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Kammermusikfest "Intonations" in Berlin
Festival mit besonderer Atmosphäre

Das diesjährige Kammermusikfestival "Intonations" im Jüdischen Museum Berlin legte einen Schwerpunkt auf Werke rund um die Stadt Jerusalem. Zum siebten Mal leitete Pianistin Elena Bashkirova das Festival. Sie schafft eine familiäre Atmosphäre und präsentierte einige Musiker auch von unbekannteren Seiten.

Von Julia Spinola | 30.04.2018
    Daniel Barenboim und Ehefrau Jelena Dmitrijewna Baschkirowa bei der Premiere der Verdi Oper Falstaff im Rahmen der Festspiele der Staatsoper unter den Linden. Berlin, 25.03.2018
    Elena Bashkirova hält die Fäden beim Kammermusikfest "Intonations" in der Hand (hier mit ihrem Ehemann Daniel Barenboim bei einer Opernpremiere) (imago/ T. Bartilla/Future Image)
    Musik: Schubert Fantasie f-Moll, D 940
    Elena Bashkirova: "Für uns es ist das Wichtigste, dass man berührt. Wenn man berührt, dann ist es ok, dann ist es gut: Mission accomplished."
    Elena Bashkirova spielte mit Ehemann Daniel Barenboim
    Eigentlich haben die Pianistin Elena Bashkirova und ihr weltberühmter Ehemann Daniel Barenboim eine klare Abmachung: Sie halten ihre beruflichen Sphären getrennt. In den 36 Jahren ihrer Beziehung ist es überhaupt erst drei Mal vorkommen, dass man sie als vierhändig spielende Partner zusammen am Flügel erleben konnte. Und es ist sicher kein Zufall, dass dies nun schon zum zweiten Mal im Rahmen des Kammermusikfestivals "Intonations" geschah, das Elena Bashkirova vor sieben Jahren als Berliner Ableger ihres Jerusalem Chamber Music Festival ins Leben gerufen hat. Denn so wie das schon 20 Jahre alte israelische Festival, atmet es eine besondere Atmosphäre, der sich auch der vielbeschäftigte Daniel Barenboim nicht entziehen kann und möchte.
    Musik: Schubert Fantasie f-Moll, D 940
    So versunken und innig, mit einer solch subversiven Zartheit wie es dem Ehepaar Bashkirova-Barenboim in diesem Matineekonzert gelang, hört man Schuberts f-Moll-Fantasie tatsächlich nicht alle Tage. Beide Pianisten sprachen musikalisch wie aus einem Herzen, idiomatisch phrasierend, ohne doch den fragilen melodischen Paradiesen, die bei Schubert stets am Abgrund balancieren, durch interpretatorische Zudringlichkeit ihren Zauber zu rauben.
    "Familiäres Festival"
    Der lichtdurchflutete, moderne Saal im Glashof des Jüdischen Museums wirkt mit seiner hohen gläsernen Decke auf den ersten Blick nicht unbedingt wie ein idealer Konzertsaal. Aber die sehr persönliche Prägung, die Elena Bashkirova ihrem Festival mit ihrer Mischung aus musikalischem Anspruch, unbestechlichem Kunstverstand, Forschergeist und Charme verleiht, macht es zu einem Lieblingsfestival für die hochrangigsten Künstler des Musikbetriebs. Jahr für Jahr kommen sie wieder, obwohl es so gut wie keine Gagen gibt. Der Dirigent und ehemalige Solo-Kontrabassist Nabil Shehata ist dem Festival seit 2005 verbunden.
    Nabil Shehata: "Elena schafft es, ein großes Kammermusikfestival zu stemmen. Sie hat unglaublich viele Stücke im Repertoire, die man sonst auf keinem Festival hört. Es ist unglaublich, was sie da für Forschungsarbeit hinlegen muss, um diese Programme auch zusammenzubekommen. Und dann hat sie einen unglaublich großen Stamm aus Künstlern, sie kennt ja wirklich aus aller Welt Leute, aus Russland kommen die, aus Amerika, aus England, aus Frankreich, aus Japan. Und das sind viel mehr als auf anderen Kammermusikfestivals. Und trotzdem hat man das Gefühl bei ihr, dass es so ein familiäres Festival ist. Diese Stimmung erzeugt sie auch auf diesem großen Festival und das finde ich wirklich besonders."
    In sechs zum Teil überlangen Konzerten präsentierten 32 Künstler 28 Werke.
