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Kampf gegen IS
Essener Moscheen gegen Radikalisierung

Wie geht man mit der Terrormiliz IS und gewaltbereiten Salafisten um? In Essen versucht ein Imam die Situation ganz pragmatisch und im Kleinen anzugehen. Er sagt: Wer einmal IS-Sympathisant ist, der ist schwer wieder zurückzuholen. Zusammen mit anderen muslimischen Gemeinden und Sozialarbeitern entwickelt er Strategien und Konzepte, um es gar nicht erst so weit kommen zu lassen.

Von Stephanie Grimme | 12.02.2016
    Von außen wirkt die Aya sovya -Moschee in Essen-Katernberg wie ein Wohnhaus. Doch unten, in der ehemaligen Kneipe, ist inzwischen eine Teestube, im Anbau dahinter die Moschee. Ein turnhallengroßer Raum, ausgelegt mit weichen Teppichen. Hier predigt Imam Halit Pismek einen Koran, der überhaupt nicht zur Gewalt aufruft.
    "Das ist präventive Arbeit, weil damit zeigt man (das) wahre Gesicht vom Islam. Die gewalttätigen Salafisten zeigen nicht wahres Gesicht von Islam."
    Doch Gebete und Predigten alleine reichen nicht aus. Deswegen erarbeitet Imam Pismek gerade zusammen mit 15 anderen Moscheen in Essen ein Präventionskonzept. Zur Zeit befragt er intensiv Imame, Moscheevorstände, islamische Frauengruppen, Jugendliche und Eltern.
    Ein Schwerpunkt ist die Jugendarbeit
    "Welche Gefahr gibt es in der Moschee oder der Umgebung? Was machen die Moscheen dagegen?"
    Ein Schwerpunkt ist die Jugendarbeit. Besonders erfolgreich sind so genannte Dialoggruppen. Unter Anleitung von speziell ausgebildeten Dialogbegleitern, wie Mürsel Alan wird dabei in festen Gruppen und in deutscher Sprache über den Islam, aber auch über viele andere Themen gesprochen.
    "Wir reden auch über Themen, die tabu sind. Wir reden über Liebe, über Gewalt, Radikalismus. Und dadurch ist es schwer, dass die zu solch extremen Gruppen sich verschieben lassen. Weil wir oft genug und klar genug darüber reden."
    Insgesamt gibt es 12 solcher Dialoggruppen in Essen. Nicht nur an Moscheen, sondern auch als AGs oder Wahlpflichtfächer an Schulen. Sie helfen jungen Männern ihre Identität und Halt zu finden, sagt Halima Zaghdoud, die beim kommunalen Integrationszentrum der Stadt Essen die Dialoggruppen koordiniert. Durch die Gruppen würden Hassprediger wie Pierre Vogel enttarnt, sagt Zaghdoud.
    Ein ungelöstes Problem ist der Umgang mit neu konvertierten Muslimen
    "Ich habe einen sehr schönen O-Ton von einem jungen Mann, 14 Jahre alt. Er sagte: Würde ich nicht die Dialoggruppe besuchen, würde ich heute noch davon ausgehen, dass Pierre Vogel recht hat. Und das ist für uns ein Erfolg, wenn wir merken, es kommt bei den Jugendlichen an und sie korrigieren sich."
    Ein ungelöstes Problem ist auch der Umgang mit neu konvertierten Muslimen. Das seien oft diejenigen, die sich radikalisieren lassen, sagt Imam Pismek. Meist seien das junge Männer aus Deutschland oder anderen westeuropäischen Ländern, die gerade erst den islamischen Glauben angenommen haben. Mindestens 100 so genannte "Konvertierte" gibt es in Essen, schätzt Imam Pismek und um die müsse man sich intensiv kümmern.
    "Man braucht dafür viel Zeit, viel Ahnung: Warum werden sie Muslime? Aus welchem Grund? Es gibt natürlich vernünftige Konvertierte, die verstehen wahre Religion vom Islam. Aber einige suchen Abenteuer."