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Kampf der Korruption

Als Ministerpräsident Petr Necas vor drei Jahren sein Amt antrat, sagte er der Korruption den Kampf an. Jetzt muss er selbst zurücktreten, weil seine Regierung in den jüngsten Bespitzelungs- und Bestechungsskandal verwickelt ist. Allerdings weckt die erfolgreiche Ermittlungsarbeit der Prager Behörden Hoffnung auf Besserung.

Von Kilian Kirchgeßner | 18.06.2013
    Der Stolz war ihm noch anzusehen, als er vor die Kameras trat: Für Robert Slachta vom Polizeikommando gegen organisierte Kriminalität ist die Großrazzia ein voller Erfolg. 31 Büros und Wohnungen hat sein Team in der vergangenen Woche durchforstet, darunter den Sitz der Prager Regierung.

    "Dabei sind bislang umgerechnet etwa sechs Millionen Euro in bar und Dutzende Kilogramm Gold beschlagnahmt worden. Dazu kommen zahlreiche Unterlagen, die für uns sehr wertvoll sind. Die auszuwerten, wird sicher einige Monate dauern."

    Diese groß angelegte Razzia in der vergangenen Woche hat inzwischen zum Rücktritt der tschechischen Regierung geführt. Grund dafür ist eine Bespitzelungsaffäre, an der die engste Mitarbeiterin von Premierminister Petr Necas beteiligt gewesen sein soll. Der Polizei geht es aber auch um etwas anderes: um Korruption in den höchsten Etagen des Staates. Robert Slachta, der oberste Ermittler der Polizei:

    "Wir wollten uns keinesfalls mit der Politik oder einer politischen Partei beschäftigen. Wir sind einer organisierten Verbrechergruppe auf der Spur. Ihr Ziel ist Gewinn – und Einfluss auf staatliche und halbstaatliche Unternehmen. Deshalb haben wir die Ermittlungen aufgenommen."

    Im Klartext: Die Regierung ist über Erkenntnisse gestürzt, die für die Polizei eher ein Randprodukt der Ermittlungen sind. Im Kern geht es ihnen um die großen Fische. In Tschechien ist es schon lange ein offenes Geheimnis, dass über öffentliche Aufträge an dubiose Firmen viel Geld aus dem Staatshaushalt in private Kassen verschwindet. Nur: Bislang hat niemand gegen die Hintermänner ermittelt. Das könnte sich jetzt ändern: Zu den Objekten, die in der vergangenen Woche durchsucht worden sind, gehören auch die Luxusvillen von zwei Männern, die in Prag sarkastisch als "Paten" bezeichnet werden – als graue Eminenzen, die offenbar viel Einfluss bis in die höchsten politischen Kreise haben.

    Die Tschechen reagieren auf die verbreitete Korruption längst mit Galgenhumor. Im vergangenen Jahr haben Künstler in Prag ein Unternehmen namens CorruptTour gegründet – und bieten makabere Stadtführungen an.

    "Guten Tag, ich begrüße Sie im Namen des Reisebüros CorruptTour auf unserem Ausflug zu den drei Prager Rekorden. Es war für uns gar nicht so einfach, die drei Korruptionsrekorde auszuwählen, weil es mit der Bestechlichkeit hier in Prag richtig gut läuft."

    Es sind mehrere Routen, die CorruptTour den Pragern anbietet. Eine davon ist eine Busfahrt direkt zu den Villen der Unternehmer und Politiker, die für ihre zwielichtigen Geschäfte berüchtigt sind. "Ornithologische Safari" nennt CorruptTours diesen Ausflug, der Untertitel: "Eine Reise zu den Nestern der diebischen Elstern". Um sich juristisch abzusichern, beschuldigen die Reiseveranstalter die mutmaßlichen Kriminellen nicht, sondern zählen schlicht die Fälle auf, die mit ihnen in Verbindung gebracht werden. Ihren Reichtum tragen die Geschäftemacher in riesigen Villen offen zur Schau. Der Bus fährt bis dicht an die Häuser heran, dort lässt er die Passagiere aussteigen, damit sie sich die Häuser aus der Nähe anschauen können. Die Reiseleiterin mahnt:

    "Natürlich wollen wir die Vögel nicht stören. Wir benehmen uns bitte immer ruhig und freundlich! Als Wissenschaftler wollen wir ihr Verhalten nur beobachten!"

    Seit dem Start im vergangenen Jahr sind die Stadtführungen von CorruptTour ausgebucht – die meisten Teilnehmer sind Tschechen, die genug haben von der grassierenden Korruption. Und davon, dass alle über die Fälle tuscheln, aber die Justiz einfach nicht einschreitet. CorruptTour-Gründer Petr Sourek sagte noch im vergangenen Jahr:

    "Ich bin skeptisch, ob wir mit unseren Touren wirklich etwas verändern können. Aber dass wir die Fälle wieder ins Bewusstsein rufen, das gehört schon zu unserem Konzept."

    Dass die Ermittlungsbehörden tatsächlich durchgreifen, schien damals denkbar unwahrscheinlich. Die Razzia der vergangenen Woche nährt jetzt bei vielen Tschechen neue Hoffnung. Die Vorzeichen stehen gut, lobt Pavel Komar von der Staatsanwaltschaft:

    "Die Untersuchung hat anderthalb Jahre gedauert, und ich finde es wichtig zu betonen, dass in der ganzen Zeit keine einzige Information nach außen gelangt ist. Dadurch konnte niemand etwas vertuschen. Allein schon in dieser Hinsicht ist die Aktion beispiellos."

    Die Spuren führten jetzt auch zu den großen Fischen – zum ersten Mal seit vielen Jahren.