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Katholiken auf Madeira
"Wir sind ein Einwanderungsland"

Die Menschen auf Madeira haben es gut: Bei ihnen endet die Weihnachtszeit erst Mitte Januar. In dieser Zeit wird aber nicht nur gefeiert, sondern auch jenen geholfen, die Hilfe brauchen: etwa Menschen, die nach Venezuela ausgewandert sind und jetzt zurückkehren.

Von Regina Kusch | 11.01.2019
    Ein obdachloser Mann schläft in einer Fußgängerzone vor einer Bank
    Madeira gilt als Urlaubsparadies, aber nicht alle profitieren vom Tourismus (imago stock&people/chromorange)
    "600 years, two important men … first mass here in Madeira", sagt Isabel Gouveia.
    Vor 600 Jahren kamen zwei wichtige Männer auf unsere Insel, die portugiesischen Seefahrer João Gonçalves Zarco und Tristão Vaz Teixeira. Ihr Schiff legte am 1. Juli 1419 hier in Machico an. Sie hatten Franziskaner mit an Bord, die hier eine erste Messe zelebriert haben.
    Bekannt war die felsige, mit tropischen Wäldern bedeckte Atlantikinsel schon vorher, erzählt Isabel Gouveia, die das Heimatmuseum in Machico leitet. Bereits im 14. Jahrhundert war Madeira, was übersetzt soviel wie Holzinsel heißt, in Seekarten verzeichnet. Um die Insel besiedeln zu können, ließ João Gonçalves Zarco die Wälder Madeiras brandroden. Mitte des 16. Jahrhunderts wurde die Hauptstadt Funchal mehrmals von französischen Piraten überfallen und zeitweise besetzt. Aus Sorge, dass sich durch hugenottische Freibeuter ketzerisches, protestantisches Gedankengut auf Madeira verbreiten könnte, schickte der portugiesische König Jesuiten auf die Insel, um den katholischen Glauben zu verteidigen.
    "Die Jesuiten hatten das Monopol für Madeira-Wein"
    Besonders erfolgreich waren die Jesuiten im Weinanbau. In Faja dos Padres, einer kleinen Bucht im Süden Madeiras, die sonnig und windgeschützt unter einer gut 300 Meter hohen Felswand liegt, gedieh die Malvasia-Traube besonders gut. Dort sind die Kellergewölbe der Mönche noch erhalten.
    "The Music is good for me, for the wine. The wine likes very much this."
    Mario Jardim Fernandes ist Winzer aus Leidenschaft. Seit fast 90 Jahren gehört das Land seiner Familie. Jede freie Minute verbringt der Ingenieur im ehemaligen Weinkeller der Mönche, in dem in alten Eichenfässern gut 700 Liter Malvasier, gekeltert nach jesuitischer Art, reifen.
    "Dieser Ort ist ein Symbol. Die Jesuiten waren nach Madeira gekommen, um Bildung zu bringen, aber sie waren auch gute Geschäftsleute. Sie hatten das Monopol für Madeira-Wein und haben den Handel international ausgebaut."
    Insel lebt vor allem vom Tourismus
    "Grüß Gott, ich bin Rafael, komme aus Vorarlberg, der Bodenseeregion Österreichs, und bin hier für 10 Monate in einem Austauschprogramm. Wir sind jetzt im ehemaligen Jesuitenkolleg, das 1599 erbaut worden ist. Das Jesuiten-Kolleg war eine Schule für Jungs im Alter von acht bis achtzehn Jahren - und die Jungs wurden ausgebildet, um den katholischen Glauben in die ganze Welt zu missionieren."
    Heute gehört das Gelände zur Universität von Funchal. Raphael Johler leistet hier seinen Zivildienst. Er ist einer von etwa 100 Freiwilligen aus ganz Europa, die für eine Spende Touristen durch die geschichtsträchtige Anlage und die prachtvolle Jesuitenkirche führen. Die Führungen sowie Ausstellungen und Konzerte werden vom Studentenwerk organisiert. Von den Einnahmen zahlt die Organisation mittellosen Studenten tägliche Malzeiten und Lernmaterialien, vom Bleistift bis zum Notebook.
