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Kammermusik
Eine Hommage an Franz und Karl Doppler

Franz und Karl Doppler gehörten zu den brillantesten Flötisten des 19. Jahrhunderts. Mit einer doppelten Verbeugung erweisen nun Walter Auer und Karl-Heinz Schütz, Solo-Flötisten der Wiener Philharmoniker, dem musikalischen Brüderpaar ihre Reverenz und rücken dabei manches Vorurteil über vermeintliche Salonmusik zurecht.

Von Johannes Jansen | 31.08.2014
    Notenblatt mit den Klappen einer Querflöte
    Walter Auer und Karl-Heinz Schütz gehören dem gleichen Orchester an - den Wiener Philharmonikern. (picture-alliance / dpa / Klaus Rose)
    Musik: Franz Doppler, Allegro (2. Satz aus: Duettino op. 36 "sur des motifs hongrois"). Walter Auer und Karl-Heinz-Schütz (Fl.), Christoph Traxler (Klav.), CD-Track 6.
    Sie waren Zeitgenossen des Kaisers mit dem Backenbart und des Walzerkönigs Johann Strauß. Mit ihrem Instrument, der Querflöte, schrieben sie Geschichte, hinterließen aber auch als Dirigenten und Komponisten ihre Spur: Franz und Karl Doppler. Geboren wurden sie in Lemberg, dem heutigen Lviv in der West-Ukraine; damals war es eine österreichische Provinzhauptstadt. Vom Vater, einem Militärkapellmeister, erlernten sie den Musikerberuf und erwarben sich schon im Knabenalter einen Ruf als Virtuosen. Franz trat mit 14 in Bukarest seine erste Orchesterstelle an, der jüngere Karl war zwölf, als man ihn ans königliche Stadttheater von Ofen engagierte. Bald danach waren beide in Pest Flötisten am ungarischen Nationaltheater und beteiligten sich maßgeblich an der Gründung der Philharmonischen Konzerte. Nach einem umjubelten Auftritt im Prunksaal des Nationalmuseums war die Zeit gekommen für ausgedehnte Konzertreisen weit über die Grenzen der Donaumonarchie hinaus. Zu ihren Paradestücken gehörten Duo-Kompositionen über ungarische Motive, und wo immer sie damit gastierten, ob in Leipzig oder Berlin, in Brüssel oder London, sogar in der Türkei - Beifall war garantiert.
    Die Doppler-Brüder spielten blendend und sahen auch so aus. Ein Foto zeigt sie als Ungarn wie aus dem Bilderbuch, mit forschem Blick, doch in betont legerer Pose, die Jacke offen, die Hosenbeine in glänzende Schaftstiefel gesteckt. Die ungarische Tracht war ihr Konzertkostüm. Eine weitere Besonderheit: Karl soll die Flöte als Linkshänder und Franz als Rechtshänder gespielt haben, sodass der eine wie des anderen Spiegelbild agierte und, wenn sie sich gegenüberstanden, beide in dieselbe Richtung bliesen.
    Ödnis einzelner Variationen
    Obwohl sie nur Wahl-Ungarn waren, prägte ein stark patriotischer Einschlag ihr gesamtes Schaffen, das neben Instrumentalmusik zahlreiche vaterländische Gesänge, Bühnenwerke und, nicht zu vergessen, einige bis heute gebräuchliche Instrumentierungen ungarischer Rhapsodien von Franz Liszt umfasst. Diese offenkundige Begabung für das Orchester und das Orchestrieren ließ ihre Virtuosenlaufbahn in eine kaum weniger erfolgreiche Pultkarriere münden: Franz wurde Musikdirektor des Wiener Hofballetts, Karl Kapellmeister am Stuttgarter Hoftheater.
    Musik: Franz Doppler, Allegro (1. Satz aus: La sonnambula op. 42 "Paraphrase en souvenir de Adelina Patti"). Walter Auer und Karl-Heinz-Schütz (Fl.), Christoph Traxler (Klav.), CD-Track 7.
