Freitag, 19. April 2024

Archiv


Kampf gegen die Ausbeutung

Der am 10. August 1987 ausgebrochene Streik der Bergarbeiter in Südafrika war nicht nur eine Auseinandersetzung zwischen Unternehmern und Angestellten. Es war der Anfangspunkt für die Freiheitsbestrebungen der schwarzen Bevölkerung. In den folgenden Jahren erklärte sich die Regierung des Apartheidsstaates zu zahlreichen Zugeständnissen bereit.

Von Frank Räther | 10.08.2007
    Richard Xati hat noch heute die Ereignisse des ersten Streiktages in guter Erinnerung. Der damals 23-jährige war Gewerkschaftsobmann in der Mine Western Deep Level bei Carletonville und Mitglied der Streikleitung:

    "Als erstes mobilisierten wir die Nachtschicht. Sie fuhr nicht in den Schacht ein. Dann folgte am nächsten frühen Morgen auch die Tagesschicht. Die Eingänge des Minengeländes wurden von unseren Leuten bewacht. Und wir übernahmen auch die Kontrolle der Arbeiterwohnheime auf dem Minengelände. Wir zogen dort umher und sangen Freiheitslieder."

    Damit forderten die Streikenden die Minenleitung offen heraus. Denn die hatte angeordnet, dass die Arbeiter mit Streikbeginn ihre Wohnheime zu verlassen und in die weit entfernten Heimatorte zurückzukehren hätten. Somit sollte eine organisierte Front verhindert werden. Doch die schwarzen Bergleute sahen gerade in der Geschlossenheit ihre größte Stärke, um Lohnerhöhungen durchzusetzen. Sie verlangten 30 Prozent. Da einerseits die Inflation damals 16 Prozent betrug und andererseits die Goldminen beträchtliche Gewinne machten und den weißen Beschäftigten fünfmal mehr als den schwarzen bezahlt wurde, war diese Forderung nicht all zu hoch. Doch die Arbeitgeber wollten höchstens 23 Prozent zugestehen.

    Über 370 000 Kumpel in den Gold- und Kohlegruben Südafrikas beteiligten sich ab dem 10. August 1987 am Streik. Währenddessen fanden in Johannesburg die Verhandlungen zwischen der fünf Jahre zuvor gegründeten schwarzen Bergarbeitergewerkschaft NUM, geführt von deren Generalsekretär Cyril Ramaphosa, und dem Arbeitgeberverband, der Chamber of Mines, statt. Deren Verhandlungsleiter war Johann Liebenberg. Er umreißt den Grund für die harte Haltung der Minenbosse von damals:

    "Welche Einigung wir am Ende mit den Gewerkschaftsvertretern unserer Beschäftigten erreichten, sie hätte sofortige Auswirkungen auf die gesamte Arbeiterschaft der südafrikanischen Bergbauindustrie gehabt. Hier ging es um sehr, sehr viele Millionen Rand."

    Die Angst vor diesen Millionenausgaben kostete die Minenunternehmen an jedem Streiktag durch den Ausfall der Förderung umgerechnet etwa acht Millionen Euro. Doch die Arbeiter traf es noch härter, denn ihre noch junge Gewerkschaft konnte ihnen keine Streikgelder zahlen. Ja, schlimmer noch, selbst an ihr karges Erspartes kamen sie kaum, denn die Minenbosse hatten sich mit den Banken verständigt, wie Richard Xati erzählt:

    "Wenn du Geld von deinem Bankkonto abheben wolltest, dann wurden dir nur 50 Rand ausgezahlt. Das war Sabotage, damit wir aufgeben."

    50 Rand waren damals etwas mehr als zehn Euro. Doch das Aushungern der Streikenden funktionierte nicht. Jeder, der etwas zu Essen hatte, gab denen ab, die sich nichts mehr leisten konnten. Dann versuchten die Unternehmen die Streikfront zu brechen: mit Gewaltprovokationen der Sicherheitsleute der Gruben, die die Arbeiterwohnheime umstellt hatten.

    "Sie waren sehr negativ gegen uns eingestellt. Sie sahen uns als Feinde an. Und sie kannten kein Pardon."

    Immer wieder kam es zu schlimmen Prügelszenen. Etwa 200 Gewerkschaftsfunktionäre wurden verhaftet. Doch keine der Provokationen führte zu gewaltsamen Gegenaktionen der Streikenden. 21 Tage lang dauerte der Ausstand der Bergarbeiter. Am Ende bekamen die Arbeiter zwar nicht die geforderten 30 Prozent Lohnerhöhung, aber sie hatten eine bis dahin nie da gewesene Stärke demonstriert, die im ganzen Land registriert wurde.

    Das hatte auch Auswirkungen auf den politischen Antiapartheid-Kampf. Er wurde geschlossener und konsequenter als je zuvor geführt – nach dem Beispiel des machtvollen Bergarbeiterstreiks. Das Regime in Pretoria musste nachgeben und ein Rassengesetz nach dem anderen abschaffen. Zweieinhalb Jahre später wurde Nelson Mandela freigelassen und 1994 endete die Macht der weißen Minderheit in Südafrika. Dazu trug dann mit Cyril Ramaphosa als Verhandlungsführer des Afrikanischen Nationalkongresses derselbe Mann bei, der beim Streik 1987 als Gewerkschafts-Generalsekretär den weißen Unternehmern Respekt wegen seiner Ernsthaftigkeit und Autorität abgetrotzt hatte.