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Kampfdrohnen
"Den Schutz der Soldaten erhöhen"

Klaus Naumann, früherer Vorsitzender des NATO-Militärausschusses, hält die von Verteidigunsministerin von der Leyen geplante Anschaffung von Kampfdrohnen für richtig. Im unbemannten Flugkörper liege die Zukunft, sagte Naumann im Deutschlandfunk. Die Entwicklung einer europäischen Drohne sieht er jedoch kritisch.

Klaus Naumann im Gespräch mit Peter Kapern | 03.07.2014
    Klaus Naumann, General a.D. und früherer Generalinspekteur der Bundeswehr (Foto vom 11.10.2010)
    Klaus Naumann, General a.D. und früherer Generalinspekteur der Bundeswehr (Foto vom 11.10.2010) (dpa / picture-alliance / Andreas Gebert)
    Bundesverteidigungsministerin von der Leyen hat gestern im Bundestag dafür geworben, die Bundeswehr mit Kampfdrohnen auszurüsten. Über die Ausstattung der unbemannten Flugobjekte mit Präzisionswaffen soll aber der Bundestag im Einzelfall entscheiden. Der frühere Vorsitzende des NATO-Militärausschusses, Klaus Naumann, hält die Pläne der Ministerin für "richtig und ausgewogen". Unbemannte Flugkörper erhöhten den Schutz der Soldaten, sagte Naumann im Deutschlandfunk.
    Die Argumentation von Drohnen-Gegnern, der Kampfeinsatz per unbemanntem Flugkörper senke die Hemmschwelle, hält Naumann für falsch. "Die Verantwortung für den bewaffneten Einsatz erstreckt sich nicht nur auf die eigenen Soldaten, sondern auch auf den Opponenten", erklärte er. Die Entscheidung für den Waffeneinsatz sei das letzte Mittel der Politik. "Ob man das mit bemannten Mitteln oder mit unbemannten Mitteln ausführt, ist letztlich nahezu identisch. Nur der Vorteil ist, das unbemannte Mittel reduziert die Gefahr für die eigenen Soldaten", so Naumann. Drohnen flögen zudem schneller als Hubschrauber oder Kampfjets und könnten beispielsweise einen Konvoi im Gegensatz zu diesen ständig begleiten und daher bei Gefahr schneller reagieren.
    Die Entwicklung einer europäischen Drohne sieht Naumann kritisch: Eine solche Entwicklung würde sich auf ein Feld konzentrieren, auf dem die USA und Israel schon heute zehn Jahre Vorsprung hätten. Er empfiehlt, die Drohnen "lieber vom Regal" zu kaufen und europäisches Forschungsgeld für andere Zwecke auszugeben.