    Ein Stück aus der Welt der Oper ist Franz Dopplers "Paraphrase en souvenir de Adelina Patti" über Themen aus "La sonnambula" von Vincenzo Bellini. Die Schlussarie "Ah! Non credea mirarti" bildete den Ausgangspunkt für verschwenderisch ausgezierte Belcanto-Linien, die tatsächlich der Patti, einem Mega-Star ihrer Zeit, würdig gewesen wären. Dass Doppler ihren Namen dem Werktitel hinzufügte, kann man geschäftstüchtig nennen, aber gewiss war es auch eine Hommage aus ehrlicher Bewunderung für diese großartige Sängerin, verbunden mit dem Anspruch, selbst etwas künstlerisch Hochstehendes zu schaffen. Das unterscheidet Dopplers Paraphrasen von der Massenproduktion zeitgenössischer Potpourris für Liebhaber und Laien. Nicht mit gleichem Enthusiasmus scheint das als "Souvenir de Prague" etikettierte "Duo concertant sur des motifs bohémiens" geschrieben zu sein. Der Wiedergabe durch Walter Auer und Karl-Heinz Schütz auf dieser neuen CD merkt man es nicht unbedingt an, doch in der Ödnis einzelner Variationen droht auch der entschlossenste Gestaltungswille bisweilen zu versiegen.
    Musik: Franz und Karl Doppler, Andante con moto (2. Satz aus: Souvenir de Prague op. 24 "Duo concertant sur des motifs bohémiens"). Walter Auer und Karl-Heinz-Schütz (Fl.), Christoph Traxler (Klav.), CD-Track 11.
    Als überaus dankbares Werk erweist sich die Rigoletto-Fantasie op. 38. Thematisch bleibt sie an der Oberfläche, denn wie ein Franz Liszt in seiner Rigoletto-Paraphrase in die Abgründe der Verdi-Oper wenigstens hineinzuleuchten, entsprach nicht dem Ehrgeiz der Bearbeiter. Die Dopplers griffen einfach nach den Melodien und ließen sich von ihnen forttragen. Einzig das Klavier ruft das dramatische Bühnengeschehen beiläufig in Erinnerung, während sich die Flötenstimmen darüber nachtigallengleich erheben. Die "Reinheit und Deutlichkeit ... und das Zusammenschmelzen des Tons in den gesanglichen Stellen" - ein Kritiker der Neuen Wiener Musikzeitung wusste gar nicht, was er mehr bewundern sollte.
    Mit gebotenem Schmiss
    Auch bei den Doppler-Doubles Auer und Schütz, die sich zwar nicht in ungarischer Tracht und Stiefeln, aber in ganz ähnlicher Haltung auf dem CD-Cover präsentieren, strömen die Terzen und Sexten wie aus einem einzigen Mund. Die perfekte Symbiose ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass beide zwar dem gleichen Orchester angehören - den Wiener Philharmonikern -, aber dort auch Konkurrenten sind.
    Musik: Franz und Karl Doppler, Thema: Allegro moderato (2. Satz aus: Rigoletto Fantaisie op. 38 "Duo concertant"). Walter Auer und Karl-Heinz-Schütz (Fl.), Christoph Traxler (Klav.), CD-Track 15.
    Für die Nachahmung menschlicher Leidenstöne, von kleinen Seufzern abgesehen, ist die Flöte eher nicht prädestiniert. Aber eine gewisse Schärfe besitzt sie schon. Das zeigt sie als Standardinstrument der Militärmusik und auch auf dieser neuen Platte mit dem gebotenen Schmiss und einer guten Portion Humor im abschließenden "Duettino op. 37 sur des motifs américains". Zunächst gar nicht "maestoso", wie es die Satzüberschrift will, sondern als leichtfüßiger Salonwalzer biegt "The Star-Spangled Banner" um die Ecke, gefolgt von einem "Yankee Doodle", der den Gedanken aufkommen lässt, Tom & Jerry könnten die zweiten Vornamen des Doppler-Brüderpaares Franz und Karl gewesen sein.
    Musik: Franz und Karl Doppler, Maestoso (2. Satz aus: Duettino op. 37 "sur des motifs américains"). Walter Auer und Karl-Heinz-Schütz (Fl.), Christoph Traxler (Klav.), CD-Track 18.
    "Die neue Platte" im Deutschlandfunk - heute kam sie aus dem Hause Tudor, einem schweizerischen Label. "Con bravura" heißt diese CD mit Kammermusik für zwei Querflöten und Klavier von Franz und Karl Doppler. Es spielten Walter Auer und Karl-Heinz Schütz, Solo-Flötisten der Wiener Philharmoniker, begleitet von Christoph Traxler am Klavier.
    Vorgestellte CD:
    "Con bravura" - Kammermusik für zwei Querflöten und Klavier von Franz und Karl Doppler
    Ausführende: Walter Auer und Karl-Heinz Schütz (Flöte)
    Christoph Traxler (Klavier)
    Label: Tudor (LC 02365)
    Best.nr.: 7174
    EAN: 81297301743
    Prod. 2014