Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Kaspisches Meer

Mit 220 Tonnen Stör konnten die russischen Fischereibetriebe am Kaspischen Meer in dieser Saison nur 40 Prozent der vorgesehenen nationalen Fangquote aus dem Wasser ziehen. Während der bevorstehenden Herbstfangzeit könnte bestenfalls noch einmal die Hälfte hinzu kommen, prognostizieren russische Fachleute. Die ohnehin stark abgesenkte Fangquote wird damit längst nicht ausgenutzt. Für das nächste Jahr besteht nur wenig Hoffnung auf eine Verbesserung der Situation. Es dürfen höchstens 35 Millionen Jungfische ausgesetzt werden, 40 Prozent weniger als im vorigen Jahr.

von Sergej Pomeranzew | 17.08.2000
    Im Kaspischen Meer - dem größten Binnensee der Erde - leben 90 Prozent des Weltbestandes an Stör. Die Region ist deshalb das wichtigste Produktionsgebiet für schwarzen Kaviar, die begehrten Fischeier. Davon wird aber von Jahr zu Jahr weniger angelandet. Darüber klagen neben Russland auch die vier anderen Anrainerstaaten: Kasachstan, Aserbaidschan, Turkmenistan und Iran. Hauptursache für die ständig zurückgehenden Fangergebnisse ist der illegale Störfang. Auch die Wilderer haben es auf den wertvollen Kaviar abgesehen. Experten aus dem russischen Forschungsinstitut für Fischwirtschaft schätzen, dass die Raubfischer 11- bis 13mal mehr Störe fangen als alle zugelassenen Unternehmen zusammen. Sollte sich die Wilderei in diesem Umfang fortsetzen, bräche der gewerbliche Fischfang am Kaspischen Meer in zwei bis drei Jahren zusammen, warnt das Institut.

    Fachleute des Iranischen Forschungsinstituts für Stör geben an, die Fischbestände im Kaspischen Meer seien innerhalb der vergangenen zehn Jahre um 85 Prozent gesunken. Schuld daran sei in erster Linie die Wilderei. Hinzu komme die Wasserverschmutzung aus der Erkundung und dem Abbau von Erdölquellen unter dem Boden des Binnenmeeres. Das russische Landwirtschaftsministerium weist darauf hin, dass der Störfang nur in den Zuflussmündungen des Sees erlaubt ist. Daran halten sich die Raubfischer natürlich nicht.

    Es ist nicht allein die Jagd nach dem "schnellen Rubel" die die Wilderer zu ihrem Tun veranlasst. In den zuständigen Behörden ist man sich darüber im klaren, dass die schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion die Menschen dazu treiben, jede mögliche Einkommensquelle zu nutzen. Früher fanden sie Arbeit in mehreren Fischbetrieben, die jetzt allerdings nicht mehr existieren. Die größten Profite aus dem illegalen Störfang aber - da ist man sich im Agrarministerium sicher - flössen in die Taschen international agierender Banden, die den Kaviar in Westeuropa absetzen.

    Neben allen Problemen ist am Kaspischen Meer jedoch auch ein in gewisser Weise positiver Trend zu verzeichnen: Aufgrund der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Anrainerstaaten ist die Belastung mit Industrieabwässern deutlich zurück gegangen, und es werden weniger kranke Fische gefunden. Anfang der achtziger Jahre waren mindestens zwei Drittel aller Fische missgebildet oder ungesund.

    Vor drei Jahren hat das russische Forschungsinstitut für Fischwirtschaft ein internationales Programm zum Wiederaufbau der Störbestände im Kaspischen Meer ausgearbeitet, an dem sich auch die vier Anrainerstaaten beteiligen sollen. Vordringlichste Aufgabe ist es, viel mehr Fische als bisher aufzuziehen. Bis 2007 will man insgesamt zehn neue Aufzuchtfarmen errichten. In Zukunft sollen nur staatliche Unternehmen auf Störfang gehen dürfen. Das schlägt das russische Fischereiministerium vor. Schließlich kümmerten sich private Firmen weder um den Schutz der Laichplätze noch um die Aufzucht der Jungfische.