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Katholische Kirche
Spitzen-Sekretärin gesucht

Die Deutsche Bischofskonferenz hat einen Top-Managementposten zu besetzen, das Bewerbungsverfahren läuft. Die bisherigen Amtsinhaber waren Priester, jetzt sind weder Weihe noch männliches Geschlecht erforderlich. Es könnte also eine Frau ausgewählt werden. Mehr als ein Symbol?

Von Christiane Florin | 25.08.2020
Die Deutschen Bischofskonferenz hat die Stelle eines Sekretärs m/w/d ausgeschrieben. Dabei handelt sich sich um eine Führungsposition.
Mit dieser Anzeigen sucht die Deutsche Bischofskonferenz einen Sekretär männlich/weiblich/divers. (privat)
Im März schrieb die katholische Fakultät der Universität Bonn eine Professur für die Exegese des Neuen Testaments aus. Ein Priester sei für die Besetzung vorgesehen, hieß es im Text. Eine solche Verknüpfung zwischen akademischer und Priesterweihe ist nicht ungewöhnlich. Aber einige Zeilen weiter wurden ausdrücklich auch "einschlägig qualifizierte Frauen" aufgefordert, sich zu bewerben.
Römisch-katholische Priesterinnen – eingeführt mit einem Schlag, und das nicht in Rom, sondern in Bonn. Kaum war die Sensation öffentlich, wurde das Gesuch korrigiert. Der Priester blieb, die Frauen verschwanden in den Tiefen der katholischen Geschlechterordnung. Die Priesterinnen waren nur eine Panne.
"Positiv überrascht"
Vor knapp zwei Wochen erschien wieder ein Exemplar der heiklen Gattung katholische Stellenanzeige, großformatig in der Wochenzeitung "Die ZEIT" und in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", außerdem auf der Hompepage der Deutschen Bischofskonferenz DBK. Wieder ging es um einen Job in Bonn.
Gesucht wird ein "Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz".
Das klingt nach Schreibkraft, ist aber ein Spitzenmanagerjob. Wer ihn innehat, ist die rechte Hand des DBK-Vorsitzenden Georg Bätzing, darüber hinaus Chef einer Organisation mit Sitz in der ehemaligen Bundeshauptstadt - und mit 180 Mitarbeitenden, wie es im Anzeigentext ebenso stolz wie gendergerecht heißt.
Wobei: Chef? Nicht unbedingt. Genau genommen wird gesucht:
"Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz (m/w/d)"
Claudia Lücking-Michel spricht auf der Herbstvollversammlung des ZdK
Claudia Lücking-Michel, Vizepräsidentin des Zentralkomitees der Katholiken (ZdK) (dpa/Marius Becker)
Männlich/weiblich/divers. Eine Sekretärin oder eine diverse Person als neue Top-Mitarbeitende wären also auch möglich. Meinen die das ernst oder ist es wieder eine Panne?
"Ich wusste vorher nichts davon. Es hat mich überrascht. Und es hat mich positiv überrascht", gesteht Claudia Lücking-Michel, Vizepräsidentin des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken. Die promovierte Theologin und ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete engagiert sich für die Gleichberechtigung der Geschlechter in ihrer Kirche. "Ich sehe es als zwingend an, dass nach all dem, was an Signalen bisher ausgesendet wurde, dass man Frauen an Leitung mehr beteiligen will, diese Stelle jetzt an eine Frau geht. Ich bin davon überzeugt, dass die katholische Kirche in Deutschland genügend qualifizierte Kandidatinnen hätte. Also mit dem Argument: 'Es gibt ja keine' soll mir keiner kommen."
