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Kartell machte Kartoffeln teurer

Die Deutschen essen im Schnitt 56 Kilo Kartoffeln pro Jahr. Möglicherweise haben sie jedoch jahrelang zuviel für die Knolle bezahlt. Das Bundeskartellamt ermittelt gegen Kartoffelverarbeiter, die Preise abgesprochen haben sollen. Unklar ist, ob und wie Landwirte in die Vorgänge verwickelt waren.

Georg Ehring im Gespräch mit Jule Reimer | 13.05.2013
    Georg Ehring: Frau Reimer, welchen Schaden hat der Verbraucher?

    Jule Reimer: Georg Ehring, es geht um Unternehmen aus den Bereichen Erzeugung und Vertrieb von Kartoffeln. Vertrieb ist klar: Das sind die Abpacker von Kartoffeln. Unter Erzeugern werden im vorliegenden Fall offenbar die Züchter verstanden, die das Kartoffelpflanz¬gut an die Bauern verkaufen, und nicht die Bauern, die man ja auch als Kartoffelerzeuger bezeichnen könnte. Der genaue Schaden ist noch nicht zu beziffern, aber es kursieren Zahlen, nach denen die mit dem Kartell verbandelten Unternehmen mithilfe der Absprachen ihre Gewinnmargen um bis zum Zehnfachen erhöht haben sollen. Die Rede ist von einem Schaden in Höhe von mindestens 100.000 Millionen Euro, wenn nicht mehr. Das Bundeskartellamt ermittelt gegen insgesamt 14 Unternehmen , unter anderem mit Durchsuchungen. Bei fünf Unternehmen war der Verdacht hinreichend große, dass bereits Bußgeldverfahren eingeleitet wurden.

    Ehring: Wie sind die möglichen Absprachen gelaufen?

    Reimer: Laut "Süddeutscher Zeitung" hat es einen Anführer gegeben, der dann vor der Bestellung der großen Discounter-Ketten unter seinen Mitbewerbern herumtelefoniert hat und dann die Preise ausgemacht hat mit geringen Differenzen von wenigen Cent. Kartoffeln bieten sich für Preisabsprachen auch an, weil es ja gar so große Unterschiede zwischen den einzelnen Kartoffelsorten gibt.

    Ehring: Haben die Landwirte auch Schaden hinnehmen müssen?

    Reimer: Möglich ist beides, dass sie Schaden hinnehmen mussten, dass sie vielleicht auch profitiert haben. In den letzten Jahren haben viele Zuchtunternehmen, die den Bauern die Pflanzkartoffeln – also das Saatgut – verkaufen, gezielt Kartoffelabpackbetriebe aufgekauft. Die Bauern müssen ja einmal das Saatgut kaufen und dürfen dann aber nicht einfach die Kartoffeln aus der Ernte für die nächste Aussaat nutzen, sondern sie zahlen weiter Gebühren für die Nutzung der Sorten. Man darf auch als Landwirt nicht irgendeine Kartoffel aussäen, sondern es dürfen für den späteren Verkauf nur zugelassene Sorten verwendet werden – und das sind in der Regel die gebührenpflichtigen. Möglicherweise haben unter diesen Bedingungen die Züchter doppelt kassiert, einmal durch Preisabsprachen beim Pflanzgut und zum Zweiten als Abpacker. Aber wie gesagt: Das Bundeskartellamt gibt keine Auskunft darüber, gegen welche "Erzeuger" es wie ermittelt. Aus Bauernkreisen war übrigens ein gewisses Verständnis für Absprachen auf der Vertriebsebene zu hören, die Landwirte kritisieren ja schon lange die große Marktmacht des Einzelhandels.

    Ehring: Werden die Preise jetzt sinken?

    Reimer: Etwas werden sie bestimmt sinken. Aber um wie viel, ist schwer zu sagen, das hängt ja auch von der nächsten Ernte und den derzeitigen Lagerbeständen ab. Möglicherweise überlegt sich auch mancher Verbraucher, Kartoffeln jetzt öfter beim Bauern direkt einzukaufen. Früher haben das viele Haushalte gemacht und Kartoffeln den ganzen Winter im Keller eingelagert. Die haben dann natürlich gekeimt und waren – je länger der Winter dauert – schrumpelig, was nicht notwendigerweise den Geschmack beeinträchtigt. Das mag heutzutage nicht jeder Verbraucher mehr, Kartoffeln sollen beim Einkauf möglichst makellos aussehend. Aber vielleicht ändert sich das jetzt.