    Musik: Händel "Die Ankunft der Königin von Saba" aus dem Oratorium "Salomo"
    Passend zur aktuellen großen Jerusalem-Ausstellung im Jüdischen Museum lag ein Schwerpunkt in diesem Jahr auf Werken rund um die heilige Stadt. Beziehungsreich kombinierte das Eröffnungskonzert die "Ankunft der Königin von Saba" aus Händels Oratorium "Salomo" in einer Bearbeitung für Klavier zu vier Händen mit Beethovens "Zwölf Variationen über ein Thema aus Händels Oratorium "Judas Maccabäus" für Cello und Klavier. Mit Elena Bashkirova musizierte hier in beiden Werken der auch pianistisch begabte Cellist Alexander Knyazev.
    Musiker präsentieren unbekanntere Seiten
    Überhaupt präsentiert das Festival einige seiner Musiker oft von unbekannteren Seiten. Sohn Michael Barenboim, der als Violinist Karriere macht, war nun auch mit der Bratsche zu hören. Auch die langjährige Geigerin der Berliner Philharmoniker Madeleine Caruzzo liebt es, im Rahmen des Festivals die Geige gegen die Bratsche einzutauschen. Der Dirigent Lahav Shani wiederum, designierter Nachfolger von Zubin Mehta beim Israel Philharmonic Orchestra, trat jetzt als Pianist auf.
    Musik: Ernest Chaussons "Chanson perpétuelle" op. 37
    Ernest Chaussons "Chanson perpétuelle" op. 37 war eines der Kleinode, die Elena Bashkirova im rein französischen Programm des 5. Abends präsentierte. Die fabelhafte Sopranistin Mojca Erdmann hatte ihr die Anregung dazu gegeben.
    Elena Bashkirova: "Wissen Sie, dadurch dass ich das mehr als zwanzig Jahre mache jetzt, habe ich eine große Schatztruhe. Aber natürlich, es war irgendwann das erste Mal. Und dieses erste Mal ich habe wirklich alle meine Freunde, Musiker, gefragt, was macht ihr, was gibt es interessantes Neues? Ich habe wirklich gesammelt und ich sammle noch immer. Zum Beispiel gestern habe wir dieses französische Programm gehabt und Mojca Erdmann hat mir gesagt, 'Chanson perpetuelle' wäre sehr schön. Diese Stücke spielt man nie."
    Ein echter Wurf ist auch Ernest Chaussons Concert in D-Dur, eine Art Solo-Konzert für Violine und Streichquintett. Die Musiker rund um die Pianistin Plamena Mangova und die Solo-Violinistin Mihaela Martin spielten hier mit einer Leidenschaft, als ginge es um ihr Leben.
    Musik: Ernest Chausson Concert in D-Dur, 4. Satz "trés animé"
    Einen interessanten Fund hat Elena Bashkirova dem Lichtingenieur ihres Jerusalemer Festivals zu verdanken:
    Elena Bashkirova: "Und der hat mir einfach Kopien mitgebracht von einer handgeschriebenen Partitur und sagte, meine Tante hat das geschenkt gekriegt und hat mir das Original gezeigt. Das ist so ein gelbes Papier und steht dort 'Rêves de Jacob' von Milhaud. Und das ist interessant, weil ich dachte, ich mache dieses Jerusalem-Thema im Jüdischen Museum und das hat mich sehr interessiert: ein Stück, das niemand kennt, und es ist ein gutes Stück, interessante Besetzung."
    Musik: Darius Milhaud "Les Rêves de Jacob" op. 294
    Kammermusik, die süchtig machen kann
    Milhaud hat sein Stück "Jakobs Träume" als Ballett komponiert, für die sehr ungewöhnliche Besetzung Oboe und Streichquartett. Die junge Solo-Oboistin der Berliner Staatskapelle Cristina Gómez Godoy spielte mit einem wunderbar warmen, geschmeidigen Ton.
    Beschlossen wurde das Festival wie jedes Jahr mit dem Streichoktett op. 20 von Felix Mendelssohn Bartholdy.
    Musik: Mendelssohn Streichoktett Es-Dur op. 20, 1. Satz Allegro moderato ma con fuoco
    So wie das Jerusalem Chamber Music Festival in dieser Größe für Jerusalem, ist auch Intonations als Kammermusikfestival für Berlin einzigartig. Gute Kammermusik kann süchtig machen. Das bewiesen die ausverkauften Konzerte auch dieses Jahr wieder.