Klerikales Gewohnheitsrecht
Mit der Sichtung der Bewerbungen ist eine Kölner Personalagentur befasst. Bisher wurde die Stelle des Sekretärs nicht öffentlich ausgeschrieben. Die Personalie wurde intern ausgehandelt. Dass es ein Priester sein muss, steht zwar nicht in den Statuten der Deutschen Bischofskonferenz, ist aber klerikales Gewohnheitsrecht. Seit fast 25 Jahren amtiert der Jesuitenpater Hans Langendörfer. Er hat seinen Rückzug angekündigt und durchblicken lassen, dass er sich eine Frau auf seinem Posten vorstellen könnte.
Volker Resing ist Journalist und Buchautor. Seit 1. Oktober 2014 ist er Chefredakteur der "Herder Korrespondenz".
Volker Resing, Chefredakteur der "Herder Korrespondenz" (Deutschlandfunk / Chaperon)
Volker Resing, Chefredakteur der theologischen Zeitschrift "Herder-Korrespondenz", ermunterte schon vor einigen Monaten die Bischöfe, nach einer NachfolgerIN für Langendörfer Ausschau zu halten. Er sagt: "Dieses Frauenthema ist sowohl in der Institution als auch in der Glaubensgemeinschaft ein drängendes Thema. Wenn man nicht sofort die Weltrevolution ausrufen kann, sollte man auch kleine Schritte tun. Zu den kleinen Schritten gehört es, das Sekretariat der Bischofskonferenz mit einer Frau an der Spitze zu versehen. Das ist formal die höchste Position, die man nach geltendem Kirchenrecht mit einer Frau besetzen kann. Dazu braucht man eben noch nicht die Revolution, sondern das kann man einfach tun."
Gemischte Teams seien zudem einfach besser, so Volker Resing. "Dies ist für die Institution Kirche in Deutschland ein wichtiger Schritt, wenngleich es natürlich auch ein Symbol ist. Es ist genauso nötig, dass in der Ebene drunter mehr Frauen in Führungspositionen kommen - das Ganze nicht nur aus eine abstrakten Gleichberechtigungsgedanken, sondern schlichtweg weil gemischte Teams besser sind. Man muss noch einmal sagen, dass es hier nicht um Formalismus geht, sondern darum, besser zu werden."
Gerade Konservative hätten gerne eine Frau auf dem Posten
Wer als der oder die Beste gelten darf, entscheiden weder die Personalagentur noch der DBK-Vorsitzende. Georg Bätzing ernennt, wen die Amtsbrüder zum Sekretär m/w/d gewählt haben. Eine Frau an der Spitze der bischöflichen Behörde sei auch jenen vermittelbar, die unter Berufung auf den göttlichen Willen weiblichen Wesen die klerikalen Weihen verweigern, meint Volker Resing: "Ich glaube, dass es unstrittig ist. Ich glaube sogar, dass im Moment einige der sogenannten Konservativen besonders laut gerufen haben, es solle eine Frau werden, um sich da auch mal überraschend zu positionieren in den internen Debatten."
Fachlich werden ein abgeschlossenes Theologiestudium, gern mit Promotion, und Leitungserfahrung gewünscht. Laut katholischer Lehre ergänzt die Frau den Mann. Menschlich soll die neue Führungskraft laut Stellenanzeige das einbringen, was Bischöfe nötig haben. In der Anzeige heißt es:
"Zudem sind Sie mit den Besonderheiten kirchlicher Organisationen bestens vertraut und kennen sich in den zentralen Rechtsbereichen aus, die für die Kirche von Bedeutung sind. Persönlich zeichnen Sie sich durch Empathie, hohes diplomatisches Geschick und ein ebenso authentisches wie repräsentatives Auftreten aus."
Eine Besonderheit kirchlicher Organisationen ist, dass Streit nicht sein darf und die Gottesmänner gerade deshalb erbittert streiten, auch über die Frauen. Sie sollen endlich zufrieden sein, sie hätten doch nun schon Karrieremöglichkeiten in der Kirche, tönt das eine Lager. Andere beteuern, über weitere weibliche Möglichkeiten "nachdenken" zu wollen, etwa über die Diakoninnenweihe. Über eine Erzbischöfin, die sich einen Sekretär m/w/d sucht, denkt noch kein deutscher Bischof laut nach oder vor.