    Fischerboote am Hafen von Funchal, der Hauptstadt Madeiras
    Fischerboote am Hafen von Funchal, der Hauptstadt Madeiras (imago stock&people/robertharding/Frank Fell)
    Wer nicht in der Tourismusbranche arbeitet, hat es meist schwer, auf Madeira eine gut bezahlte Arbeit zu finden. Viele junge Hochschulabsolventen verlassen deshalb ihre Heimat. Auswanderungswellen hat es immer wieder gegeben, wenn die Insel ihre Bewohner nicht mehr ernähren konnte. Auch während der Salazar-Diktatur etwa wanderten in den 1960er-Jahren viele Madeirer nach Venezuela aus. Doch unter der Regierung Nicolás Maduros herrschen dort Hungersnöte und Kriminalität. Jetzt kehren viele Auswanderer oder deren Nachkommen nach Madeira zurück.
    Auswanderer kehren nach Madeira zurück
    "Sie haben damals Geld nach Madeira geschickt. Jetzt müssen wir ihnen helfen", sagt Isabel Gouveia. "Wir sind ein Einwanderungsland. Wir haben Menschen aus Venezuela, Südafrika, Kanaren, Jersey, Guernsey, Engländer, Franzosen, jede Menge. Wenn sie kommen, müssen wir ihnen helfen, so ist es einfach."
    So wie Isabel Gouveia aus Machico denken auf Madeira viele Christen. Die Kirche Penha de Franca, die im 17. Jahrhundert auf einem Felsen oberhalb des Hafens in Funchal errichtet und zu einer Pilgerstätte wurde, liegt heute versteckt im Schatten mehrerer Hotelhochhäuser. Am Eingang stapeln sich Körbe und Taschen mit Lebensmittelspenden. In seiner Predigt erzählt Pater Bernadino Andrade, was ihm ein Rechtsanwalt, der mittellos in sein Elternhaus nach Madeira zurückkam, anvertraut hat.
    ",In Madeira bin ich einer aus Venezuela, der hier den Leuten die Arbeit wegnehmen will und Sozialleistungen kassiert. Sogar meine Mutter wirft mir vor, dass ich ohne Geld zurückgekommen bin.‘ Und dann fing dieser 63-jährige Mann an zu weinen."
    Armut im Urlaubsparadies
    Pater Bernadino Andrade hat sein Leben lang gegen Armut gekämpft. Der 83-jährige hat das Projekt "People Helping People" gegründet.
    "Das wichtigste ist die Medizinische Versorgung. Es ist eine Tragödie, dass hier viele Leute sterben an behandelbaren Krankheiten, weil sie die Kosten für die Medikamente nicht bezahlen können. Und es gibt Hunger auf Madeira. Der Bischof mag es nicht, dass ich das sage, aber es gibt hier auch Obdachlose."
    Touristen, die zu ihm in die Kirche kommen, macht der Priester einen Vorschlag, der in keinem Reiseführer steht.
    "Bittet einen Taxifahrer, Euch nachts in die Armenviertel zu fahren, wo die Prostituierten auf Freier warten, wo die Obdachlosen sind, denn auch für die hässlichen Seiten Madeiras tragen wir alle Verantwortung."
    Pater Bernadino vermittelt Patenschaften und ermuntert seine Gemeinde, mittellose Familien Weihnachten zu sich nach Hause einzuladen.
    Weihnachtszeit bis Mitte Januar
    "Festa" heißt auf Madeira die Weihnachtszeit, die hier bis zum 15. Januar dauert. Dann erstrahlt die ganze Insel im Lichterglanz. Überall sind blumengeschmückte Krippenlandschaften aufgebaut. In jüngster Zeit, erzählt Isabel Gouveia, erfreut sich auch eine Tradition wieder zunehmender Beliebtheit, die von den Franziskanern im 15. Jahrhundert eingeführt wurde. Neun Tage vor Weihnachten wird überall in den Kirchen Madeiras vor Sonnenaufgang die "Missa do Parto", die unbefleckte Empfängnis Marias, gefeiert.
    "Wir gehen im Dunklen in die Kirche und nach der Messe scheint die Morgensonne. Viele bringen ihre Musikinstrumente mit und dann wird gesungen, Zuckerrohrschnaps und Kakao getrunken, und all die guten Dinge gefrühstückt, die es auf Madeira so gibt."
    Wenn die Weihnachtszeit Mitte Januar zu Ende geht, wird zu Ehren des Schutzheiligen Amaro ein großes Fest mit einer Kerzenprozession gefeiert. Dann sitzen die Madeirer zu einem letzten Festmahl zusammen und räumen gemeinsam den Weihnachtsschmuck ab.