielle und ihr Mann ihr Apartment verlassen, weil Santa Rose wieder vom Feuer bedroht war.
"Wir wurden Opfer einer der schrecklichsten Ereignisse hier. Das macht mir Angst. Ich weiß nicht mehr, wo mein zuhause ist."
Die Hügel "gingen in Flammen auf"
Ähnlich ging es Philipp van Gelder. Er wohnt mit seiner Frau in Geyserville, ebenfalls im Norden Kaliforniens. Vergangenen Winter regnete es so stark, dass sein kleines Häuschen, inmitten von Weinbergen gelegen, überflutet wurde. Vor wenigen Wochen hat er den letzten Schlamm abtransportiert. Dann kamen die Feuer, erzählt der 74 jährige einer Reporterin des Radiosenders NPR:
"Die Feuer wüteten bereits auf den Hügeln, und ich sagte mir, dass ich wachsam bleiben muss. Dann explodierten die Hügel, sie gingen in Flammen auf und unser Haus war von Ruß und Asche umgeben. Ich war nicht panisch oder so emotional wie ich es jetzt gerade bin, wenn ich mich erinnere."
Brände in Kalifornien: Ein verglühender Baum sprüht vor Feuerfunken im Sonoma County in Kalifornien am 29. Oktober 2019, Kellogg, California, USA.
Zerstörerische Funken: verglühender Baum in Kalifornien (imago / Paul Kitagaki )
Van Gelder und seine Frau sind bei der Tochter in Oakland untergekommen. Das Rentnerpaar überlegt, ob es überhaupt nochmals zurückgehen soll. Es fragt sich, welche Zukunft es noch in Kalifornien hat.
Veraltete Energie-Infrastruktur
Die Waldbrände scheinen zur Normalität in dem wirtschaftlich so reichen Bundesstaat zu werden. Es ist das dritte Jahr in Folge, in dem es im Herbst zu verheerenden Feuern kommt. Dieses Jahr sollte alles anders werden. Besonders im Norden des Bundesstaates, wo es nur einen einzigen Energie-Anbieter gibt.
"Unser Bundesstaat ist die fünf größte Wirtschaftsnation der Welt, doch wir agieren wir ein Land der Dritten Welt. Der Energieversorger hat in den vergangenen 20, 30 Jahren nichts in seine Infrastruktur investiert, obwohl wir die Ressourcen zur Verfügung gestellt haben."
Das ist Jerry Hill. Er ist Abgeordneter der Demokraten im Senat von Kalifornien. Er repräsentiert das Silicon Valley, die größte High-Tech-Region der Welt mir Unternehmen wie Apple, Google, Facebook, Cisco und vielen tausend anderen. Hill regt sich im Radiosender NPR über PG&E auf, ein Energieversorgungsunternehmen, das nach den verheerenden Bränden im vergangenen Jahr wegen Schadenersatzforderungen Insolvenz anmelden musste.
"Fakt ist, das Unternehmen gehört einem Hedge Fonds an der Wall Street. Sicherheit hat dort nie eine große Rolle gespielt."
Umstürzende Strommasten lösen Feuer aus
PG & E kündigte an, bei aufkommenden Starkwinden, die Strommasten umknicken könnten, einfach den Strom abzuschalten. Anfang Oktober gab es für gut eine Million Menschen nördlich von San Francisco die erste Stromabschaltung. Fünf Tage waren viele Haushalte ohne Strom sie. Die Website des Energieversorgers brach zusammen. PG&E Chef Bill Johnson entschuldigte sich dafür, es herrschte Chaos:
"Unsere Website ist mehrere Male zusammengebrochen. Unsere Karten im Web war nicht vermutlich nicht genau genug, unsere Call Center sind unter der Last der Anrufe zusammengebrochen. Mit einfachen Worten: Wir waren auf solch ein Ereignis nicht ausreichend vorbereitet."
Der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom, seit knapp einem Jahr im Amt, verliert die Geduld. Er möchte den Verkauf der Insolvenzmasse von PG&E am liebsten vorziehen oder das Unternehmen sogar verstaatlichen:
"Hier geht nicht um den Klimawandel, sondern es handelt sich um eine über viele Jahrzehnte währende Misswirtschaft."
Eric Garcetti and der kalifornische Governeur Gavin Newsom (rechts) bein einer Pressekonferenz im Getty Center aufgrund der Feuer.
Unterstützt die Feuerwehr, greift die Energiekonzerne an: Gouverneur Gavin Newson (image / Faye Sadoux)
Vor etwas mehr als einer Woche kamen die Herbststürme zurück und mit ihnen die Feuer. Mehr als 400 Mal brannte es in den vergangenen Tagen in Kalifornien. Sowohl im Süden im Großraum Los Angeles als auch im Norden in der Nähe der Bay Area bei San Francisco.
Stromleitungen unterirdisch verlegen
Auch die Stromabschaltungen brachten nicht viel. Mindestens zwei Feuer, wurden durch umgestürzte Leitungen entzündet. Trotzdem waren fast drei Millionen Menschen ohne Strom. Vorsorglich. Andrea Takesch, 76, kommt ursprünglich aus Berlin, sie ist aber in den 60er Jahren nach Amerika ausgewandert. Jetzt lebt sie in San Rafael, kurz hinter der Golden Gate Bridge.
Ihr Nachbar Richard Velasquez musste fast eine Woche lang auf warmes Wasser und ein beheiztes Haus verzichten. Er will jetzt an das Ersparte ran und sich unabhängig machen vom Energieversorger.
"Es ist jetzt allen klar geworden, dass wir unabhängig vom Energieversorger werden müssen. Ich schau mich gerade nach Speicherbatterien und Generatoren um, ich hoffe, dass die Infrastruktur bald repariert wird und es mehr Wettbewerb gibt."
Zehn Jahre könnte es dauern, bis Kalifornien seine Stromleitungen modernisiert und unterirdisch verlegt hat. Machtlos ist der Bundesstaat aber beim Klimawandel. Die Temperaturen haben sich in den Sommermonaten im Schnitt um zwei Grad erhöht. Und auch die Winde haben sich verstärkt.