Donnerstag, 25. April 2024

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Kampf gegen Korruption
"Bewusstsein der Bürger schärfen"

Transparenz ist für Nicole Botha von der GIZ ein Schlüssel zur Prävention: "Ich denke, dass Korruption grundsätzlich wahrscheinlich in keiner Gesellschaft akzeptiert ist, sobald bekannt ist, was korrupte Handlungen sind", sagte sie im Dlf. Die stärker werdenden Proteste verschiedener Bevölkerungen belegten das.

Nicole Botha im Gespräch mit Jürgen Zurheide | 09.12.2017
    Hunderte Brasilianer protestierten gegen Präsident Temer
    Hunderte Brasilianer protestierten im Mai gegen Präsident Temer, dem unter anderem Korruption vorgeworfen wurde (Yasuyoshi Chiba / AFP)
    Jürgen Zurheide: Das war unser Bericht aus Afrika, aus Kenia, und den haben wir ganz bewusst heute von Antje Diekhans gesendet, weil heute der Antikorruptionstag ist. Antikorruptionstag, da schauen wir natürlich etwas genauer hin: Die kleine Korruption, die große Korruption, was hat das miteinander zu tun? All das wollen wir bereden mit Nicole Botha, die jetzt am Telefon ist, von der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit. Guten Morgen, Frau Botha!
    Nicole Botha: Guten Morgen!
    Mehr und mehr ein globales Problem
    Zurheide: Frau Botha, die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit - Sie arbeiten im Auftrag des Bundesentwicklungsministeriums - schaut natürlich da ganz besonders hin. Was wir gerade da gehört haben: kleine Korruption und dann auch große Korruption - wie sind denn da die Zusammenhänge? Sind sie so, wie wir sie gerade zum Beispiel aus Kenia gehört haben, was beobachten Sie?
    Botha: Ich würde sagen, klar, die Weltbank beispielsweise geht davon aus, dass jährlich eine Milliarde US-Dollar Bestechungsgelder gezahlt werden. Aber was wir in unserer Arbeit feststellen, ist eben, dass sich die Korruption immer mehr verlagert und nicht nur eben ein nationales Problem ist, so wie das jetzt eben in dem Beitrag geschildert wurde, sondern dass es sich mehr und mehr zu einem globalen Problem entwickelt, sogenannte Grand Corruption, wo es eben darum geht, dass Firmen Politiker bestechen, um Aufträge beispielsweise im Bergbau zu erlangen. Und da spricht man dann eben von Grand Corruption und von wesentlichen größeren Summen als das tägliche Bestechungsgeld in Kenia beispielsweise bei der Polizei.
    Zurheide: Die Frage war, gibt es einen Zusammenhang sozusagen zwischen der großen Korruption, die Sie da gerade beschreiben, und dann der kleinen, so unter der Überschrift: Wenn Menschen sehen, na ja, die Politiker tun's ja, sie tun es alle, dann machen wir's auch - gibt es da einen Zusammenhang?
    Botha: Das würd ich so nicht sehen. Es gibt mit Sicherheit, was wir im Allgemeinen nennen das "collective action problem", das heißt, wenn es jemand tut, dann tu's ich auch, aber ein direkter wissenschaftlicher Zusammenhang zwischen großer und kleiner Korruption, den kann man, glaube ich, so nicht feststellen.
    Zurheide: Was Sie gerade beschrieben haben, diese Korruption, die gerade auf zwischenstaatlicher Ebene oder auf Top-Ebene in den Staaten stattfindet, worauf führen Sie zurück, dass das zugenommen hat? Gehen da Wertmaßstäbe verloren oder was ist das eigentlich?
    Botha: Na ja, zum einen denke ich, hängt es schon auch mit der Globalisierung zusammen, wir haben hier ein globales Wirtschaftssystem, dadurch haben wir auch immer mehr global agierende Unternehmen, und die Grenzen brechen einfach zusammen. Daneben gibt es eben auch durch die Digitalisierung die Möglichkeit, Gelder entsprechend weltweit zu verschieben.
    "Korruption ist einer der Hauptgründe für steigende Armut weltweit"
    Zurheide: Was macht eigentlich Korruption in solchen Ländern? Das ist ja eben alles andere als ein Kavaliersdelikt, sondern Entscheidungen, wirtschaftliche Entscheidungen, die ja in der Theorie danach getroffen werden, was nutzt und was Menschen oder Institutionen weiterhilft, dieser Mechanismus wird außer Kraft gesetzt. Was macht das mit Ländern?
    Botha: Korruption ist einer der Hauptgründe für die wachsende Ungleichheit und für steigende Armut weltweit, also man sieht ja beispielsweise ölreiche Länder, die durch solche Deals zwischen der Wirtschaft trotzdem noch weiter in Armut bleiben.
