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Kampf um Gleichberechtigung

Die "Ehe für Alle" gehörte zu den Wahlversprechen des damaligen sozialistischen Präsidentschaftsanwärters François Hollande. Heute nun wird ein entsprechendes Gesetzesvorhaben im Ministerrat präsentiert. Doch politisch und gesellschaftlich schlagen die Wogen hoch.

Von Suzanne Krause | 07.11.2012
    Das geplante Gesetz zur Homo-Ehe ist für die katholische Kirche weiterhin ein rotes Tuch. Am vergangenen Wochenende appellierte André Vingt-Trois, Pariser Erzbischof und Leiter der Bischofskonferenz, an die Gläubigen, sich für eine landesweite öffentliche Debatte einzusetzen. Und er kündigte eine große Protestkundgebung am 17. November in Paris an.

    "In Ehe und Familie ist es zwingend nötig, dass das Paar nicht gleichgeschlechtlich ist. Nun dabei eine Vision des Menschen einzuführen, die die Unterschiedlichkeit der Geschlechter nicht berücksichtigt, wäre ein Täuschungsmanöver, das einen Grundpfeiler unserer Gesellschaft erschüttern und zur Diskriminierung von Kindern führen würde."

    So der Erzbischof. David Assouline, Sprecher der Parti socialiste, konterte, die Kirche nehme mit solchen Äußerungen eine Rolle ein, die nicht wirklich die ihre sei. Schließlich geht es bei der Öffnung der Institution Ehe für gleichgeschlechtliche Paare um standesamtliche Trauungen. Der Gesetzentwurf sieht vor, im Code civil, dem Bürgerlichen Gesetzbuch, einen Passus zu verankern, der es Paaren unterschiedlichen Geschlechts wie auch Paaren gleichen Geschlechts erlaubt, die Ehe zu schließen. Damit erhalten homosexuelle Paare zudem das Adoptionsrecht. Die Begriffe Mann, Frau, Vater, Mutter sollen im Bürgerlichen Gesetzbuch ersetzt werden durch die neutrale Bezeichnung "Elternteil". Ein Ansinnen, das Gerard Darmanin, einem Abgeordneten der konservativen UMP aus dem Norden, gegen den Strich geht:

    "Für mich bedeutet Ehe: ein Papa, eine Mama und Kinder. Selbst wenn die Gesellschaft sich mittlerweile verändert hat, bedeutet das nicht unbedingt, dass das Gesetz ihr folgen muss."

    Und so denken fast alle Parteikollegen. Eine Ausnahme: Franck Riester, Nachwuchsstar bei der UMP. Im Juni 2011 hatten die Sozialisten, damals in der Opposition, erstmals, einen Gesetzesvorschlag zur Homo-Ehe eingebracht: ohne Erfolg. Bei der damaligen Debatte in der Nationalversammlung erklärte Franck Riester, woran er noch heute glaubt:

    "Gleichgeschlechtlichen Paaren dasselbe Recht auf Heirat zuzugestehen wie Paaren unterschiedlichen Geschlechts – bedeutet das nicht, einem Begriff volle Macht zu geben, der auf den Fassaden all unserer Rathäuser prangt: dem Begriff Gleichheit?"

    Die Homo-Ehe sei der Anfang der Legalisierung von Pädophilie und Inzest, meint hingegen François Lebel, konservativer Stadtteil-Bürgermeister in Paris. Als Nächstes werde die Polygamie erlaubt, fürchtet der Lyoner Erzbischof Philippe Barbarin ebenso wie Marine Le Pen, Chefin des rechtsextremen Front National. Stimmungsmache, die sich im Volk niederschlägt: Waren laut Umfragen von Mitte August 65 Prozent der Franzosen für die Homo-Ehe, sind es mittlerweile lediglich noch knapp 60 Prozent. Im Sommer hatte über die Hälfte der Befragten nichts gegen ein Adoptionsrecht für Homosexuelle einzuwenden, heute sind 52 Prozent dagegen.

    Dabei handelt es sich bei dem Gesetzentwurf bereits um die Minimalversion von Hollandes Wahlversprechen. Basierend auf einem innerparteilichen Minimalkonsens. Bruno Le Roux, sozialistischer Abgeordneter und Freund des Staatspräsidenten, möchte mit einem Ergänzungsantrag die künftigen Rechte homosexueller Paare noch ausweiten.

    "Ich denke, das Thema künstliche Befruchtung muss von Anfang an im geplanten Gesetz mit drinstehen, aber das muss wohl noch ausdiskutiert werden."

    Prämisse ist derzeit allerdings, das Gesetz überhaupt durchzubringen. Denn vergangene Woche erlebte die linke Regierung mit zwei anderen Gesetzesvorhaben beschämende Schlappen: dem für eine neue Sozialbaupolitik, dem für eine Staffelung der Stromtarife.

    Doch mag auch die Zustimmung zur Homo-Ehe im Volk in den vergangenen Wochen abgekühlt sein: die gesellschaftliche Entwicklung ist offenbar nicht mehr aufzuhalten. Anfang September führte ein großes Telekommunikations-Unternehmen eine Art Vaterschaftsurlaub für homosexuelle Paare ein - getreu dem Vorbild von derzeit einem guten Dutzend Firmen in Paris und der Provinz.