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Kassenpraxen müssen bei Streik Notfalldienste anbieten

Nachdem Ärzte und Kassen keine Einigung im Honorarstreit erzielt haben, könnten niedergelassene Ärzte in den Streik treten. Dennoch müsse die Versorgung von Kassenpatienten auch bei einem Ausstand gesichert sein, sagt Judith Storf von der Unabhängigen Patientenberatung UPD.

Jule Reimer im Gespräch mit Judith Storf | 03.09.2012
    Jule Reimer: "Wegen Streik geschlossen" - solche Schilder könnten schon morgen vielleicht an Praxen der niedergelassenen Ärzte hängen. Es geht ums Geld, die Ärzte wollen im kommenden Jahr mehr verdienen, als ihnen die gesetzlichen Krankenkassen zugestehen möchten. Am Telefon bin ich mit Judith Storf verbunden, sie arbeitet in Bielefeld als Beraterin für die Unabhängige Patientenberatung UPD, hinter der unter anderem die Verbraucherzentralen und der Sozialverband VDK stehen. Frau Storf, was kann ich denn tun, wenn mein Hausarzt oder der Radiologe in den Streik getreten sind und ich ihre Hilfe eigentlich benötige?

    Judith Storf: Sie müssen schauen: Die Ärzte haben einen Notfalldienst. Hier geht es ja um die Kassenpraxen, die müssen einen Notfalldienst einreichen, weil sie verpflichtet sind, die Patienten zu behandeln. Und man muss auch wissen: Es streiken längst nicht immer alle Arztpraxen.

    Reimer: Das heißt, ich muss mich umschauen. Wo kann ich denn solche Informationen herbekommen? Muss der Arzt das ausweisen?

    Storf: In der Regel haben die Ärzte Aushänge, wo Sie den Notdienst finden, oder es ist auf dem Anrufbeantworter gesprochen. Ansonsten kann man sich natürlich auch an die Kassenärztliche Vereinigung wenden.

    Reimer: Wenn ich jetzt mit einem ganz furchtbar bedrohlichen Notfall vor der Praxis stehe, darf mir der Arzt dann trotz Streiks oder wegen des Streiks die Behandlung verweigern?

    Storf: Eigentlich darf er das nicht, aber wenn er nicht da ist, haben Sie ein Problem, wenn er zum Beispiel gerade wirklich akut im Streik auf einer Demonstration ist. Das ist auch - das sind unsere Beratungserfahrungen aus dem letzten Streik - vorgekommen, dass Patienten vor den Praxen gestanden haben.

    Reimer: Was mache ich denn, wenn ich als chronisch Kranker auf tägliche Behandlungen auch eines bestimmten Spezialisten angewiesen bin, auf die Ausgabe von Medikamenten?

    Storf: Auch da muss der Arzt dafür sorgen, dass Sie diese Medikamente oder eben die Versorgung weiterhin bekommen. Das Gleiche gilt ja auch, wenn Sie beispielsweise eine fortlaufende Krankschreibung brauchen. Die ist ja notwendig, um Krankengeld zu bekommen. Da muss der Arzt Ihnen garantieren, dass das fortlaufend ist. Ansonsten müssen Sie schnell bei der Krankenkasse anrufen, damit die Krankenkasse sich kümmert, dass Ihre Behandlung sichergestellt ist.

    Reimer: Haben denn die Krankenkassen in der Regel Verständnis in so einem Fall?

    Storf: Das ist unterschiedlich. Sie müssen wissen: Das ist ja ein interner Streit zwischen den Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigung. Aber die Leidtragenden sind dann die Patienten. Wir hatten in der Beratung viele Rückmeldungen von unzufriedenen Patienten, die sehr lange Wartezeiten hatten, oder gar nicht behandelt worden sind und sich wirklich auch teilweise gefragt haben, warum kriegen die Ärzte und die Krankenkassen da nicht auf anderem Weg eine vernünftige Einigung hin.

    Reimer: Welche Erfahrungen haben Sie noch aus früheren Streiks der Ärzte gewonnen?

    Storf: Die Erfahrung ist wie gesagt Unzufriedenheit bei den Ratsuchenden, die sich hier an uns in der UPD gewandt haben, und natürlich auch, dass aufgeklärte Patienten sich fragen, ob die Ärzte nicht eigentlich genug verdienen und ob es nicht eine Umverteilung innerhalb der unterschiedlichen Facharztrichtungen geben muss.

    Reimer: Das bezieht sich jetzt auf die unterschiedlichen Einkommen zwischen Hausärzten, zum Beispiel Kinderärzten, im Vergleich zu den gut verdienenden Fachärzten?

    Storf: Richtig. Informierte Patienten fragen sich dann natürlich auch, warum klären die Ärzte das nicht untereinander, die unterschiedlichen Fachärzte, warum müssen wir als Patienten, die das Ganze finanziell tragen, jetzt auch noch darunter leiden und werden teilweise - das ist auch noch ein Problem - zu Selbstzahlern.

    Reimer: Das heißt?

    Storf: Das heißt, es gibt Ärzte, die sagen, ich behandele sie weiter, das müssen sie aber selber bezahlen. Das heißt, es geht natürlich nicht, wenn jemand in der gesetzlichen Krankenkasse versichert ist.

    Reimer: Vielen Dank für diese Informationen an Judith Storf von der Unabhängigen Patientenberatung UPD für den Fall, dass ein Streik der niedergelassenen Ärzte tatsächlich stattfindet.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.