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Katalysatoren
Abgasreinigung mit Mut zur Lücke

Viele Dieselfahrzeuge stoßen noch immer zu viel Stickstoffdioxid aus – trotz Euro-6-Norm und verbesserter Abgasreinigung. In den meisten Fällen reduziert ein spezieller Katalysator die Konzentration der nitrosen Gase. Forscher aus Leipzig arbeiten daran, wie man Katalysatoren optimieren kann – mit Mut zur Lücke.

Von Arndt Reuning | 02.03.2016
    Drei Buchstaben bilden den Schlüssel zur Reduktion von Stickoxiden im Abgas von Dieselmotoren: SCR.
    "Das ist die selektive katalytische Reduktion von den Stickoxiden. Also hochoxidiertes Stickstoffoxid, das dann reduziert wird mithilfe des Katalysators zu harmlosem Stickstoff, der uns Menschen nichts ausmacht und der dann in die Umwelt entlassen werden kann."
    Roger Gläser, Chemieprofessor an der Universität Leipzig, arbeitet daran, diese Katalysatoren zu verbessern. Die bestehen üblicherweise aus Oxiden von Übergangsmetallen. Auch in diesem Fall stehen drei Buchstaben für den Erfolg.
    "Eine typische Abkürzung hier ist Vanadium-, Wolfram-, Titanoxid: VWT-Katalysatoren."
    Diese Verbindungen werden auf einen festen Träger aufgebracht. Wie effizient der Katalysator arbeitet, darüber entscheidet vor allem seine Oberfläche.
    "Wenn ich also eine hohe Effizienz in solchen Katalysatoren haben möchte, dann brauche ich auch sehr viel Kontaktfläche zwischen Feststoff und dieser Gasphase. Und das bedeutet: hohe Oberflächen."
    Größere Oberfläche durch Poren
    Der Herstellungsprozess des Katalysatormaterials erlaubt es, winzig kleine Poren in dem Oxid entstehen zu lassen. Das verleiht dem Katalysator eine große Oberfläche. Im Nanometerbereich ähnelt er einem Schwamm.
    "Ja, da haben Sie ein bestimmtes Volumen. Und wenn Sie viele Poren, viele Löcher in den Schwamm hinein machen, dann haben Sie eine hohe – wir bezeichnen das als – innere Oberfläche."
    Große Oberfläche gleich hohe Effizienz. Berechnungen an einem Computermodell haben allerdings ergeben, dass diese einfache Formel nicht in jedem Fall stimmt – zum Beispiel, wenn die Oberfläche zu groß wird. Das klingt zunächst kontraintuitiv, liegt aber daran, dass die Porendurchmesser dann so klein sind, dass das Abgas nicht mehr tief genug in den Katalysator eindringen kann.
    "Der Schwamm kann unterschiedlich große Poren haben. Wenn die Poren zu groß sind, dann besteht der ganze Schwamm nur aus Löchern. Das möchte ich natürlich nicht. Wenn die Poren zu klein sind, dann kann das Gas nicht mehr eindringen. Es muss also dazwischen ein Optimum geben."
    Auf die Suche nach diesem Optimum hat sich der Leipziger Chemiker begeben – gestützt auf theoretische Vorhersagen. Demnach sollte der Katalysator die Dieselabgase besonders effizient umwandeln, wenn er über Poren mit zwei verschiedenen Durchmessern auf unterschiedlichen Größenskalen verfügt. Solch ein Material auf Basis von Vanadium-Titan-Oxid konnten Roger Gläser und sein Team synthetisieren.
    "Es gibt also kleinere Poren, in denen wir hohe Oberflächen haben, und größere Poren, durch die vor allem Transport in die Struktur des Feststoffs hinein stattfinden kann."
    Überprüfung der Leistungsfähigkeit
    Eine ausgedehnte Oberfläche durch Poren im Nanometerbereich und schneller Stofftransport durch Kanälchen auf der Skala von Mikrometern. Im Laborversuch überprüften die Forscher die Leistungsfähigkeit dieser Struktur im Vergleich zu herkömmlichen Katalysatoren.
    "Im Bereich dieser Vanadium-Titan-Oxid-Katalysatoren, die wir hergestellt haben, konnten wir demonstrieren, dass tatsächlich wie durch Theorie vorhergesagt, wenn wir die richtigen Porensysteme miteinander kombinieren, die Aktivität um fast zweihundert Prozent gesteigert werden kann. Und zwar dadurch, dass wir nicht mehr Material verwenden, sondern weniger. Wir generieren Porenraum: weniger Masse, weniger Material, weniger Kosten, mehr Wirkung."
    Bei Katalysatoren für Dieselmotoren könnte sich der Mut zur Lücke also zukünftig auszahlen.