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Katalanische Separatisten machen gegen Spanien mobil

Die Benachteiligung der katalanischen Sprache bemängeln die Separatisten unter anderem an dem Urteil der spanischen Verfassungsrichter zum Autonomiestatut. Und sie punkten mit ihren Ansichten auch immer mehr bei gemäßigten Wählern. Eine große Demonstration in Barcelona beflügelt den Wunsch nach Unabhängigkeit von Spanien.

Von Hans-Günter Kellner | 12.07.2010
    Schon früh passt kein Strohhalm mehr zwischen die Kundgebungsteilnehmer in Barcelona. In der sengenden Sonne geben katalanische Politiker Erklärungen über die Konsequenzen des Urteils des spanischen Verfassungsgerichts ab. So auch Nationalistenchef Artur Mas, dem Umfragen gute Chancen einräumen, nächster katalanischer Ministerpräsident zu werden:

    "Wir setzen seit 30 Jahren auf eine Lösung innerhalb der spanischen Verfassung, auf einen Staat mit unterschiedlichen Nationen. Diese Tür hat das Verfassungsgericht nun zugeschlagen. Es war nicht bereit, die Ziele der katalanischen Nation innerhalb Spaniens mit einer flexiblen Interpretation der Verfassung zu ermöglichen."

    Das Urteil hat auch im spanischen Parlament Folgen. Dort stützen die katalanischen Nationalisten derzeit den spanischen Ministerpräsidenten Zapatero. Doch auch die Konservativen haben schon mit ihrer Unterstützung regiert und hoffen, nach Neuwahlen könnte sich diese Koalition wiederholen. Antoni Duran y Lleida, Sprecher der Katalanen im spanischen Parlament, strebt jetzt jedoch ganz andere Allianzen an:

    " Ich hoffe, dass alle im spanischen Parlament vertretenen katalanischen Gruppierungen jetzt vereint zusammenstehen, zur Verteidigung unserer Nation, unserer Kultur, unserer Sprache. Wir wollen Katalanen sein, nicht besser oder schlechter als andere, einfach Katalanen. Wenn das akzeptiert wird, könnten wir wieder nach einem gemeinsamen Projekt für den gesamten spanischen Staat suchen."

    Der nationalistisch gesinnte Politiker zielt damit auf eine Spaltung der spanischen Sozialisten ab, bei denen die katalanischen Abgeordneten schon eine eigene Landesgruppe gebildet haben. Er hofft, auf diese Weise die beiden großen spanischen Parteien zu einem neuen Konsens zwingen zu können, der auch das nun beschnittene Autonomiestatut wieder möglich machen würde. Dies ist das Mindeste, was die Kundgebungsteilnehmer erwarten:

    "Das Statut ist ein Gesetz, das das katalanische und spanische Parlament verabschiedet und die Katalanen in einem Referendum gebilligt haben. Und dann kommt so ein politisches Tribunal und urteilt darüber. Ein Verfassungsgericht, über dessen Zusammensetzung die beiden großen spanischen Parteien entscheiden. Das Gericht hat diesen Konflikt bewusst gesucht."

    Nur 14 von mehr als 200 Artikeln des Autonomiestatuts hat das Gericht bemängelt. Doch nicht einmal ein Komma darf das Verfassungsgericht an einem Text ändern, über den das katalanische Volk entschieden hat, argumentieren die Organisatoren der Großdemonstration. Diese Teilnehmerin etwa fürchtet Folgen des Verfassungsgerichtsurteils für den Gebrauch der katalanischen Sprache, die zu Francos Zeiten verboten war, inzwischen aber häufig zu hören ist.

    "Katalanisch ist unsere Sprache. Sie soll darum auch die Sprache in der Verwaltung sein. Aber das Verfassungsgericht sagt jetzt, dass es nicht die bevorzugte Sprache sein darf, wie es in unserem Statut steht, sondern nur gleichberechtigt neben dem Spanischen. Es wird zu einer Sprache zweiten Ranges. Das akzeptieren wir nicht. Sie diskriminieren die Kultur unseres Volks."

    Während einige Kundgebungsteilnehmer sich noch für das Autonomiestatut aussprechen, also für Katalonien als autonomen Teil Spaniens, geht die übergroße Mehrheit deutlich weiter: "Unabhängigkeit" ist das am häufigsten gerufene Wort, die Spanier seien als Ausländer zu behandeln, wird von einem Lautsprecherwagen aus gefordert. Dabei waren Separatisten in Katalonien bislang eine kleine Minderheit. Doch diese Frau meint:

    "Die Schweiz wäre doch ein Beispiel dafür, wie unterschiedliche Nationen in einem Staat zusammenleben. Eine Konföderation wäre eine gute Lösung. Und wenn das nicht klappt, dann eben: Tschüss Spanien!"

    Katalonien wird wieder groß und reich sein, seine Feinde sollen zittern, wenn die katalanische Fahne weht. So heißt es in der Hymne, die von den Demonstranten in Barcelona zum Schluss ihrer Kundgebung gesungen wird. Wie sehr das Verfassungsgerichtsurteil die Separatisten wirklich stärkt, werden erst die katalanischen Wahlen im Herbst zeigen.

    Dass noch nicht alle Katalanen mit Spanien gebrochen haben, berichten die Verkäufer in den Fußballsouvenirläden in Barcelona. Dort sind die Fahnen Spaniens seit Tagen ausverkauft. Immerhin eint die Fußballnationalmannschaft das Land – eine Mannschaft, in der neben Basken, Andalusiern, Manchegos oder Madridern auch zahlreiche Katalanen sehr erfolgreich zusammenspielen.

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