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Katastrophen-Unis

Der schwere Taifun auf den Philippinen zeigt, zu welcher Gewalt die Natur fähig ist. Um solche Katastrophen zu bewältigen, braucht es gute Krisenmanager. Ausgebildet werden sie zum Beispiel an der Ruhr-Universität in Bochum.

Von Ulrike Burgwinkel | 13.11.2013
    Nach dem verheerenden Taifun auf den Philippinen müssen Tausende Opfer medizinisch betreut und mit Nahrungsmitteln versorgt werden. Außerdem gilt es für Techniker, zerstörte Flughäfen und Straßen wieder instand zu setzen. Für die Hilfsorganisationen eine Herkulesaufgabe. Denn nach einer solchen Katastrophe, stellt Hans Joachim Heinze vom Institut für Humanitäres Völkerrecht an der Ruhr-Universität Bochum nüchtern fest, ist vor Ort vor allem kompetentes Krisenmanagement gefragt.

    "Die ganze Welt sendet Güter und dort entsteht dann verschiedentlich ein großes Chaos. Es geht genau darum, das zu managen, das Chaos zu vermeiden und den humanitären Einsatz effektiv zu machen."

    Als Dozent gehört Heinze zu den Ausbildern der in solchen Situationen viel gefragten Krisenmanager. Sozusagen als bundesdeutsche Filiale zählt die Ruhr-Universität zu einem europaweiten universitären Netzwerk. Insgesamt sieben Hochschulen, darunter Bilbao, Aix-Marseille, Uppsala und Dublin, bilden gemeinsam die angehenden Krisenhelfer aus. Voraussetzung für die Aufnahme ist ein berufsqualifizierender Abschluss. Etwa als Arzt, Ingenieur oder auch als Jurist oder Ethnologe. In Bochum setzt man gezielt auf eine interdisziplinäre Ausbildung. So werden die Studierenden nach den Worten von Studiengangleiter Markus Moke bereits im ersten von drei Semestern in Kernkompetenzen unterrichtet.

    "Namentlich sind das Management, Anthropologie, Geopolitik, Medizin und Recht."

    Im zweiten Semester können die Studierenden an eine der Partner-Universitäten wechseln und sich auf einen dort angebotenen Schwerpunkt konzentrieren. Oder auch in Bochum bleiben, erläutert Markus Moke:

    "In Bochum beispielsweise wird Wert auf Programm- und Projektmanagement, aber auch auf die Schaffung von Institutionen, also institution building gelegt. An anderen Universitäten sind die Schwerpunkte im Bereich Konfliktmanagement, Konfliktforschung, aber auch Wiederaufbau, langfristige Entwicklungshilfe."

    Pro Studienjahr bildet die Ruhr- Universität 20 Krisenhelfer aus, die nach der Abschlussprüfung den akademischen Grad "Master in Humanitarian Assistance" erhalten. Etliche der bisherigen Absolventen sind jetzt auch auf den Philippinen im Einsatz. Einer der größten Geldgeber für humanitäre Hilfsaktionen ist die Europäische Union, die den jährlichen Bedarf an solchen Experten auf rund 140 Personen schätzt, bestätigt Hans-Joachim Heinze.

    "Und tatsächlich, der Arbeitsmarkt für humanitäre Helfer ist, leider, ziemlich groß."

    Nicht nur bei der Europäischen Union, ergänzt Markus Moke:

    "Es sind Organisationen wie das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, es sind UN-basierte Organisationen darunter; es ist das DRK. Alle humanitären Organisationen, die in der Bundesrepublik tätig sind. Als da wären Malteser International, Caritas International."

    Zu den Aufgaben der Krisenhelfer gehören oftmals auch zähe Verhandlungen mit den Ministerien in betroffenen Regionen, damit die angebotene Hilfe die Opfer auch rechtzeitig erreicht. Und oft, wie derzeit auf den Philippinen, geht es darum, die Einsätze der diversen Hilfsorganisationen zu koordinieren. Zur Ausbildung gehören darum auch Praktika im Ausland. Etwa in Äthiopien, Afghanistan und Somalia. Denn auch die Betreuung von Flüchtlingslagern fällt ins Ressort der Krisenhelfer. Theresa Rieps hat insofern der ganzheitliche Ansatz dieses Studienganges überzeugt.

    "Ich möchte mich unbedingt professionalisieren - das ist mein Herzenswunsch."

    Für Theresa Rieps spielten bei der Entscheidung auch ganz persönliche Beweggründe eine Rolle.

    "Eine zielgerichtete Leidenschaft, anderen helfen zu können, genau. Ich habe vorher Philosophie und Pädagogik studiert und hab mein Studium auch schon darauf hin ausgerichtet auf Alphabetisierungsprogramme speziell in Brasilien, hab auch einige Felderfahrungen in Brasilien gemacht."

    Dass sie bei Einsätzen auch auf Widerstände stoßen kann und sich durchsetzen muss, das ist der jungen Frau durchaus bewusst.

    "Gerade vor Ort ist es natürlich auch wichtig, um so Dinge zu koordinieren wie die Wasserverteilung. Dafür braucht es gerade speziell in der Gender-Frage, also gerade ich als Frau, ja, Durchsetzungsvermögen. Ich denke schon, dass ich das hier mitbekomme."

    Obwohl nur 20 Plätze zur Verfügung stehen, zählt man in Bochum jährlich über 300 Bewerbungen.