Donnerstag, 18. April 2024

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Katalonien-Konflikt
CDU-Politiker: Man kann den Rechtsbruch durch das Referendum nicht ignorieren

Nach Einschätzung des CDU-Europaparlamentariers Axel Voss erschwert die strafrechtliche Komponente des Falls Puigdemont eine politische Lösung im Katalonien-Konflikt. Nichtsdestotrotz sei Vermittlung von außen nötig, sagte Voss im Dlf. Voraussetzung sei das Einverständnis beider Konfliktparteien.

Axel Voss im Gespräch mit Silvia Engels | 04.04.2018
    Der CDU-Europaabgeordnete Axel Voss
    Der CDU-Europaabgeordnete Axel Voss (Imago / C. Hardt / Future Image)
    Silvia Engels: Das Interview mit Marie Kapretz mitgehört hat Axel Voss von der CDU. Er ist Mitglied im Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments. Guten Morgen, Herr Voss!
    Axel Voss: Ja, guten Morgen, Frau Engels!
    Engels: Verletzung der Menschenrechte, Rache, die letztendlich von der spanischen Zentralregierung hinter diesem Auslieferungsersuchen steht. Wie halten Sie dagegen?
    Voss: Also zunächst einmal gibt es ja eine rechtliche Seite der Betrachtung. Und da muss man irgendwie sagen, dem Herrn Puigdemont und allen Katalanen, die dort gewählt haben, war die Verfassungslage ja in Spanien klar, und insbesondere aus dem Gerichtsspruch des Obersten Gerichts dort. Dass man dennoch dagegen agiert hat, ist natürlich schon ein Schritt einfach gegen die Verfassungsrechte dort in Spanien. Und rein rechtlich muss man dann eben weiter sagen, gut, wenn es dann dort einen solchen Strafbestand wir Rebellion erfüllen könnte und ein Haftbefehl europäischer Natur ausgestellt wird, dann ist Deutschland natürlich auch verpflichtet, entsprechend diesen Vorgaben zu handeln. Und meines Erachtens ist das dann, wenn man mal, weil das ja oftmals verlangt wird, eine Vermittlerrolle der Europäischen Union, die natürlich immer nur dann in Betracht gezogen werden kann, wenn auch beide Seiten damit einverstanden sein würden. Dieses Signal gab es bislang nicht, und von daher ist, glaube ich, aus europäischer Sicht einfach zu sagen: Gut, das ist in der Tat eine innerspanische Angelegenheit.
    "Eine vermittelnde Lösung anstreben"
    Engels: Aber der Vorwurf, der ja von Katalonien kommt, heißt, dass sich eben durch diese Zurückhaltung auch nichts bewegt, weil Madrid einfach in einer Verweigerungshaltung bleiben kann. Sind wir nicht da an dem Punkt, dass es doch eine Vermittlung braucht?
    Voss: Also durchaus – das eine, was ich ja gesagt hatte, war mehr die rechtliche Situation. Das andere ist die politische Situation. Und da muss man natürlich schon sagen, wenn es hier zu einer Konfrontation innerstaatlicher Natur kommt und beide Seiten damit einverstanden wären, dass man hier vermittelt, dann wird sich, glaube ich, auch eine Europäische Union dem nicht entziehen. Und wir sind, glaube ich, durchaus an einem Punkt, wo man nicht in die Extreme auf beiden Seiten irgendwie verfallen sollte, sondern wo man auch in der Tat eine vermittelnde Lösung anstreben sollte. Und das ist nur die Schwierigkeit, es ist natürlich auf der einen Seite die Unabhängigkeitserklärung und das Referendum gegen die spanische Verfassung durchgeführt worden. Und dann jetzt einfach zu glauben, man könnte das alles irgendwie auch beiseiteschieben, ist, glaube ich, auch ein bisschen eine falsche Idee. Nichtsdestotrotz gibt es ja durchaus Wege und Möglichkeiten, die man dort beschreiten könnte, um das Ganze nicht weiter eskalieren zu lassen.
