Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Karriere machen - Knete verdienen

Hierzulande sprießen sie an den Unis wie Pilze aus dem Boden: Die sogenannten "Career-Center" - Einrichtungen der Hochschulen, die den Studenten Karriere-Beratung und Bewerbungstraining anbieten sowie ausgefallene Praktika und Auslandsaufenthalte vermitteln. Nun ziehen auch die Unis in osteuropäischen Ländern nach. Beispiel: In Temeswar haben Studenten vor einem halben Jahr das erste rumänische "Career-Center" aus der Taufe gehoben. Doch das funktioniert ein wenig anders als entsprechende Einrichtungen in Deutschland.

06.01.2003
    Ein Beitrag von Thomas Wagner

    Es ist einer dieser klobigen Wohnheimgebäude im "Complex studentesc Timisoara", im Temeswarer Studentenviertel, in dem die Studenten manchmal zu zweit, manchmal zu fünft in spartanisch eingerichteten Zimmern untergebracht sind. Doch wenn sich im Erdgeschoss, gleich links neben dem Eingang, die große Holztür öffnet, trauen die Besucher ihren Augen nicht so recht: In einem modern eingerichteten Büro mit schmucken Sesseln, zwei Computern und einem Schreibtisch sitzt Melania Merian, die an der Temeswarer West-Universität im dritten Semester Internationale Handelsbeziehungen studiert, vor dem Telefon:

    Dass im "Centrul de Dezvoltare a Carierei", wörtlich übersetzt: Im "Karriere-Entwicklungszentrum", an diesem Tag häufig das Telefon klingelt, ist ein gutes Zeichen. Denn das im vergangenen Mai gegründete erste rumänische "Career-Center" ist eine studentische Mini-Firma. Melanie Merian arbeitet zusammen mit fünf weiteren Kommilitonen seit der ersten Stunde mit.

    Wir lesen Zeitungen, verschiedene rumänische Zeitungen, für Firmen und suchen jene Artikel heraus, die interessant für die Firmen sein können. Zum Beispiel haben wir einen Vertrag mit der Firma Continental, die Reifen produziert, und wir suchen ihnen Artikel heraus, die über Reifen sprechen.

    Das regelmäßige Erarbeiten eines Pressespiegels für ausländische Firmen wie den deutschen Reifen-Konzern continental ist aber nur ein Geschäftsfeld, dem die Temeswarer Studenten nachgehen: Für andere Unternehmen, zumeist mit ausländischem Kapital, organisieren sie Kulturevents, Kontaktbörsen an der Uni und fertigen Übersetzungen an. Das soll Bares in die zumeist leeren Geldbeutel bringen. Bafög wie in Deutschland gibt es in Rumänien nicht; die Wohnheimplätze wollen ebenso bezahlt sein wie Bücher, Essen, Kleidung; bei einem monatlichen Durchschnittseinkommen von unter 200 Euro liegt ist das nicht einfach.

    Wir verdienen bisher kein Geld mit dem Karriere-Entwicklungszentrum. Wir hoffen aber, dass wir durch die Projekte eine Finanzierung bekommen, und das wir dadurch auch eine bestimmte Summe als Gehalt dann erhalten.

    Die Aussicht auf ein Taschengeld ist das eine. Die Möglichkeit, durch die Kontakte mit ausländischen Firmen gleich den zukünftigen Arbeitsplatz zu finden, das andere, so Melania Merian:

    Also wir arbeiten ja meistens mit multinationalen Firmen zusammen, und die Mitglieder des Entwicklungszentrums sehen eigentlich ihre Zukunft hier, in dem Karriere-Entwicklungszentrum, und vielleicht später, in einigen Jahren, dass sie dann einen Arbeitsplatz suchen. Wichtig ist es, Kontakte zu knüpfen mit den Firmen für die Zukunft, und natürlich auch eine gewisse Erfahrung in diesem Bereich zu sammeln. Denn als Student hat man mehr theoretische Kenntnisse und nicht so praktische. Und man weiß nicht wirklich, was in einem Arbeitsfeld in einem zukommt.

    Zwei Faktoren waren ausschlaggebend dafür, dass es überhaupt zur Gründung des Temeswarer "Career-Centers" kommen konnte. Zum einen haben sich gerade im Westen Rumäniens viele Unternehmen aus Deutschland, Frankreich und Italien niedergelassen - alles potentielle Kunden für die Studentenfirma. Und zum zweiten, so Wirtschafts-Studentin Mireilla Marten, wurden sie bei der Umsetzung ihrer Idee tatkräftig von ihrer Uni unterstützt:

    Unsere Verbindungen zur Fakultät sind ausgezeichnet. Unser Dekan hilft uns, wo es nur geht.,Jedes Mal, wenn wir eine neue Geschäftsidee entwickeln, wenn wir uns mit Marktanalyse machen, beraten wir uns mit unseren Marketing- oder Management-Professoren. Die kommen sofort, helfen uns und zeigen sich unserer Idee gegenüber sehr offen.

    Doch neue Ideen erhoffen sich die Temeswarer Studenten auch von weiter her - Ideen, die sie auch anderen Studenten nutzbar machen wollen, so Miruna Marten.

    Ich habe es mir zum Ziel gesetzt, Kontakte mit anderen Karriere-Centern aufzubauen, vor allem im Ausland. Für uns wäre es sehr spannend, zu einem dauerhaften Erfahrungsaustausch zu kommen, beispielsweise mit Studenten in Italien, in Deutschland, die sich mit einem ähnlichen Projekt wie wir beschäftigen.

    Mit Hilfe solcher Kontakte wollen sich die Temeswarer Studenten Erfahrungen sammeln für eine Karriere in ihrem Land. Viele Kommilitonen nämlich sehen in Rumänien mit seinen zahlreichen wirtschaftlichen Problemen keine Zukunft mehr; sie wandern aus. Das allerdings, stellt Melanie Merian klar, ist nicht das Ziel des Temeswarer "Career-Centers":

    Ich glaube, es gibt eine Zukunft, wenn man sich diese selber baut. Und das ist eigentlich das Wichtigste, dass man an die eigene Zukunft auch glaubt, und dass man sich diese auch entsprechend aufbaut.

    Das "Career-Center" im rumänischen Temeswar sucht Kontakte zu Studenteninitiativen überall in Westeuropa.

    E-Mail: office@careercenter.ro www.careercenter.ro