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Kampf gegen russisches Adoptionsverbot

Seit dem 1. Januar 2013 ist es Amerikanern per Gesetz untersagt, russische Waisenkinder zu adoptieren. Das Verbot trifft einen wunden Punkt: In den letzten 20 Jahren haben US-Bürger in Russland rund 65.000 Kinder adoptiert, darunter viele behinderte und kranke.

Von Mareike Aden | 04.03.2013
    An einem kalten Wintertag sitzen Jenny und Aaron Moyer aus dem US-Bundesstaat Georgia in einem Moskauer Hotel – vor ihnen liegt ein Album mit Fotos von ihrer Familie und ihrem Haus. Sie wollen es dem Moskauer Richter zeigen, der darüber entscheidet, ob sie den vier Jahre alten Witalij doch noch adoptieren dürfen. Der Junge hat Down-Syndrom, seine Verwandten wollen ihn nicht, und er nennt die Moyers Mama und Papa, seit er sie im Herbst das erste Mal getroffen hat. Aber seit dem ersten Januar ist es Amerikanern per Gesetz verboten, russische Kinder zu adoptieren. Die Moyers und Witalij sind hineingeraten in einen Streit zwischen Russland und den USA.

    "Ich weiß, dass Obama das Magnitzki-Gesetz unterzeichnet hat und dass das Adoptionsverbot die russische Antwort ist. Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll, ich bin keine Politikerin. All das traf uns vollkommen unvorbereitet. Es bricht uns das Herz, dass wir Witalij vielleicht nicht adoptieren dürfen. Wir haben ihn schon getroffen, wir lieben ihn, wir wollen ihn einfach nach Hause bringen."

    Der ehemalige britische Arbeitgeber des in Haft verstorbenen Moskauer Anwaltes Magnitzki startete eine groß angelegte Kampagne: Es gelang ihm, die USA zu überzeugen, Sanktionen gegen die in den Fall verwickelten russischen Beamten zu verabschieden. Das sogenannte Magnitzki-Gesetz.

    Anti-Magnitzki-Gesetz wiederum wird die russische Reaktion genannt: das Adoptionsverbot, das sich gegen die USA richtet. Offiziell trägt das neue Gesetz den Namen des kleinen Jungen Dima Jakowljew, der in Obhut seines amerikanischen Adoptivvaters starb.

    Alles zum Schutz der russischen Waisen, sagt Russlands Führung. Aber Kreml-unabhängige Medien haben ausgerechnet, dass die Todesquote bei in Russland adoptierten Kindern rund zwanzigmal höher liegt.

    Trotzdem würde der Ombudsmann für Kinder beim russischen Präsidenten, Pawel Astachow, am liebsten alle Auslandsadoptionen verbieten.

    "Politisch sieht es zugegebenermaßen etwas unglücklich aus, dass das Adoptionsverbot mit dem Magnitzki-Gesetz zusammenfällt. Aber es ist keine Aktion gegen die USA. Es ist doch verständlich, dass ein normaler Staat wie Russland entscheidet, nun selbst für seine Waisen zu sorgen. Und wir Russen sind nun mal so: Damit sich bei uns etwas verbessert, müssen wir erst alle Brücken hinter uns abbrennen."

    Die Moyers sagen, es seien religiöse Gründe, weshalb sie einem behinderten Kind helfen wollen. Von anderen Familien mit Adoptivkindern hörten sie von der schwierigen Lage russischer Waisen, die schwer krank oder behindert sind – das betrifft etwa ein Viertel der 650.000 russischen Waisenkinder. Der Moskauer Journalist Walerij Panjuschkin, der sich seit 15 Jahren für schwerkranke Kinder einsetzt, ist oft in Heimen unterwegs. Nun sitzt er in der Hotellobby neben den Moyers und schaut sich mit ihnen Fotos von Witalij an. Wie so viele Kinder mit Down-Syndrom hat Witalij ein Herzleiden.

    "Diese Kinder werden in Russland nicht adoptiert und sie bekommen nicht die nötige medizinische Versorgung. Sobald sie volljährig sind, kommen sie aus ihren Waisenhäusern ins Altersheim oder in die Nervenklinik – also eine Irrenanstalt. Und dort überleben Menschen nicht lange. "

    Das Adoptionsverbot für Amerikaner sei Teil einer Kampagne, mit der der Kreml einen latenten Anti-Amerikanismus in der russischen Bevölkerung nutze, um seine Macht zu festigen. Das sagt Masha Lipman vom Moskauer Carnegie-Zentrum, einem US-finanzierten Think Tank.

    "Einerseits sieht der Kreml die USA als die treibende Kraft hinter den Massenprotesten in Moskau im letzten Winter und will sie abstrafen. Andererseits geht es aber auch darum, die konservative Mehrheit der russischen Bevölkerung gegen jene Russen, vor allem die Moskauer, aufzubringen, die zu liberal geworden sind. "

    Inzwischen sind Aaron und Jenny Moyer wieder in den USA und bangen mehr denn je um Witalij: Ein Moskauer Gericht hat ihre Anhörung erst verschoben und dann abgesagt. Ihre letzte Hoffnung ist der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte: Vier amerikanische Familien haben dort im Namen der russischen Kinder, die sie adoptieren wollen und schon kennen, Beschwerde eingelegt.

    "Diese Kinder werden in Russland nicht adoptiert und sie bekommen nicht die nötige medizinische Versorgung. Sobald sie volljährig sind, kommen sie aus ihren Waisenhäusern ins Altersheim oder in die Nervenklinik – also eine Irrenanstalt. Und dort überleben Menschen nicht lange."

    Das Adoptionsverbot für Amerikaner sei Teil einer Kampagne, mit der der Kreml einen latenten Anti-Amerikanismus in der russischen Bevölkerung nutze, um seine Macht zu festigen. Das sagt Masha Lipman vom Moskauer Carnegie-Zentrum, einem US-finanzierten Think Tank.

    "Einerseits sieht der Kreml die USA als die treibende Kraft hinter den Massenprotesten in Moskau im letzten Winter und will sie abstrafen. Andererseits geht es aber auch darum, die konservative Mehrheit der russischen Bevölkerung gegen jene Russen, vor allem die Moskauer, aufzubringen, die zu liberal geworden sind. "

    Inzwischen sind Aaron und Jenny Moyer wieder in den USA und bangen mehr denn je um Witalij: Ein Moskauer Gericht hat ihre Anhörung erst verschoben und dann abgesagt. Ihre letzte Hoffnung ist der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte: Vier amerikanische Familien haben dort im Namen der russischen Kinder, die sie adoptieren wollen und schon kennen, Beschwerde eingelegt.