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Kann Bio die Welt ernähren?

Bioprodukte gelten als gesund, aber ganz schön teuer. Sind ökologische Anbauverfahren letztendlich also nur etwas für Gutbetuchte? Und muss bei der Lösung der Lebensmittelkrise auf industrielle Landwirtschaftsverfahren zurückgegriffen werden? Nein, ganz im Gegenteil - meint der Bund ökologische Lebensmittelwirtschaft auf seiner Herbsttagung: Eine ökologische Anbauweise bringt Bauern in Entwicklungsländern mehr Wohlstand.

Von Verena Kemna | 23.10.2008
    Kann Bio die Welt ernähren? - Alexander Gerber, Geschäftsführer vom Bund der ökologischen Lebensmittelmittelwirtschaft gibt eine klare Antwort. Er sagt, ja, Bio kann die Welt ernähren und er geht noch einen Schritt weiter. Angesichts der Tatsache, dass fast 900 Millionen Menschen weltweit vom Hunger bedroht sind, vor dem Hintergrund von Nahrungsmittelknappheit und den Herausforderungen des Klimawandels, bietet nur der ökologische Landbau eine Chance.

    "Also, ich gehe sogar so weit, dass ich sage, die Welt wird sich ökologisch ernähren oder gar nicht."

    So geht nachhaltige Agrarwirtschaft schonend mit Ressourcen um, hat einen sogenannten geringen Input und reduziert die negativen Auswirkungen der Landwirtschaft auf die Umwelt. Die Erträge lassen sich mindestens stabilisieren, wenn nicht gar erhöhen. In großen Agrarländern wie den USA, Brasilien, Argentinien sind die Erträge deutlich niedriger als in Europa, gleichzeitig sind die Probleme etwa durch Erosion und ausgetrocknete Böden immens. Durch den ökologischen Landbau lässt sich die Bodenqualität deutlich verbessern. Der Humus kann im Boden gehalten werden, speichert Nährstoffe und wird gleichmäßig mit Wasser versorgt.

    "Aber der ganz wichtige zentrale Punkt ist natürlich, wie sieht eigentlich die Situation dort aus, wo der Hunger am größten ist. Dort sind eben lokal angepasste Systeme, die wenig Input von außen benötigen, ganz sicherlich diejenigen, die dort zur Ernährungssicherung beitragen."

    Gerade dort sichern die Prinzipien des ökologischen Landbaus außerdem die Unabhängigkeit der Bauern. Diese können auf synthetische Dünger und Pestizide verzichten.

    "Aber ganz wichtig ist, dass diese Art von Landwirtschaft dort zu einer Stabilisierung der Situation führt, damit auch beiträgt zu einer ökonomischen und sozialen Sicherung - und damit auch im Gegensatz steht zu einer Landwirtschaft mit hohem Input, also Düngerzukauf, Pflanzenschutzmittelzukauf, was natürlich zu einer viel teureren Landwirtschaft führt."

    In einer wissenschaftlichen Studie von 2006 wird nachgewiesen, dass sich eine wachsende Weltbevölkerung ernähren ließe, wenn weltweit ausschließlich nach den Prinzipien des ökologischen Landbaus gearbeitet würde. Nachhaltiges Wirtschaften sei gerade für kleinbäuerliche ländliche Strukturen in Entwicklungsländern die einzige Chance, meint auch Martin Bröckelmann-Simon, Geschäftsführer von Misereor.

    "Auf jeden Fall, das ist unsere Erfahrung und wir haben das jetzt auch noch mal systematisch ausgewertet, trägt nachhaltiges ländliches Wirtschaften und das meint nicht nur Landbau sondern auch andere Wirtschaftsformen, dazu bei, dass das Einkommen von Bauernfamilien stabilisiert wird, dass sich ihre Ernährungssituation verbessert und dass insgesamt der Drang zur Flucht vom Land abnimmt."

    Er verweist auf erfolgreiche Beispiele aus Uganda und von den Philippinen. Dort haben 600 Bauernorganisationen in den vergangenen 20 Jahren gelernt, ihr eigenes Saatgut zu züchten. Auch die Preise auf den ländlichen Märkten hätten sich zugunsten der Bauern entwickelt. Martin Bröckelmann-Simon versteht den ländlichen Raum als Gesamtkonzept.

    "Es gibt Chancen und die müssen genutzt werden, wenn man tatsächlich die jetzige Situation zu einem Systemwechsel nutzt. Und wenn man bäuerliches Wirtschaften stärker in den Mittelpunkt setzt, stärker auch Forschung und agrarpolitische Maßnahmen auf die Situation von Bauernfamilien ausrichtet, dann kann es insgesamt auch einen Entwicklungsschub geben, weil: von der Landwirtschaft gehen vielfältige Impulse auch für die Gesamtentwicklung eines Landes aus. Es ist auch eine Chance, die Krise, die wir jetzt erleben."