"Eine Schwalbe macht keinen Sommer"
Claudia Lücking-Michel vom Zentralkomitee der Deutschen Katholiken möchte sich mit kleinen Schritten nicht abfinden: "Frauen sind weit mehr als die Hälfte der Mitglieder unserer Kirche und wenn man da auf Funktionen und Aufgaben guckt: Ja, dann stimme ich zu. Es hat sich viel geändert seit den Zeiten meiner Großmutter. Manche Aufgabe, die Frauen jetzt selbstverständlich einnehmen, wären früher für Frauen unvorstellbar gewesen. Ansonsten sind wir von einer gleichberechtigten Teilhabe von Frauen an Leitungs- und Gestaltungsfunktionen weit entfernt. Da reicht eine Sekretärin in der Bischofskonferenz noch lange nicht, da machte eine Schwalbe keinen Sommer. Von der Grundfrage: "Wie halten wir‘ mit den Weiheämtern?", kann das alles überhaupt nicht ablenken."
Zwei Frauen der Initiative Maria 2.0 der Katholische Frauengemeinschaft in der Erzdiözese Freiburg halten vor dem Freiburger Münster ein Banner mit der Aufschrift "Weiheämter auch für Frauen" in die Höhe.
Frauen fordern Geschlechtergerechtigkeit in der Katholischen Kirche (Patrick Seeger / dpa)
Die Initiative "Maria 2.0" und die katholischen Frauenverbände wünschen sich Weiheämter für Frauen, wollen aber auch das bisher Mögliche nutzen. Sie appellieren an theologisch versierte Trägerinnen des Diplomatie-und-Empathie-Gens, sich auf die Sekretär-Stelle zu bewerben. Wie eingeweihte Kreise berichten, kursieren unter Bischöfen Listen, auf denen Kandidatinnen und Kandidaten per Kreuzchen abgewählt werden können. Wenn sich schon Frauen insgesamt nicht mehr vermeiden lassen, dann sollen offenbar bestimmte vermieden werden: zu reformerische ebenso wie zu konservative, denn auch die gibt es in weiblicher Gestalt.
"Wenn es ein Mann wird, sollte man dem auch noch eine Chance geben"
Falls ein nicht zölibatär lebendes, noch dazu feminines Wesen als zu schmerzlicher Bruch mit dem klerikalen Gewohnheitsrecht empfunden wird, könnte es auf eine Ordensfrau hinauslaufen. So handhabt es die Nordische Bischofskonferenz. In Skandinavien gibt es eine Ordensschwester als Generalsekretärin. Der Druck auf die Deutsche Bischofskonferenz ist hoch, der Öffentlichkeit einen "Sekretär weiblich" zu präsentieren. So hoch, dass Volker Resing mahnt: "Es ist jetzt natürlich so: Wenn es denn ein Mann wird, sollte man dem auch noch eine Chance geben."
Weitgehend unbeachtet ist bisher eine andere Konfliktlinie: Wie ernst kann eigentlcih das "d" für "divers" gemeint sein? Claudia Lücking-Michel erklärt:
"Man weiß: Das ist heutzutage rechtlicher Standard. Man tut gut daran, keine Anzeigen zu formulieren, die das "d divers" ausschließen. Ob und inwiefern auch das ernstgemeint ist, wird sich zeigen."
Das europäische Recht schreibt die Dreifaltigkeit m-w-d vor. Das Lehramt der katholischen Kirche dagegen sortiert alles, was die Geschlechterwelt nicht binär ordnet, als zerstörerische Gender-Ideologie ein. Eine diverse Person im kirchlichen Spitzenmanagement – das wäre mehr als ein Kulturwandel in Bonn, das wäre ein Kulturkampf mit Rom.