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Karlsruhe
Kunst-Schöpfung im öffentlichen Raum

In Karlsruhe sorgt die Schöpfung für Streit in der Kunstwelt: Finanziert von einem Keramikhersteller soll der Künstler Markus Lüpertz sieben Straßenbahnhaltestellen mit Motiven aus der Bibel befliesen. Dagegen legt Peter Weibel Einspruch ein, der Chef des Karlsruher Medienkunsttempels ZKM.

Von Christian Gampert | 06.08.2017
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    Markus Lüpertz ist derzeit mit einer Ausstellung im ZKM zu sehen (picture alliance/dpa/Uli Deck)
    "Die Schöpfung" spielt in Karlsruhe an der Straßenbahnhaltestelle - beziehungsweise: sie könnte dort spielen. Andererseits sind die Tage der Schöpfung möglicherweise gezählt. Denn es gibt Widerspruch: Sieben Straßen- und U-Bahn-Haltestellen, in beide Fahrtrichtungen, soll der Künstler Markus Lüpertz auf Keramikfliesen mit den Themen der biblischen Schöpfungstage bemalen, die Erschaffung der Welt, bevor die Bahn kommt. Ausgedacht hat sich das der ehemalige Chef der Keramik-Manufaktur Majolika, Anton Goll. Marketing-Stratege Goll erhofft sich von der Marke Lüpertz und dessen Kunst einen gesteigerten "Werbewert" für die Stadt Karlsruhe, welchen er auf mindestens eine Million Euro taxiert. So viel kosten zufällig auch die Kunstwerke, die Lüpertz auf einer Riesenstaffelei in den Majolika-Werken anzufertigen gedenkt.
    Nun kann jeder, der möchte, seiner Stadt etwas schenken oder auch, wie Goll es will, durch Sponsoren finanzieren lassen. Ob etwas im öffentlichen Raum aufgestellt wird oder nicht, Kunst zum Beispiel, entscheiden aber immer noch demokratisch gewählte Organe, also letztlich die Bürger selber. Die sind im Normalfall nicht gerade avantgardistisch eingestellt - man denke an die vielen öffentlichen Kämpfe um Hauser- oder Serra-Plastiken oder an jüngste Vandalismen bei den Münsteraner "Skulptur Projekten".
    Haltestellen-Kunst nicht öffentlich ausgeschrieben
    Hier aber ist es ausnahmsweise mal andersherum: Der Karlsruher Gemeinderat stimmte für die Lüpertz-Kacheln, der Einspruch aber kommt von Künstler- und Kuratorenseite. Peter Weibel, der Direktor des auf postmoderne Video-Kunst spezialisierten ZKM, hält es für verfehlt, dass die Gestaltung der Untergrund-Haltestellen nicht öffentlich ausgeschrieben wurde. Lüpertz hätte sich mal bewerben sollen ... Und mehr noch: Weibel möchte öffentliche Orte nicht mit religiöser Kunst bespielt sehen. In einem Brief an den Karlsruher OB und den Gemeinderat moniert Weibel, dass durch eine private Finanzierung der Lüpertz-Werke wieder nur Wohlhabende über den öffentlichen Raum bestimmten. Und Weibel sagt sarkastisch, noch sei man nicht in der Türkei, wo, Zitat, von Recep Erdogan "Museen zu Moscheen" gemacht würden. Die Lüpertz-Kunst beziehe sich auf ein "Narrativ vor der Aufklärung und vor der Reformation".
    Nun ist nicht wirklich bekannt, was der durchaus religiöse Neoexpressionist Markus Lüpertz aus der Genesis eigentlich machen will. Das scheint aber der Kern des Problems: Was will uns die Schöpfungsgeschichte an der Straßenbahnhaltestelle eigentlich sagen? Soll sie nicht lieber im Gotteshaus bleiben? Jede Religionsgemeinschaft kann sich auch im öffentlichen Nahverkehr Werbeflächen mieten und Gottes Werk loben. Das explizit Religiöse aber führt in der Gegenwartskunst ein Schattendasein. Religiöse Topoi sind hier eher eine Assoziationsfläche, mit der man ironisch spielt; und religiöse Kunstwerke vergangener Zeitalter werden lediglich als Kulturzeugnisse begriffen, ohne jeden Aufforderungs-Charakter.
    Insofern hat Peter Weibel mit seiner Kritik natürlich recht. Wenn jeder Sponsoren-Club sich ihm genehme Kunst auf den Marktplatz oder in die U-Bahn stellen darf, dann stimmt etwas nicht. Wenn der Ex-Majolika-Chef Majolika-Kunst ordert, dann riecht es gewaltig. Wenn der Gemeinderat, wie in Karlsruhe geschehen, ohne ein Votum der städtischen Kunstkommission entscheidet, dann war wohl Eile geboten. Der stets dandyhaft gekleidete Selbstinszenator Lüpertz, der sich gern an Frau und Gehstock festhält, ist nämlich nicht zu unterschätzen: er verkauft sich gut, und was seine "dityhrambische Malerei", sein expressiver Stil überhaupt meint, ist durchaus ungewiss. Das Niedrige und Lächerliche, das er feiert, ist eben auch vielseitig interpretierbar. Lüpertz suche einen "Ausweg aus den Antinomien der Moderne", schreibt Peter Weibel über die Lüpertz-Ausstellung, die gerade im ZKM stattfindet. Titel: "Kunst, die im Wege steht" - diesmal im Museum, nicht an der Haltestelle.