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Kapitalflucht in Großbritannien

Die Auswirkung der US-Finanz und Bankenkrise zwingt Europas Regierungen zum entschiedenen Eingreifen. Die deutsche Bundesregierung stellte am Sonntag erstmals eine Komplettgarantie für private Spareinlagen in Aussicht, um die Bürger zu beruhigen. Das bringt auch andere Länder in Zugzwang, wie zum Beispiel Großbritannien. Martin Zagatta berichtet.

06.10.2008
    "Ihr Geld ist sicher". So heißt es in Zeitungsanzeigen, mit denen britische Banken am Wochenende an ihre Kunden appelliert haben, ihr Erspartes nicht abzuziehen. Doch die Kreditinstitute auf der Insel müssen auch heute wieder mit Andrang rechnen von besorgten Menschen, die das bezweifeln.
    "Als Rentner müssen wir besonders vorsichtig mit unserem Geld sein - und ich bin im Moment sehr beunruhigt,"

    so erklärt eine ältere Dame, die am Freitag einen Teil ihres Ersparten bei ihrer Bank abgehoben und bei der britischen Postbank eingezahlt hat, die sie für sicherer hält. Die Londoner Finanzaufsicht hat bekannt gegeben, die Einlagensicherung von morgen an auf umgerechnet knapp 65.000 Euro pro Konto zu erhöhen. Doch die weitergehenden vollen Garantien für Spareinlagen, wie jetzt auch von Deutschland angekündigt, setzen die britischen Banken unter erheblichen Druck. Sie sehen sich einer regelrechten Kapitalflucht gegenüber, seit die irische Regierung Ende vergangener Woche mit einer solchen Staatsgarantie für sämtliche Einlagen der irischen Banken vorgeprescht ist.

    Sie überlege, ihre Bank zu wechseln, ihr Geld auf die "Bank von Irland" zu übertragen. Wie für diese Angestellte sind die irischen Großbanken, die über Filialen in Großbritannien verfügen, über Nacht zu einer attraktiven Alternative geworden. Einen regelrechten Ansturm soll am Samstag die Bank der britischen Post erlebt haben, deren Konten von der "Bank of Ireland" geführt werden und deren Einlagen damit nun in voller Höhe vom irischen Staat garantiert werden. Laut Medienberichten sind nicht nur unzählige Privatleute dabei, ihr Geld auf Institute des Nachbarlandes zu übertragen, sondern auch Unternehmen, was den Druck auf die britischen Banken nun noch zusätzlich erhöht.

    "Als britische Bank passt es uns überhaupt nicht, dass die irische Regierung die Anlagen bei Filialen irischer Institute in Großbritannien vollständig schützt und damit für eine Wettbewerbsverzerrung sorgt,"

    klagt Janet Pope von "Lloyds TSB". Die Vereinigung britischer Banken hat in Dublin ganz offiziell protestiert. Gordon Brown hat sich, wenn auch erfolglos, beim irischen Regierungschef Brian Cowen beschwert und die EU-Kommission aufgefordert, einzuschreiten. Brüssel - so wurde in London gefordert - solle Dublin zumindest dazu zu zwingen, die irische Staatsgarantie für Einlagen auch auf Tochterunternehmen britischer Banken in Irland auszudehnen. Selbst die Banken im Königreich, die in Zeitungsanzeigen gerade damit werben, ihre Anlagen seien sicher, haben angeblich auch schon große Beträge auf ihre Ableger in Irland zu übertragen.

    Bei ihrem Krisentreffen in Paris am Samstag hatte die größeren EU-Staaten noch abgestimmte Maßnahmen gefordert. Doch nun gerät Gordon Brown selbst in Zugzwang, dem irischen Beispiel zu folgen, nachdem Deutschland als dritter EU-Staat eine Garantie für sämtliche für alle Spareinlagen abgegeben hat.
    Die BBC geht davon aus, dass Großbritannien jetzt, nachdem die Bundesregierung umgeschwenkt ist, gar nichts anderes übrig bleibt, als sich dem so heftig kritisierten Vorgehen der Iren anzuschließen. Bis vorgestern hatte die Regierung von Gordon Brown das noch als "unverantwortlich" abgelehnt, hatten britische Medien die Vollgarantie der Iren als "ein Stück aus dem Tollhaus" bezeichnet.