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Karin von Welck: Brücken bauen zwischen Künstlern und Investor

Im Streit um die künftige Nutzung des historischen Gängeviertels in Hamburg hat Kultursenatorin Karin von Welck den Künstlern Unterstützung zugesichert. Sie schloss nicht aus, dass das Konzept für das Gängeviertel auch Ateliers enthalten könnte. Schließlich habe der Investor ohnehin eine Mischnutzung geplant.

Karin von Welck im Gespräch mit Stefan Koldehoff | 20.10.2009
    Stefan Koldehoff: Gerade einmal drei Zeilen umfasst die Pressemitteilung BKSM 20, die der Hamburger Senat heute Vormittag verschickt hat. Es geht um das letzte von mehreren sogenannten Gängevierteln der Stadt, in deren engen Gassen seit dem 17. Jahrhundert vor allem die proletarische Bevölkerung lebte. Die meisten Gängeviertel in Hamburg wurden bereits abgerissen, das letzte, denkmalgeschützte Gebäudeensemble besteht noch – aus zwölf Häusern auf etwa 4500 Quadratmetern Grundfläche in zum Teil sehr schlechtem baulichen Zustand. Das möchte der niederländische Investor Hanzevast nun ändern, sanieren, vermarkten. In der Senatspressemitteilung von heute steht nun, dass Hanzevast die für den Kauf fällige erste Rate gezahlt und damit signalisiert habe, dass man an den Plänen für das Areal auch festhalten wolle. "Klarheit beim Gängeviertel" lautet die Überschrift. Die rund 200 Künstler, die die historischen Gebäude Ende August besetzt und seither nach Verhandlungen und mit Einverständnis des Senats für ihre Arbeit genutzt haben, die sehen das, wie gehört, offenbar anders. Eine Zwischennutzung war ihnen erlaubt worden, und meine Frage ging an die zuständige Hamburger Kultursenatorin Karin von Welck, die die Künstler bislang unterstützt hat: Wird diese zugebilligte Zwischennutzung damit beendet?

    Karin von Welck: Also die ist jetzt nicht ruckartig beendet, sondern wenn der Investor auch weiter seine Zahlungsverpflichtungen einhält – die nächste Rate muss am nächsten Montag bezahlt werden –, dann ist natürlich die Zwischennutzung absehbar zu Ende. Das heißt aber nicht, dass wir nicht in Gespräche eintreten werden, auch mit dem Investor, ob die Pläne, die die Künstler ja mittlerweile erarbeitet haben für die Nutzung des Viertels, nun endgültig vom Tisch sind, sondern da werden wir schon versuchen, auch Brücken zu bauen. Aber das ist alles ein bisschen Zukunftsmusik, im Moment geht es sozusagen um die nächsten Schritte, die gemacht werden müssen. Aber natürlich sind wir auch dabei, nach Alternativen für die Künstler zu suchen, denn für uns hat ja diese Besetzung des Gängeviertels – von einer übrigens ganz, ganz besonnenen Gruppe von Künstlern, das war ganz wichtig, glaube ich – auch dazu geführt, dass hier doch noch mal ein ganz intensiver Prozess des Nachdenkens in Gang gesetzt wurde, auch bei allen Teilen der Verwaltung, und man wirklich begriffen hat, dass es ganz wichtig ist, Künstlern Flächen zur Verfügung zu stellen.

    Koldehoff: Wenn Sie jetzt sagen, wir wollen auch noch mal mit dem Investor sprechen, einer niederländischen Gruppe, was könnte das bedeuten, auch wenn’s im Moment noch ein bisschen Kaffeesatzleserei ist – sowohl Investorennutzung als auch Ateliers?

    Von Welck: Ja, also der Investor ist ja auch schon im Vorfeld angetreten, indem er eine Mischnutzung da immer vorhatte. Und ich glaube, dass durch die ganzen Prozesse, die jetzt in den letzten Wochen hier gelaufen sind, und durch die vielen Diskussionen, die stattgefunden haben, eigentlich jeder auch verstanden hat, dass man da eine hohe Verantwortung hat, wenn man das Gängeviertel entwickelt. Und ich gehe einfach davon aus, dass es auch bei dem Investor der Fall sein wird.

    Koldehoff: Aber werden sich das Künstler dann noch leisten können? Investoren bedeuten meistens auch Preissteigerungen.

    Von Welck: Ja, das muss man dann im Einzelfall sehr genau begucken. Wir haben hier aufgelegt – auch eben weil dieses Problem von Flächen für Künstler wirklich eins ist, das uns sehr umtreibt in Hamburg – ein Senatsprogramm, in dem wir auch durchaus Möglichkeiten haben, durch einen Fonds auch manchmal Überbrückungen zu schaffen zwischen dem, was der Vermieter mindestens braucht zur Deckung seiner Ausgaben, und dem, was Künstler zahlen können. Und das ist vielleicht auch ein Weg, da Brücken zu bauen.

    Koldehoff: Eventuell auch – auch wenn Sie es nicht alleine zu entscheiden haben, es gibt auch noch einen Finanzsenator, es gibt eine Gebäudeverwaltung natürlich in Hamburg – auch eine mögliche Option, mit dem Investor zu sprechen, ob man’s vielleicht ganz lässt und die Stadt behält das Gelände?

    Von Welck: Das wird sicher auch mit überdacht werden, dass muss man dann einfach mal jetzt von der kommenden Entwicklung abhängig machen.

    Koldehoff: Haben Sie denn heute schon mit den Künstlern im Gängeviertel gesprochen?

    von Welck: Ja, also wir haben einen bestehenden Gesprächspartner für die Künstler, das ist Herr Dr. Petras, so ein Spitzenbeamter meiner Behörde, und ich habe auch die Künstler oder einige von denen kurz gesehen und wir haben uns verabredet, dass wir uns in den nächsten Tagen auch zu weiteren Gesprächen zusammensetzen.

    Koldehoff: Und was für eine Alternative, abschließend gefragt, könnte man den Künstlern dann anbieten?

    von Welck: Also es gibt durchaus Flächen, zum Teil versprengt in der ganzen Stadt, zum Teil aber auch in größeren Volumina, die man da als auch Möglichkeit anbieten könnte. Irgendwie ist es ein wirklich erstaunliches Phänomen: Ich muss gestehen, dass auch ich selber noch bis vor anderthalb Jahren geglaubt habe, was alle hier erzählt haben, es gibt keine Flächen in Hamburg, die man Künstlern zur Verfügung stellen kann. Aber nachdem ich mich jetzt sehr intensiv mit diesen Problemen beschäftigt habe, finden sich wirklich immer mehr Flächen, von denen nur die jeweiligen Verantwortlichen das nicht so kommuniziert haben, dass das auch wirklich öffentlich diskutiert werden konnte. Und deshalb sind sie auch gerade dabei, so eine Schnittstelle einzurichten für Kommunikation, eine Kreativagentur, wo all diese Informationen gebündelt werden können. Das ist allerdings Zukunftsmusik, aber ich will damit nur sagen, dass auch in einer Stadt wie Hamburg es möglich ist, auch Flächen zu finden, die auch interessant für Künstler sind.

    Koldehoff: Die Hamburger Kultursenatorin Karin von Welck zur Zukunft des historischen Hamburger Gängeviertels.

    Sie können das vollständige Gespräch mindestens bis zum 20.3.2010 als MP3-Audio in unserem Audio-on-Demand-Player nachhören.