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Kampf gegen Terrorismus
EU-Parlament dringt auf mehr Datenschutz

Die EU-Staats- und Regierungschefs wollen die Fluggastdatenspeicherung durchsetzen. Dagegen wehrt sich das Europaparlament - ohne Regeln für mehr Datenschutz will es nicht zustimmen. Beide Seiten halten an ihren Forderungen fest. Ob sich noch in diesem Jahr etwas bewegt, ist fraglich.

Von Annette Riedel | 12.03.2015
    Check-in-Schalter der Lufthansa, im Vordergrund ein Lufthansa-Schild, im Hintergrund der Schalter mit Mitarbeitern und Passagieren.
    Was die Fluggesellschaften über ihre Passagiere wissen, wüssten die EU-Staats- und Regierungschefs auch gerne. Hier ein Lufthansa-Schalter am Flughafen Berlin-Tegel. (dpa / Markus C. Hurek)
    Das Europäische Parlament hat sich mehrheitlich für ein Junktim ausgesprochen, das an die Adresse der Regierungen der EU-Länder folgendes besagt: Wenn Ihr eure Fluggastdatenspeicherung haben wollt, dann kommt endlich mit der Datenschutzreform zu Potte. Dem Parlament dauert der Einigungsfindungsprozess der Regierungen in der EU bei diesem Thema entschieden zu lange. Die Innenminister der EU-Länder andererseits drängen das an dieser Stelle seinerseits zögerliche Parlament auf ein schnelles Weiterkommen bei der Speicherung persönlicher Daten sämtlicher Flugreisenden. So treibt bzw. bremst man sich gegenseitig.
    Albrecht: "Eine weitere Maßnahme zur Überwachung sollte nur dann kommen, wenn wir auch gemeinsame hohe Standards haben. Ich habe es aber trotzdem nicht unterstützt, weil wir die Richtlinie zur Fluggastdatenspeicherung generell für grundrechtswidrig halten."
    Zur Erinnerung: Das Parlament hatte den Vorschlag der EU-Kommission für die europäische Fluggastdatenspeicherung zurückgewiesen. Seinerzeit genau aus dem von Jan-Philipp Albrecht von den Grünen angesprochenen Grund: Die anlasslose Speicherung persönlicher Daten verstoße gegen die Grundrechte. Zudem entstünden mit ihr Datenhalden, die keiner wirklich beackern kann. Tatsächlich wichtige Daten könnten in der unüberschaubaren Masse untergehen.
    Grünen-Politiker Albrecht lehnt Kompromissvorschlag ab
    "Wenn es Probleme gibt dem Europäischen Parlament, wird die Kommission alles tun, damit wir diese Probleme schnell lösen, damit wir dieses System schnell haben", sagt EU-Vize-Kommissionspräsident Timmermanns. Einen neuen Vorschlag hat die EU-Kommission nicht vorgelegt. Aber aus dem EU-Parlament liegt ein auf dem ursprünglich vom Parlament zurückgewiesenen Entwurf aufbauender Kompromiss auf dem Tisch, den Jan-Philipp Albrecht ablehnt:
    "Ein Kompromiss würde auf die grundlegende Kritik eingehen, dass es eben nicht geht, dass man einfach alle Flugreisenden überwachen darf, sondern vorher erst mal schauen muss, wo sind denn die risikobehafteten Flüge, bzw. wo könnte man Verdächtige eher aufspüren."
    Die Stimmung im Parlament insgesamt hat sich allerdings nach dem Terroranschlag von Paris geändert. Und die Hauptstädte machen Druck, selbst wenn sie nicht behaupten, dass sich mit der Fluggastdatenspeicherung Terrortaten wie die Anschläge in Brüssel, Kopenhagen oder eben Paris verhindern ließen. Aber, argumentiert Bundesinnenminister de Maizière wie die Mehrheit seiner Amtskollegen: Es würde die Ermittlungsarbeit erleichtern, "insbesondere auch Netzwerke aufzuklären, Verbindungswege, Finanzierungswege und -strukturen aufzuklären."
    EU-Parlament fordert Mindeststandards beim Datenschutz
    Die Fluggastdatenspeicherung berührt sich auch inhaltlich mit den laufenden Verhandlungen über die europäische Datenschutzreform - vor allem mit dem Teil, der sich mit dem Datenschutz im Bereich Polizei und Sicherheitsbehörden befasst.
    "Die EU-Datenschutzreform besteht aus zwei Rechtsakten: Das eine ist die große Datenschutzverordnung, die im Grunde für alle Bereiche der personenbezogenen Verarbeitung von Daten gelten soll - in ganz Europa. Und auf der anderen Seite haben wir die Richtlinie für die Polizei und die Justiz."
    Das EU-Parlament wollte keine Unterscheidung zwischen dem Bereich Ermittlungsbehörden und dem "Rest" sozusagen, wollte alles in einer einzigen Verordnung regeln. Das ließ sich nicht halten, aber das Parlament besteht jetzt zumindest noch darauf, dass beides zusammen verabschiedet wird, damit wenigsten gemeinsame Mindeststandards des Datenschutzes auch bei der Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden gelten.
    Es ist immerhin mittlerweile eineinhalb Jahre her, dass sich das Europaparlament auf eine Verhandlungsposition festgelegt hat. Die EU-Länder noch immer nicht.
    "Wir wollen 2015 fertig sein. Das ist eine der kompliziertesten Rechtsmaterien, die es gibt."
    Beschluss noch 2015 ist fraglich
    Jetzt wollen Innenminister de Maizière und seine europäischen Kollegen zwei Kapitel aus der Datenschutzverordnung abschließen: Erstens das über die Zuständigkeit - also wer sich wo an welche Behörde wenden kann, wenn innerhalb der EU Datenschutzrechte geltend gemacht werden sollen, gegenüber Firmen beispielsweise. Und zweitens die umstrittene Frage, wie weit die Verpflichtung von datenverarbeitenden Internetfirmen gehen soll, sich die Zustimmung für die Weitergabe von Daten ihrer Kunden holen zu müssen.
    "Und vor allen Dingen, ob die Unternehmen auch Daten weiter verwenden dürfen für andere Zwecke, für die wir zum Beispiel unsere Zustimmung gar nicht gegeben haben."
    Und weil Jan-Philipp Albrecht sich keineswegs sicher ist, dass sich die EU-Länder da jetzt schnell einigen und bei ihrem nächsten Treffen im Juni noch zwei weitere komplizierte Kapitel anstehen, würde er nicht darauf wetten, dass sie tatsächlich vor der Sommerpause fertig werden. Vor dem Hintergrund, dass dann erst die Verhandlungen mit dem Parlament beginnen, die auch nicht einfach werden dürften, erscheint es ziemlich optimistisch, dass die Datenschutzreform noch in diesem Jahr verabschiedet wird.