    Zurheide: Wie erkennen Sie solche Strukturen? Sie sind dafür da - das Bundesentwicklungsministerium, aber auch die Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit -, die Lebensverhältnisse von Menschen zu verbessern. Das ist das Ideal, an dem Sie arbeiten und das Sie versuchen. Wie erkennen Sie solche Strukturen, oder wie versuchen Sie, sie zu erkennen?
    Botha: Korruption zu erkennen, ist relativ schwer. Der Referenzrahmen, mit dem wir arbeiten, ist auch Transparency international der Corruption Perception Index. Bei der GIZ arbeiten wir ja im Auftrag des BMZ, das heißt, wir führen unsere Programme dort durch, wo die politische Entscheidung es eben für nötig hält.
    Zurheide: Das heißt aber, Sie brauchen erst mal das politische Becken von denjenigen, die ja an der Spitze des Staates stehen, die Beispiel geben sollten und müssten.
    Botha: Ja, auf jeden Fall, also die Themen normalerweise werden zwischen den Regierungen verhandelt. Das heißt, beispielsweise in Kenia hat sich die Regierung bereit erklärt, ein großes Antikorruptionsprogramm gemeinsam mit Deutschland durchzuführen.
    Wichtig sind Prävention und Strafverfolgung
    Zurheide: Was heißt das? Wir haben gerade gehört, dass es schon mal so Versuche gegeben hat, dann ist es eine zeitlang besser gegangen, aber dann gab es wieder diesen Roll-back. Was erwarten oder hoffen Sie jetzt?
    Botha: Das Programm, was die GIZ im Auftrag der Entwicklungshilfeministerien durchführt in Kenia, ist sehr erfolgreich. Die Zahl der Fälle, die die Antikorruptionsbehörde jährlich bearbeitet, steigt stetig an und auch die Bearbeitungslänge dieser Fälle sinkt in der Vergangenheit regelmäßig. Was die GIZ in Kenia auch versucht durch das Programm, ist, das Vertrauen der Bürger in den Staat wiederherzustellen, indem eben nicht nur auf der präventiven Seite gearbeitet wird beim Thema Antikorruption, sondern eben auch auf der Strafverfolgungsseite und da verstärkt versucht wird, die Justiz zu unterstützen, dass eben diese Fälle auch zur Aufklärung kommen und dass es auch zu Verurteilungen kommt.
    Bevölkerung immer weniger bereit, Korruption zu akzeptieren
    Zurheide: In welcher Form hilft eigentlich moderne Technik - Digitalisierung, ich hab gelesen, es gibt Onlineplattformen, wo Aufträge ausgeschrieben werden -, ist das eine erste Stufe, wo Sie sagen, wenn das in der Öffentlichkeit stattfindet, gibt es weniger Möglichkeiten, da zu schmieren und Korruption leben zu lassen?
    Botha: Die Digitalisierung bietet natürlich enorme Möglichkeiten bei der Herstellung von Transparenz. Dadurch, dass Vorgänge, auch gerade öffentliche Vorgänge wie, wie beantrage ich einen Pass, wie beantrage ich einen Führerschein, online gestellt werden können und die Bürger eben einsehen können, wie der Prozess eigentlich laufen müsste, auch wie viel er kosten sollte, dadurch kann man eben präventiv gegen Korruption vorgehen und auch das Bewusstsein der Bürger eben dafür schärfen, was eigentlich erlaubt ist und was Standard sein sollte.
    Zurheide: Jetzt könnte man ja ganz hart sagen: Deutsche Entwicklungshilfe gibt es nur dann, wenn es solche Strukturen stützt, die gegen Korruption vorgehen. Kann man so vorgehen oder ist das wieder zu hart, weil man dann im Zweifel auch wieder die Falschen am Ende bestraft - wie sehen Sie das?
    Botha: Also mit wem die deutsche Entwicklungszusammenarbeit zusammenarbeitet, ist ja Entscheidung des Bundesministeriums, da kann ich Ihnen als GIZ-Mitarbeiterin keine Auskunft dazu geben, wie das BMZ entscheidet, aber ich denke, dass Korruption grundsätzlich wahrscheinlich in keiner Gesellschaft akzeptiert ist, sobald es bekannt ist, was korrupte Handlungen sind und sobald eben die Bürger sich auch bewusst sind, dass Korruption im Allgemeinen wohl schadet. Ich denke, das konnten wir in den letzten ein, zwei Jahren auch ganz deutlich sehen an den immer stärkeren Protesten - in Rumänien, in Brasilien, aber auch in Südafrika beispielsweise -, dass die Bevölkerung immer weniger bereit ist, Korruption zu akzeptieren.
    Es gibt Möglichkeiten gegen Korruption
    Zurheide: Das heißt, am Ende dieses Gespräches geben Sie eine gewisse Hoffnung?
    Botha: Ja, auf jeden Fall, sonst würde ich nicht in dem Bereich arbeiten. Ich glaube schon, dass man gegen Korruption auf jeden Fall vorgehen kann.
    Zurheide: Das war Nicole Botha von der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit. Ich bedanke mich für das Gespräch und wünsche Ihnen am Ende viel Erfolg, es ist ein wichtiger Bereich. Danke schön, Frau Botha!
    Botha: Ja, danke schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.