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Katheterbehandlung entfernt Gerinnsel

Je früher bei einem Schlaganfall die Behandlung einsetzt, desto größer ist die Aussicht auf Heilung. Auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neuroradiologie in Köln wurden neue Diagnosemöglichkeiten vorgestellt.

Von Renate Rutta | 11.10.2011
    Ein Schlaganfall ist immer ein Notfall. Etwa 20 Prozent aller Schlaganfälle werden durch Hirnblutungen verursacht. Hier muss man schnell herausfinden, wo befindet sich die Blutung und welche Ausdehnung hat sie. Patienten profitieren heute von immer präziseren Diagnosemöglichkeiten, so Privatdozent Doktor Jennifer Linn, Oberärztin in der Abteilung für Neuroradiologie am Klinikum der Universität München. Nach einer Computertomografie wird entschieden, welche weiteren Untersuchungen notwendig sind.

    "Mittels CT-Angiografie, also durch Applikation eines Kontrastmittels, kann man heute mit den modernen Geräten auch in einer sehr hohen Auflösung Blutungsursachen wie beispielsweise Gefäßwandaussackungen, Aneurysmata oder sogenannte Gefäßmalformationen sehr gut darstellen und damit auch schon sehr rasch die Therapie der Blutungsursache beim Schlaganfall besser planen."

    Bei rund 80 Prozent der Schlaganfälle ist der Auslöser allerdings nicht eine Hirnblutung sondern eine Minderdurchblutung des Gehirns - oft verursacht durch ein Blutgerinnsel, das ein Hirngefäß verstopft. Hier ist die intravenöse Thrombolysetherapie heutzutage die Standardbehandlung. Sie muss allerdings in den ersten viereinhalb Stunden nach dem Schlaganfall durchgeführt werden, so Professor Olav Jansen, Kongresspräsident und Direktor des Instituts für Neuroradiologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel:

    "Diese intravenöse Thrombolysebehandlung hat ihre Limitation. Wir haben festgestellt, dass große Gerinnsel, große Thromben durch diese Behandlung eben nicht auflösbar sind und das betrifft vor allen Dinge Patienten, die eben auch schwere Schlaganfälle haben. Ab einer Größe von sieben Millimetern ist ein Gerinnsel mit der iv Thrombolyse nicht mehr auflösbar, das heißt, diese Patienten können gar nicht von der herkömmlichen Thrombolysetherapie profitieren. Das waren Studienergebnisse aus Kiel, die gerade im Sommer publiziert worden sind."

    Auch Patienten, die im Schlaf einen Schlaganfall erleiden und die Symptome erst nach dem Aufwachen bemerken, dürfen nicht mit der Lysetherapie behandelt werden, da man nicht weiß, wann genau der Schlaganfall stattgefunden hat.

    All diese Patienten könnten von einem neuen Verfahren profitieren, der Neurothrombektomie, einer Katheterbehandlung.

    "Das Verfahren läuft in einem Katheterlabor ab. Über eine Punktion der Leistenarterie wird ein Katheter, ein kleiner Schlauch vorgeführt. Ein sogenannter Mikrokatheter kann dann bis in das Hirngefäß vorgeschoben werden. In den Thrombus hinein wird dann dieses Stentsystem entfaltet, es verbindet sich mit dem Gerinnsel und bei dem Zurückziehen dieses Stents kann der Thrombus herausgezogen werden.
    Es gelingt damit sehr häufig, das Gerinnsel komplett zu erfassen und herauszuholen."

    Diese Behandlung wird für etwa zehn bis 15 Prozent der Schlaganfälle durch Gefäßverschluss infrage kommen. Studien gibt es noch keine, doch Daten von mehreren Hundert Patienten zeigen, dass gerade Menschen mit schweren Schlaganfällen profitieren.

    "In Zahlen heißt das, dass wir erwarten, dass etwa 65 Prozent aller Patienten mit solchen schweren Schlaganfällen nach drei Monaten nur noch so wenig neurologische Defizite haben, dass sie ein eigenständiges Leben führen können. Und mit der bisherigen iv Thrombolysetherapie waren es höchstens 10 oder 15 Prozent."

    Um diese guten Ergebnisse zu erzielen, müssen die Schlaganfallzentren solche Patienten herausfiltern und weiterschicken an die großen Zentren, in denen die Katheterbehandlung von erfahrenen Neuroradiologen durchgeführt werden kann.