Samstag, 20. April 2024

Archiv


Kampf gegen Asthma - mit Hakenwürmern

In den Tropen und Subtropen leiden Millionen von Menschen an einer Wurminfektion. Die kleinen Hakenwürmer können Bauchschmerzen hervorrufen, aber auch zu verheerendem Blutverlust führen. Forscher wollen die Parasiten sinnvoll einsetzen: bei Allergien und multipler Sklerose.

Von Jochen Steiner | 26.06.2013
    Sie sind nur wenige Millimeter lang, können aber im Menschen schweren Schaden anrichten: Hakenwürmer. In den Tropen und Subtropen leiden viele Menschen an einer Wurminfektion. Die Hakenwürmer saugen Blut an den Darmzotten, was besonders für Kinder lebensbedrohlich sein kann. Trotzdem, oder gerade deshalb, haben Hakenwürmer das Interesse von Professor David Pritchard geweckt:

    "Seit meiner Doktorarbeit 1977 interessiere ich mich für die Würmer. Ich wollte immer herausfinden, wie sie mit dem Immunsystem interagieren, warum sie eine Immunreaktion auslösen. Und ich will herausfinden, ob sie bei bestimmten Patienten das Immunsystem auch positiv beeinflussen können."

    In Europa waren die Würmer durch Wurmkuren längst ausgerottet. Deshalb machte sich der Immunologe von der Universität von Nottingham Ende der 80er-Jahre auf nach Papua-Neuguinea in ein kleines Dorf mit 200 Einwohnern auf einer abgelegenen Insel. Pritchards Ziel war es herauszufinden, warum manche Menschen ganz gut mit dem Wurm leben können:

    "Ich habe das Vertrauen der Menschen dort gewinnen können und wir durften ihre Lebensgewohnheiten studieren und irgendwann auch ihre Exkremente, in denen wir auch Blutbestandteile fanden und an diesen konnten wir dann bestimmen, wie die Menschen auf die Würmer reagiert haben."

    Das Ergebnis: Die Inselbewohner bildeten Antikörper gegen die Würmer, was dazu führte, dass die Würmer im Körper recht klein blieben und deshalb weniger Eier produzieren konnten. Wie das genau funktioniert, kann David Pritchard noch nicht sagen:

    "Aber dann stellten wir fest, dass die Würmer ihrerseits die Immunreaktion verändern können. Das wiederum brachte uns auf die Idee, die Würmer außerhalb der Tropen für therapeutische Zwecke einzusetzen."

    Die Immunologen brachten Hakenwürmer mit nach England. Die Nachfrage war groß, denn mittlerweile machte die Hygiene-Hypothese die Runde: Allergien seien in den 90er-Jahren deshalb so stark angestiegen, weil die Menschen in den Industrieländern zu sauber leben. Das Immunsystem hat praktisch nichts mehr zu tun gegen früher noch häufige Krankheitserreger. Wird es dann plötzlich mit einem eigentlich harmlosen Allergen konfrontiert, kann es zu einer schweren allergischen Reaktion kommen, sagt Pritchard:

    "Eine Reihe von Medizinern wollte diese Hakenwürmer einsetzen, um das Immunsystem neu zu programmieren, damit Allergien und Autoimmunerkrankungen wieder effektiver verhindert werden. So wurden wir zu Wurm-Lieferanten für klinische Studien."

    Doch die Forscher führten nur ein paar Versuche über kurze Zeiträume mit wenigen Würmern durch. Zu groß war die Befürchtung, dass sie die Lunge der Patienten schädigen könnten. Die Studien zeigten: Das war nicht der Fall. Weitere Untersuchungen wurden bislang aber nicht auf den Weg gebracht. Es bleibt also offen, ob Hakenwürmer bei Allergien oder auch Asthma wirklich helfen können.

    David Pritchard beschäftigt sich unterdessen mit der multiplen Sklerose. Studien in Argentinien haben gezeigt, dass die Würmer im Anfangsstadium der Krankheit die Anzahl der Schübe reduzieren können. Jetzt will Pritchard in einer größeren Studie herausfinden, wie genau die Hakenwürmer bei MS helfen könnten:

    "Die Geisteshaltung der Mediziner ist folgende: Wenn wir das Fortschreiten der Krankheit mithilfe der Würmer verlangsamen können, dann werden die Patienten von da an eine bessere Lebensqualität haben, denn die Würmer bleiben Jahre im Körper, sobald sie den Darm erreicht haben."

    Doch David Pritchard stellt klar: Die Hakenwürmer können die Symptome bei Multipler Sklerose abmildern, aber die Krankheit nicht heilen.

    Anm. d. Red.: Das Manuskript weicht aufgrund einer Autorenkorrektur in einigen Passagen von der Sendefassung ab.