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Kammer verfehlt

Geologie. - Im Juni startete im Atommülllager Asse eine Probebohrung, um herauszufinden, ob und wie sich der radioaktive Abfall untertage wieder ans Licht holen ließe. Ein halbes Jahr später nun meldet die verantwortliche Betriebsgesellschaft Asse GmbH die besagte 30-Meter-Erkundungsbohrung habe ihr Ziel verfehlt. Statt wie geplant die Einlagerungskammer 7 in knapp 750 Metern Tiefe anzubohren, sei man knapp drei Meter zu hoch gelandet, in der Decke eben dieser Kammer. Jens Köhler, Technischer Geschäftsführer der Asse GmbH, erläutert die Umstände im Gespräch mit Ralf Krauter.

Jens Köhler im Gespräch mit Ralf Krauter | 30.11.2012
    Krauter: Herr Köhler, was ist da schief gelaufen?

    Köhler: Die Leute sind mit dem Bohren genau da angekommen, wo sie vorhatten. Insofern ist da nichts schiefgelaufen. Die Decke dieser Kammer liegt nur tiefer als wir das erwarten konnten. Insofern ist der Bohrlochverlauf genauso hergestellt worden, wie wir das geplant hatten. Die Änderung zur Planung ist, dass die Kammer nicht da ist, wo wir sie vermuten konnten.

    Krauter: Aber das Hauptziel der Bohrung war ja diese Kammer anzubohren, unter anderem um dort Gasproben zu nehmen. Das kann man jetzt erst einmal nicht machen?

    Köhler: Die Verbindungen zur Kammer sind nicht so, dass wir ausreichend Gas entnehmen könnten. Wir haben bei Gasmessungen, die wir im Bohrloch gemacht haben, durchaus Gase festgestellt. Wir haben zum Beispiel Methan und auch Wasserstoff in sehr, sehr geringer Konzentration messen können. Allerdings sind wir nicht in den vermuteten Hohlraum getroffen. Aber auch das war von vornherein nicht hundertprozentig sicher, dass es solch einen Hohlraum dort geben würde.

    Krauter: Anfang Juni, als die Bohrung gestartet ist, hieß es: Na ja, in rund sechs Wochen sind wir damit fertig. Jetzt haben Sie sechs Monate gebraucht und stellen am Ende fest: Ups, wir haben das Ziel verfehlt. Da stellt man sich die Frage: Sind da wirklich Profis am Werk?

    Köhler: Da sind von Seiten der Asse die besten Experten unserer Bohrabteilung am Werk. Die haben unter extrem schwierigen Verhältnissen dieses Bohren mehrere Monate lang geübt. Die Verlaufsmessungen der Bohrung zeigen, dass exakt die Richtung eingehalten wurde, die auch geplant war. Die Zeitangabe 'sechs Wochen' stammt von mir, die basiert darauf: Normalerweise brauchen wir für die Herstellung einer solchen Bohrung mit solch einer Länge, wenige Schichten. Das heißt, ein bis zwei Tage maximal hätten wir solch eine Bohrung unter normalen Zuständen gebohrt. Wir hatten bereits nach drei Tagen eine sogenannte Bitumen-Schicht erbohrt. Das war planmäßig, dass wir die antreffen würden. Allein das Durchbohren und das Offenhalten und das Stabilisieren des Bohrloches in diesem Bitumen-Bereich hat uns drei Monate Zeit gekostet, weil das Bitumen, das wir dort angetroffen haben, ganz andere Fließeigenschaften hatte, als das Bitumen, was wir vorher, ein Jahr vorher, in einem vergleichbaren Feldversuch ausprobiert haben. Das war nicht vorhersehbar, dass sich das Bitumen so verhält. Die Bedingungen, die wir auch im weiteren Verlauf dieses Bohrens hatten, sind unvergleichlich schwieriger als die, die man bei einem normalen Bohrvorgang hätte. Also, das ist eine Höchstleistung, die unsere Mannschaft da vollbracht hat.

    Krauter: Zeigen denn die aktuellen Probleme nicht ganz klar, wie sehr man da im Nebel stochert in der Asse. Das heißt, man trifft das Ziel, ist am Ende aber doch woanders, als man hinwollte.

    Köhler: Im vorliegenden Fall waren die Unterlagen, die wir hatten, über 30 Jahre alt. Die letzte höhenmäßige Aufnahme dieser Kammer stammt vom 28. Oktober 1980. Wenn man auf Basis von so alten Zahlen planen muss, dann ist eine solche Planung natürlich mit entsprechenden Unsicherheiten behaftet.

    Krauter: Wie stark wirft Sie diese Panne jetzt zurück?

    Köhler: Wir sind derzeit dabei auf Basis der Erkenntnisse, die wir über den Verlauf der Kammerdecke haben, eine neue Bohrung zu planen. Unabhängig davon ist auch diese Bohrung nicht verloren. Wir können sie nutzen, um sie zu verlängern, um den Deckenbereich dieser Kammer weiter zu erkunden. Das sieht ohnehin unser Bohrprogramm vor, also insofern ist noch gar nicht gesagt, dass wir dadurch, dass diese Bohrung nicht einen Hohlraum gefunden hat, Zeit verloren haben. Wenn wir die Bohrung für andere Zwecke nutzen können, ist es durchaus möglich, dass wir überhaupt keine Zeit verloren haben. Wir haben im Gegenteil durch die vielen Erkenntnisse, die wir bei diesem Bohren gewonnen haben, den Aufbau des Verschlussbauwerks kennengelernt. Wir wissen, wie sich das Bitumen verhält, wir wissen, dass Gase aus dieser Kammer in das Bitumen hineindiffundieren. Wir wissen, dass wir nicht zu 100 Prozent den alten, 30 Jahre alten Zeichnungen vertrauen können. Das ist ein Fülle von Informationen, die wir auch jetzt schon in diesen sechs Monaten gewinnen konnten, die uns jetzt im weiteren Verlauf des Projektes sehr gut weiterhelfen können.