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Kamerun
Auf dem Weg zum Bürgerkrieg

Was 2016 mit harmlosen Protesten begonnen hat, droht zu einem blutigen Bürgerkrieg heranzuwachsen. Im Nordwesten Kameruns spitzt sich der Konflikt zwischen englischsprachigen Separatisten und der französischsprachigen Mehrheit im Land immer mehr zu. Mehr als 100.000 Menschen sollen schon geflohen sein.

Von Dunja Sadaqi | 05.07.2018
    Sicherheitskräfte patrouillieren im Oktober 2017 auf den Straßen der Stadt Bamenda in Kamerun, um Proteste englischsprachiger Separatisten zu verhindern. Dutzende Menschen wurden bei Zusammenstößen getötet.
    Sicherheitskräfte patrouillieren im Oktober 2017 auf den Straßen der Stadt Bamenda in Kamerun (dpa / Jean Pierre Kepseu / Panapress)
    "Sie wollen uns alle töten, Sie wollen uns alle töten!", schreit ein Mann in Panik. Wacklige Bilder. Der Mann rennt durch sein Dorf, das in Flammen steht, während er mit dem Handy die Szenen filmt. Ähnliche Videos zeigen seit Monaten dasselbe: brennende Dörfer, Schüsse, Menschen, die sich verstecken, flüchten, misshandelt oder sogar getötet werden – vor laufender Kamera.
    "Diese Kugeln sind für uns – für Zivilisten! Vereinte Nationen – seht ihr das? Wollt ihr, dass sie uns alle umbringen?"
    Der englischsprachige Nord- und Südwesten Kameruns droht in einem Bürgerkrieg zu versinken. Begonnen hatte alles mit Protestmärschen 2016. Die anglofone Minderheit im Land – immerhin 20 Prozent der Kameruner – klagte darüber, dass Justiz, Verwaltung und teilweise auch der Schulunterricht auf Französisch abgewickelt werde. Sie fordern ihr von der Verfassung garantiertes Minderheitenrecht ein.
    Vorwürfe gegen die Armee
    Eine kleine radikale Gruppe im Nordwesten rief nach Unabhängigkeit und rief den Fantasiestaat "Ambazonien" aus. Sie verüben Anschläge auf Polizeistationen, auf Schulen, auf Soldaten. Mittlerweile hat der Präsident seine Eingreiftruppe in das Gebiet entsandt, sie macht Jagd auf die Separatisten. Offensichtlich aber nicht nur. Das will zumindest "Africa Eye" herausgefunden haben – das Investigativ-Team der britischen BBC. Sie haben viele Internet-Videos analysiert – mit Experten, Augenzeugen und Satellitenbildern. Das Ergebnis: Es scheint, als ob die kamerunische Armee selbst Verbrechen an Zivilisten begeht.
    "Als sie im Dorf ankamen, haben sie erst in die Luft geschossen", berichtet dieser Augenzeuge der BBC am Telefon. "Da sind alle in den Busch gerannt. Sie haben Zivilisten an dem Tag erschossen. Am selben Abend haben sie angefangen, die Häuser anzuzünden. Erst einmal ein Viertel des Dorfes – am Folgetag haben sie weiter gemacht."
    Regierung beschließt Entwicklungsprogramm
    Menschenrechtsaktivisten im Land sprechen von bis zu 70 Dörfern im englischsprachigen Westen des Landes, wo Ähnliches passiert sein soll. Die Regierung bestreitet das, verspricht aber Aufklärung. Kommunikationsminister Issa Tchiroma Bakary:
    "Die Separatisten sind in der Lage, sich Uniformen unserer Armee anzueignen, um Verbrechen zu begehen und sie der Armee in die Schuhe zu schieben. Wir untersuchen die benannten Fälle, sodass wir genau wissen, was dort passiert ist. Wieso sollten unser Soldaten so etwas tun, wenn ihre Aufgabe doch darin besteht, Menschen zu beschützen?"
    Der Kampf zwischen Separatisten und Armee verbreitet Angst in der Region. Die Jagd auf die Separatisten lässt Dörfer verwaist und wie ausgestorben zurück. UN-Schätzungen zufolge sind bereits über 160.000 Menschen zu Flüchtlingen im eigenen Land geworden, über 30.000 Flüchtlinge will das Nachbarland Nigeria bisher aufgenommen haben. Sowohl die US-amerikanische Regierung als auch die Vereinten Nationen haben die Konfliktparteien zum Dialog aufgerufen – bisher ohne Erfolg. Jetzt hat Kameruns Regierung ein millionenschweres Entwicklungsprogramm für den englischsprachigen Teil des Landes beschlossen. Das Programm soll der vernachlässigten Region helfen und Kamerun wieder Frieden bringen.