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Kampf gegen Bestechung
Die Ukraine streitet um einen Korruptionsgerichtshof

Als die Ukraine das Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union abgeschlossen hat, versprach die Ukraine die Korruption im Land zu bekämpfen. In diesem wichtigen Punkt gibt es aber kaum Fortschritte. Die westlichen Partner fordern deshalb schon länger einen speziellen Gerichtshof - der ist in der Ukraine aber sehr umstritten.

Von Florian Kellermann | 24.05.2018
    EU-Fahne und Flagge Ukraine
    Von der Einrichtung eines speziellen Korruptionsgerichtshofs hängt ab, wie der Westen sich in Zukunft gegenüber dem Land verhalten wird. (dpa)
    Der Druck auf die Ukraine ist enorm. Von der Einrichtung eines speziellen Korruptionsgerichtshofs hängt ab, wie der Westen sich in Zukunft gegenüber dem Land verhalten wird. Der Internationale Währungsfonds droht, seine Kreditlinie für die Ukraine aufzukündigen. Auch der EU-Kommissar für Europäische Nachbarschaftspolitik Johannes Hahn war gestern in Kiew, um das Parlament zu überzeugen - ebenfalls mit gewichtigen Argumenten, sagt Anastasia Krasnopilska vom "Zentrum für Korruptionsbekämpfung", einer Nicht-Regierungsorganisation:
    "Auf dem Spiel stehen derzeit mindestens eine Milliarde US-Dollar vom Internationalen Währungsfonds und eine weitere Milliarde von der Europäischen Union. Die Ukraine braucht dieses Geld dringend. Denn im nächsten Jahr kommt eine erhebliche Ratenzahlung für einen Auslandskredit auf uns zu. Die Gefahr besteht, dass wir diesen Kredit nicht mehr bedienen können."
    Die Ukraine drohe also der Staatsbankrott, so Experten. Für die Wirtschaft des Landes hätte das verheerende Folgen, ebenso für die Menschen.
    Verfahren stagnieren wegen korrupter Richter
    Der Korruptionsgerichtshof sei aber nicht nur deshalb wichtig, um die westlichen Partner zufriedenzustellen, erklärte der ukrainische Ministerpräsident Wolodymyr Hrojsman gestern:
    "Für Korruptionsvergehen, für den Diebstahl von öffentlichen Mitteln, wird bisher bei uns niemand verurteilt. Und das Ausbleiben einer Strafe führt unweigerlich zur nächsten Straftat. Deshalb bitte ich die Parlamentsabgeordneten, sich schon in dieser Woche zu einigen - und einen Korruptionsgerichtshof ins Leben zu rufen."
    Bisher ist die Arbeit, die andere ukrainische Institutionen machen, praktisch umsonst - allen voran die Ermittlungen des Anti-Korruptionsbüros NABU. Es hat bisher 135 hohe Beamte überführt, aber bei den Gerichten kommen die Verfahren nicht voran - weil viele Richter selbst korrupt seien, heißt es in Kiew.
    Ein neuer Gerichtshof könnte dieses Problem lösen. Dass es ihn noch nicht gibt, daran seien alle politischen Lager schuld, so die Korruptionsexpertin Anastasia Krasnopilska:
    "Die europäischen Partner sind sehr enttäuscht darüber, wie wir sie an der Nase herumführen. Seit zwei Jahren versprechen wir den Gerichtshof - und immer wieder bringen wir einen neuen Grund, warum wir das gerade jetzt nicht umsetzen können."
    IWF fordert unabhängigen Gerichtshof
    Im Streit zwischen der Ukraine und den Partnern geht es nicht nur darum, dass überhaupt ein solcher Gerichtshof entsteht - sondern dass er vor allem politisch unabhängig sein soll. Der Internationale Währungsfonds fordert einen Beirat aus internationalen Experten, der de facto jedem Kandidaten für einen Richterposten zustimmen muss. Das soll garantieren, dass nicht doch am Ende der Präsident ein handverlesenes Gericht zusammenstellt.
    Mit dieser Bedingung aber ist fast keine Partei im Parlament einverstanden. Ivan Winnyk, Abgeordneter der Fraktion von Präsident Poroschenko:
    "Ich habe alle Initiativen unterstützt, die gegen die Korruption gerichtet sind. Aber dass ein Staatsorgan vollständig aus dem Ausland gesteuert wird, das widerspricht der Verfassung und allen unseren Prinzipien. Wir sollten das ablehnen und zeigen, dass wir Achtung vor uns selbst haben und vor dem ukrainischen Staat haben."
    Gestern hat das Parlament mit der zweiten Lesung des Gesetzes begonnen, das den Korruptionsgerichtshof schaffen soll. Die Einigung im Parlament ist schon schwer genug. Gleichzeitig aber laufen die Verhandlungen mit Vertretern des Internationalen Währungsfonds weiter, um doch noch eine Kompromissformel mit den westlichen Geldgebern zu finden.
    Nur, wenn beides gelingt, kann die Ukraine heute den so wichtigen Schritt tun, einen Korruptionsgerichtshof zu schaffen, der den Namen verdient.