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Karikaturen
Der Trump-Effekt

Donald Trump ist kein Freund der Mexikaner. Im Wahlkampf kündigte er Abschiebungen von illegalen Einwanderern, eine Mauer an der Grenze zum Nachbarland und das Ende des Freihandels an. Doch eine Berufsgruppe in Mexiko profitiert von dem Mann mit der getönten Tolle.

Von Anne-Katrin Mellmann | 02.12.2016
    Kinder spielen am 23.06.2016 neben einer Graffiti-Karikatur des designierten US-Präsidenten Donald Trump im Flussbett des Rio Grande (Rio Bravo in Mexiko). Ein Streetart-Künstler sprayte die neun Meter große Karikatur an die Wand des zubetonierten Kanals an der Grenze zwischen Mexiko und den USA in der Stadt Ciudad Juarez.
    Kinder spielen neben einer Graffiti-Karikatur designierten US-Präsidenten Donald Trump im Flussbett des Rio Grande, Mexiko. (picture alliance / dpa / Sonia Aguilar)
    Humor ist eine der großen mexikanischen Stärken. Aber ein wenig ist dem Land das Lachen vergangen: In der Trump-Ausstellung des Karikaturenmuseums von Mexiko-Stadt machen die Besucher betretene Gesichter. Der Mann, der Land und Leute verunglimpft, mexikanische Einwanderer pauschal Drogendealer und Vergewaltiger genannt hatte und eine Mauer zwischen den USA und Mexiko bauen will, gab bis zu seinem Wahlsieg eine gute Witzfigur ab. Jetzt aber wirken viele Trump-Karikaturen erschreckend real. Wie die, die ihn mit einer Mauer auf dem Kopf anstelle seiner Frisur zeigen. Eine davon hat Arturo Kemchs gezeichnet, einer der bedeutendsten Karikaturisten Mexikos und Kurator der Ausstellung:
    "Als Trump in den Umfragen unten war, tat es uns fast schon leid, dass wir ihn so durch den Dreck gezogen hatten. Wenn es enger für ihn wurde, machten wir uns Sorgen, und wenn er wieder zurückfiel, lachte Mexiko über die Karikaturen. Heute sind wir einfach nur fassungslos. Ich kann kaum sagen, in welcher Gemütsverfassung wir sind. Vielleicht wird alles nicht so schlimm oder doch viel schlimmer. Wir politischen Karikaturisten schweben in Ungewissheit, in Katerstimmung. Ihn weiter zu zeichnen ist das einzige, was wir tun können."
    Kreativitätsschub für Künstler
    Die Ausstellung wurde nach dem Wahlsieg Trumps verlängert, weil der Besucher-Ansturm nicht abriss. Noch nie habe eine Person Künstler so sehr inspiriert, so Kemchs. Vor allem die Karikaturisten erlebten regelrecht einen kreativen Schub. Ihre Ideen sind oft ähnlich: Immer wieder tauchen Mauer-Bezüge und Hitler-Vergleiche auf.
    "Noch nie gab es eine internationale Figur mit diesen Charakteristiken. Ich glaube, zuletzt wurde Hitler so viel karikiert. Ich wette, dass es heute weltweit keine Persönlichkeit gibt, die Donald Trump auf diesem Gebiet das Wasser reichen kann. Unsere Aufgabe ist nun, kritisch zu begleiten, was er tut. Er wird uns in den nächsten Jahren beschäftigen."
    Wenig Interesse für Kunst
    Das Thema einer Mauer zwischen Mexiko und den USA ist in der Kunst nicht neu. Schon seit Jahren trennt ein Zaun die Nachbarn. Die Malerin Dulce Chacon beschäftigt sich damit. Sie meint, Trumps Mauerbaupläne und Drohungen, Freihandelsverträge zu kündigen, werden die mexikanische Kunst inhaltlich beleben. Die 40-Jährige ist überzeugt, dass die Werke viel politischer werden. Noch wichtiger seien jedoch die materiellen Veränderungen:
    "Die wirtschaftlichen Auswirkungen betreffen vor allem uns Künstler. In Mexiko ist die Kunst ein sehr marginalisierter und verletzlicher Bereich. Es gibt so gut wie keine öffentliche Förderung. Obwohl Mexiko so groß ist und viele Einwohner hat, interessieren sich nur sehr wenige für Kunst und kaufen sie. Das sind nur ein paar Leute mit Geld: Unternehmer und Banken. Wenn der Gürtel enger geschnallt wird, merken wir Künstler das sofort. Die private Kulturförderung wird einbrechen."
    Der Schock ist schon jetzt spürbar, weil der mexikanische Peso mit dem Trump-Sieg dramatisch an Wert verlor. Chacon bemüht sich, es positiv zu sehen: Wann immer es Phasen wirtschaftlicher Rezession gegeben hat, sei die Kunst aufgeblüht:
    "Außerdem habe ich mir überlegt, was die Botschaft US-amerikanischer Filme ist: Es gibt immer einen Bösen, dem wir die Stirn bieten müssen. Der ist jetzt personifiziert. Vielleicht haben wir genau einen solchen Bösen gebraucht, um uns zu bewegen. Wir merken jetzt, dass diese Geschichte kein Hollywood-Happy-End hat. Dass erstmals eine Frau die mächtigste Nation der Welt regiert, war nur ein Traum."