    Engels: Dann kommen wir vom großen Ganzen noch mal konkret auf den Fall Puigdemont. Haben Sie denn Verständnis dafür, dass die Bundesregierung sich hier so zurückhält, obwohl ja deutlich wird: Dieser Fall hat nun mal eine klare politische Komponente, und vielleicht geht es da nicht nur um Gerichte in Schleswig-Holstein.
    Voss: Ja, aber das ist ja gerade die Schwierigkeit. Es ist wohl nicht nur eine politische Komponente, sondern es ist mittlerweile auch eine strafrechtliche Komponente, zumindest nach spanischem Recht. Und deshalb macht es das Ganze natürlich so schwierig. Wir haben den entsprechenden europäischen Haftbefehl, beantragt bei der spanischen Justiz. Und jetzt ist eben die Frage, wie viel ist uns eigentlich ein Rechtssystem wert, und wie kann man dort weiter vorgehen, um das auch entsprechend zu erhalten. Und da muss man, glaube ich, jetzt schon mit Fingerspitzengefühl herangehen. Zum einen, dass man eben sagt, gut, wir sind eine Art Rechtsgemeinschaft in der Europäischen Union und müssen deshalb dem auch Folge leisten, weil ansonsten sich die Bundesrepublik nach meiner Auffassung auch wieder einem Vertragsverletzungsverfahren aussetzen würde, wenn sie dem eben so entsprechend nicht nachkommt.
    Strafrechtliche Verfolgung vs. politische Einwirkung
    Engels: Nun ist auf der anderen Seite aber der europäische Haftbefehl, den Sie ansprechen, ja nicht in allen EU-Staaten in der Praxis gleichermaßen umgesetzt. Viele beklagen zudem, dass es keinen Ansatz für eine europäische Strafprozessordnung gibt. Das heißt, sichergestellt, dass gleiche Straftatbestände in der EU auch gleich verfolgt werden, ist es nicht. Bleibt also auch beim europäischen Haftbefehl nicht doch ein Zwischenstatus und eine Subjektivität in solchen Verfahren, die nicht hinzunehmen ist?
    Voss: Aber dafür haben wir ja nun unabhängige Gerichte in Deutschland, die darüber entscheiden werden, wie damit weiter zu verfahren ist. Das rein Rechtliche muss dann natürlich entsprechend beachtet werden, und das werden die Gerichte machen. Das entbindet aber die Politik natürlich nicht, auch nach einer politischen Lösung zu suchen. Und man darf immer nicht vergessen, auch wenn man vermeintlich irgendwie sich demokratisch legitimiert fühlt, sich für unabhängig von Spanien zu erklären, ist es nach der spanischen Verfassung eben nicht so. Und das ist eben gerade der Fall, der nun hier vorliegt, wo man sagen muss: Das ist einfach nicht nur eine Handlung, die dort mal vorgenommen wurde, sondern sie ist eben strafrechtsbewehrt. Und deshalb muss man da auch zumindest nach spanischer Auffassung das auch entsprechend verfolgen. Und damit hängt man natürlich dann wiederum in der Konsequenz in Deutschland an dem europäischen Haftbefehl. Nichtsdestotrotz glaube ich schon, dass die Politik nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa und auch in Spanien vielleicht mal vermittelnder einwirken sollte. Das muss nicht, ich sag mal, auf direktem Wege irgendwie passieren, sondern dass man eben da nun sich auch mal zusammensetzt und mal fragt, wie können wir denn die ganze Situation beruhigen. Aber rein rechtlich, wie gesagt, erwarte ich von einem Oberlandesgericht dann schon, dass die sich auch mit den rechtlichen Gegebenheiten nicht nur in politischer Hinsicht, sondern eben rein auf rechtlicher Basis damit auseinandersetzen, wie das europäische Recht und der europäische Haftbefehl entsprechend auszuführen ist.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.