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Kandidat auf der Kippe

Tonio Borg kommt wie sein wegen Korruptionsvorwürfen zurückgetretener Vorgänger aus Malta. Ob ihm das EU-Parlament heute die Zustimmung aussprechen wird, ist fraglich. Denn aufgefallen ist der mögliche neue EU-Verbraucherkommissar bislang vor allem mit umstrittenen Äußerungen zu Homosexualität und Frauenrechten.

Von Markus Dichmann | 21.11.2012
    Es wird ein knappes Rennen für Tonio Borg – in dem es allerdings um nichts geht. Heute wird ihm das europäische Parlament entweder die Zustimmung aussprechen, oder nicht. Nur für seine Ernennung zum neuen Gesundheits- und Verbraucherkommissar der EU macht das keinen Unterschied. Allerdings: Ganz machtlos ist das Parlament nicht. Kommissionskandidaten wurden schon auf Druck der Abgeordneten zurückgezogen. Vergangene Woche hatte sich Borg dem Parlament in einer Anhörung gestellt. Sein Fazit:

    "Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, ich sei nicht nervös gewesen. So eine Anhörung ist nie leicht. Aber ich muss sagen, sie wurde sehr höflich und fair geführt."

    Wofür steht der Malteser Tonio Borg? Zunächst einmal, steht er im Schatten seines Vorgängern John Dalli. Aus zweierlei Gründen: Erstens, weil die Affäre aus Korruption, Intransparenz und Einflussnahme rund um die Person Dalli immer noch die Schlagzeilen dominiert. Und zweitens wegen der von Dalli auf den Weg gebrachten Tabakrichtlinie. Ein konsequentes Rauchverbot im öffentlichen Raum, ein eingeschränkter Verkauf und schmucklose Verpackungen für Zigaretten – einheitlich in ganz Europa. So sah es Dalli vor, aber sein Nachfolger Borg äußert eine andere Vorstellung der Tabakrichtlinie.

    "Ich glaube, die Mitgliedsstaaten sollten selbst entscheiden, ob sie zum Beispiel die einheitliche Verpackungen für Tabak-Produkte einführen. Das ist meine persönliche Meinung dazu, welchen Weg die Richtlinie einschlagen sollte."

    Ansonsten ist Borg bisher vor allem wegen seiner Äußerungen zu Homosexualität und Frauenrechten aufgefallen. Genau deshalb könnte es im Parlament auch knapp für ihn werden. Die Grüne Abgeordnete Rebecca Harms:

    "Gegen Kondome, gegen Abtreibung, gegen Scheidung – ich finde diese Europäische Kommission hat auch aus Malta einen weniger katholisch-konservativen Kommissar verdient."

    Die Grüne und auch die Liberalen sprechen sich einstimmig gegen Tonio Borg aus. Die Sozialdemokraten sind gespalten, und sogar unter den Konservativen kann es Neinstimmen geben. Es könnte ein holpriger Start für Borg in seinem neuen Amt als Gesundheits- und Verbrauchkommissar werden.