    Das Interview in voller Länge:
    Tobias Armbrüster: Braucht Deutschland bewaffnete Drohnen? Die Frage wird in Berlin seit gestern diskutiert, seitdem die Bundesverteidigungsministerin, Ursula von der Leyen, die Anschaffung solcher Systeme angeregt hat. Bislang verfügt die Bundeswehr nur über Aufklärungsdrohnen, die können allerdings keine Raketen abschießen. Über die Drohnen-Pläne der Ministerin hat mein Kollege Peter Kapern gestern Abend mit Klaus Naumann gesprochen, dem General a. D. und ehemaligen Vorsitzenden des NATO-Militärausschusses.
    Peter Kapern: Herr Naumann, braucht die Bundeswehr Drohnen? Braucht sie bewaffnungsfähige Drohnen, oder braucht sie bewaffnete Drohnen?
    Klaus Naumann: Ich halte die Entscheidung, die sich anbahnt und die die Ministerin wohl im Auge hat, insgesamt für richtig und für ausgewogen. Sie will zunächst Aufklärungsdrohnen haben, die allerdings die Bewaffnungsoption enthalten sollen, und sie will dann eine Entscheidung treffen, wenn klar ist, zu welchen Zwecken solche Waffen gebraucht werden. Ich halte das deswegen für richtig, weil im unbemannten Flugkörper sicherlich die Zukunft von Luftkampfmitteln liegt und weil sie wirklich, wie Frau von der Leyen völlig richtig gesagt hat, den Schutz der Soldaten erhöhen und ihnen bessere Möglichkeiten geben, in Kampfoperationen, die ja in Deutschland immer vom Parlament gebilligt werden müssen, ihre Waffenwirkung zur Geltung zu bringen.
    Ohne Waffen keine Bewaffnungsfähigkeit
    Kapern: Aber wenn man über die Bewaffnung von Drohnen erst dann entscheidet, wenn sozusagen ein Einsatz notwendig ist, dann muss die lange gesellschaftliche Debatte, die ein solches Waffensystem vielleicht erfordert, entfallen. Drückt man sich nicht dadurch, dass man erst einmal nur bewaffnungsfähige Drohnen kaufen will, vor dieser Debatte?
    Naumann: Wenn man die Bewaffnungsfähigkeit haben will, dann muss man natürlich auch die Waffen irgendwo entweder bestellen, oder bereitlegen. Das kann nicht so sein, dass man erst dann, wenn der Einsatz ansteht, irgendwo hingeht und Waffen kauft. Das läuft überhaupt nicht. Wenn die Ministerin sich dafür entscheidet, nehmen wir meinetwegen mal das Beispiel der amerikanischen Predator oder Reaper, dann muss man die Rakete dazu, die Hellfire, auch irgendwo in einem Lager haben, die man dann allerdings erst unter das Fluggerät bindet, wenn man einen bewaffneten Einsatz fliegen will. Ich glaube, das ist gemeint.
    Kapern: Das bedeutet aber doch, dass die bewaffnungsfähige Drohne, von der die Ministerin gesprochen hat, in der Tat eine bewaffnete Drohne ist.
    Naumann: Ja, die ist eine bewaffnete Drohne. Aber sie hat die Waffe nicht bei allen Einsätzen sozusagen unter die Tragflächen montiert, sondern das wird gemacht, wenn eine Kampfmission angeordnet wird.
    "Wesentlich schneller, wesentlich effektiver"
    Kapern: Mit solchen Waffensystemen könne man den Schutz der Soldaten erhöhen. Das hat die Verteidigungsministerin, Ursula von der Leyen, auch im Bundestag gesagt, und sie hat da ein Beispiel angeführt. Wenn ein Bundeswehr-Konvoi angegriffen wird, dann dauert der Hilfseinsatz von Hubschraubern und Kampfflugzeugen zu lange. So hat sie es dort im Bundestag berichtet. Die Minuten, die da verstreichen, die können Menschenleben kosten, und diese Schutzlücke, genau die soll durch bewaffnete Drohnen geschlossen werden. Das Beispiel überzeugt Zivilisten nicht auf Anhieb, Herr Naumann. Fliegen Drohnen schneller als Hubschrauber und Kampfjets, oder warum gibt es da eine Schutzlücke?
    Naumann: Die fliegen nicht schneller, aber der Einsatz von Hubschraubern und von Kampfjets bedarf im modernen Gefecht einer sehr sorgfältigen Abstimmung und Koordination mit anderen Mitteln, die in einem Gefecht eingesetzt werden, zum Beispiel mit Flugabwehrwaffen, während Sie die Drohne oberhalb dieser Koordinationszone fliegen lassen können. Die kann den Konvoi ständig begleiten und überwacht, und wenn sie etwas entdeckt, was wie Hinterhalt oder Ähnliches aussieht, dann meldet sie und man kann sofort den Einsatz befehlen. Das ist wesentlich schneller, wesentlich effektiver und bei der Genauigkeit, die moderne Waffen heute bieten, auch wesentlich wirksamer.
    Kapern: Senkt die Verfügung über das Mittel der Drohne die Schwelle, die vor die militärische Gewaltanwendung gesetzt ist?
    Naumann: Ich glaube das nicht. Ich habe das von Herrn Gysi auch gehört. Aber ich denke, dass das eine Fehlargumentation ist. Die Verantwortung für den bewaffneten Einsatz erstreckt sich ja nicht nur auf die eigenen Soldaten, sondern auch auf den Opponenten, und wenn man den Schutz von menschlichem Leben im Auge hat, dann wird die Hemmschwelle nicht gesenkt. Wenn man sich dazu entscheiden muss, überhaupt Waffen einzusetzen, dann ist das das äußerste Mittel der Politik, und ob man das mit bemannten Mitteln, oder mit unbemannten Mitteln ausführt, ist letztlich nahezu identisch. Nur der Vorteil ist, das unbemannte Mittel reduziert die Gefahr für die eigenen Soldaten.
    Eigene Drohnenentwicklung: "Ist für mich fragwürdig"
    Kapern: Nun will die Verteidigungsministerin bewaffnete Drohnen, bewaffnungsfähige Drohnen erst einmal leasen und dann ein neues europäisches Modell entwickeln lassen. Warum muss ein solches System überhaupt teuer entwickelt werden, wenn die Anschaffung per Leasing so einfach ist?
    Naumann: Ja, da habe ich auch einen Punkt, wo ich nicht so ganz glücklich bin über diese Aussage. Eine europäische Entwicklung, die in etwa zehn Jahren kommen soll, würde sich auf ein Feld konzentrieren, in dem Amerikaner und Israeli, die beiden führenden Nationen in dieser Drohnen-Entwicklung, wie Tom Enders, der Vorsitzende von Airbus, mal gesagt hat, heute schon zehn Jahre Vorsprung haben. Da noch mal etwas aufzuholen und mit teurem europäischen Steuergeld etwas zu entwickeln, was in anderen Staaten schon längst fliegt, ist für mich fragwürdig. Ich würde da lieber sozusagen vom Regal off-the-shelf kaufen und die Entwicklungsgelder für andere Aufgaben verwenden, in denen wir in der Zukunft sicher auch noch Bedarf haben - ich nenne nur das Stichwort Cyberspace.
    Armbrüster: Soweit Klaus Naumann, der ehemalige Vorsitzende des NATO-Militärausschusses, gestern Abend im Gespräch mit meinem Kollegen Peter Kapern.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.