Donnerstag, 25. April 2024

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Katar
"Politische Orientierung ist eindeutig gegen den IS"

Der Emir von Katar hat beim Besuch Berlins betont, dass sein Emirat nicht den IS unterstütze. Das sei "absolut glaubhaft", sagte der Leiter des Zentrums für Forschung zur arabischen Welt der Universität Mainz, Günter Meyer. Die ideologische Ausrichtung des IS stelle eine gravierende Bedrohung für das Emirat dar.

Günter Meyer im Gespräch mit Silvia Engels | 18.09.2014
    Bundeskanzlerin Angela Merkel und Katars Emir al-Thani bei der Pressekonferenz.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel lobte das offene Gespräch beim Besuch des Katars Emir al-Thani am Mittwoch. (picture alliance / dpa / Wolfgang Krumm)
    Jasper Barenberg: Dass Katar eine Schlüsselrolle spielen kann im Kampf gegen den islamischen Terror, ist wohl unbestritten. Zugleich aber steht der reiche Golf-Staat im Ruf, radikale Gruppen wie den Islamischen Staat oder die Hamas finanziell und politisch zu unterstützen. Und schließlich ist das Land ein gefragter Geschäftspartner der deutschen Wirtschaft, ist mit Milliarden-Beträgen an deutschen Unternehmen beteiligt. Ein heikler Gast ist Katars Emir also in jedem Fall, wenn er in Berlin von der Kanzlerin und dann auch vom Wirtschaftsminister empfangen wird. Welche Rolle spielt das Emirat in der Region? Darüber hat meine Kollegin Silvia Engels mit Günter Meyer von der Universität Mainz gesprochen. Er leitet dort das Zentrum für Forschung zur arabischen Welt.
    Mögliche Unterstützung der IS durch wohlhabende Personen
    Silvia Engels: Der Emir von Katar, er bestreitet jegliche Finanzhilfen für IS-Kämpfer oder andere Extremisten. Glauben Sie ihm?
    Günter Meyer: Zumindest glaube ich ihm, was IS, was den Islamischen Staat anbelangt, denn die ideologische Ausrichtung des Islamischen Staates stellt eine gravierende Bedrohung auch für Katar und in noch stärkerem Maße für die übrigen Staaten des Golf-Kooperationsrates dar. Insofern ist es absolut glaubhaft, dass zumindest vonseiten des katarischen Staates die IS keine Unterstützung bekommen hat. Aber das schließt nicht aus, dass durchaus Privatpersonen, wohlhabende Privatpersonen gerade auch in der Anfangsphase den Islamischen Staat finanziell unterstützt haben können.
    Engels: Welches sind denn die Interessen, die möglicherweise einzelne katarische Familien damit verfolgt haben?
    Meyer: Das sind ganz klar religiöse Interessen, extrem konservative, radikale Auslegungen des Islam, die Kämpfer dafür zu unterstützen. Das ist der Hintergrund, weshalb es zu diesen Finanzströmen gekommen ist. Dass aber vonseiten Katars zwar nicht der Islamische Staat, aber durchaus radikale islamistische Gruppen in Syrien maßgeblich unterstützt werden, das gilt als ziemlich gesichert. Das heißt, die Unterstützung insbesondere der Nusra-Front, die sich als Ableger von Al Kaida präsentiert, das liegt sehr nahe, etwa die Freilassung von libanesischen Geiseln, wo Katar gegenwärtig die Vermittlung übernimmt, auch die Freilassung von UN-Geiseln, wo Katar eine wichtige Rolle gespielt hat. Das deutet schon darauf hin, dass Katar hier gerade auch bei der Nusra-Front erhebliche finanzielle Einflussmöglichkeiten und politische Einflussmöglichkeiten hat.
    Keine Kontrolle über Finanzströme von privaten Reichen
    Engels: Heißt das also, wenn ich kurz dazwischen gehen darf, dass möglicherweise die katarische Herrscherfamilie oder das politische System diese Familien oder diese Verbindungen überhaupt nicht kontrollieren kann?
    Meyer: Das ist sicherlich der Fall. Diese Finanzströme, die von privaten Reichen nicht nur in Katar, sondern aus der gesamten arabischen Golf-Region stammen, die werden eben nicht kontrolliert, und das ist einer der Hauptansatzpunkte, um gegen die Islamisten jetzt auch auf internationaler Ebene vorzugehen.
    Engels: Dann stellt sich doch anschließend die Frage, ob man, wenn, wie jetzt geschehen, in Berlin mit dem Emir von Katar spricht, möglicherweise mit jemandem spricht, der die Kontrolle über sein eigenes Land verliert?
    Meyer: So kann man das nicht sagen. Die politische Orientierung ist eindeutig gegen den Islamischen Staat, ebenso wie bei allen anderen Herrschern in der Region. Aber das, was darüber hinaus an Finanzströmen läuft, das lässt sich genauso wenig, wie das bei uns der Fall ist, auch in den arabischen Golf-Staaten von oppositionellen Gruppen oder von radikalen islamistischen Gruppen nicht kontrollieren.
    Engels: Aber könnte da nicht der Emir durch rechtliche Verbote, wie das ja auch in Deutschland der Fall wäre, in solchen Fällen etwas tun?
    Meyer: Sie sehen es am Beispiel der Karame-Stiftung für Menschenrechte, die hat ihren Sitz in Genf. Das heißt, die Finanzströme, die hier laufen, die sollen in Zukunft international nachverfolgt werden. Aber aus deutscher Perspektive oder aus der Perspektive der Europäischen Union wissen wir, wie schwierig das tatsächlich ist, diese Finanzströme zu verfolgen.
    "Katar unterstützt vor allem die Muslimbruderschaft"
    Engels: Schauen wir in den größeren Zusammenhang. Saudi-Arabien wird auch immer genannt, wenn es um die Frage geht, welche Geldgeber für radikale Milizen, auch speziell für die IS in Frage kommen. Wie steht Saudi-Arabien rund um die IS und auch wieder zu Katar?
    Meyer: Saudi-Arabien, ebenso wie Katar, gegen den Islamischen Staat. Saudi-Arabien unterstützt salafistische Gruppen in der gesamten islamischen Welt, während Katar vor allem die Muslimbruderschaft unterstützt. Das heißt, Mursi war einer derjenigen, der während seiner Herrschaft allein acht Milliarden Euro an Krediten bekommen hat. Katar ist auch das Land, was sehr eng mit der Hamas zusammengearbeitet hat. Und darüber hinaus sind es auch salafistische Gruppierungen in Syrien, die von saudischer Seite unterstützt werden. Aber eben nicht der Islamische Staat!
    Barenberg: Günter Meyer von der Universität Mainz im Gespräch mit meiner Kollegin Silvia Engels.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.