Donnerstag, 18. April 2024

Archiv

Katholische Kirche und Homosexualtität
Prügel von allen Seiten

Wer bin ich, darüber zu urteilen? Dieser Satz über Homosexuelle gehört zu den meistzitierten Papstworten. Vergangene Woche bat Franziskus Schwule und Lesben um Vergebung. Das Oberhaupt der katholischen Kirche schlägt einen anderen Ton an als seine Vorgänger. Gerade deshalb ist Homosexualität mehr denn je ein Kampfthema.

Von Jan-Christoph Kitzler, Rom | 07.07.2016
    Papst Franziskus an einem Rednerpult, im Hintergrund bunte Lichter.
    Papst Franziskus bat Homosexuelle um Vergebung, dennoch ist eine Diskussion über gleichgeschlechtliche Liebe in der Katholischen Weltkirche noch immer nicht möglich (Fernando Maia, dpa picture-alliance)
    Gute, offene Worte dieses Papstes gab es schon einige. Schon gleich bei seiner ersten Auslandsreise hatte Franziskus den Ton vorgegeben: "Wenn ein Mensch homosexuell ist, den Herren sucht und guten Willens ist... Wer bin ich, dass ich darüber urteilen könnte? Das Problem ist nicht die Neigung, nein. Das Problem ist, wenn sich eine Seilschaft bildet." Und als man dann auf der Papstreise nach Afrika im November letzten Jahres in Kenia Priester sah, die Schirme trugen, auf die dieser Papstsatz gedruckt war: "Wer bin ich, dass ich darüber urteilen könnte?", konnte man meinen, es bewegt sich wirklich etwas.
    Andererseits: Der Papst ist der Papst und die Kirche ist die Kirche. Und die als Ganze tut sich immer noch höchst schwer mit dem Thema Homosexualität, vielleicht inzwischen sogar wieder etwas schwerer. Das konnte man bei den beiden Synoden sehen, die sich im Herbst 2014 und 2015 mit dem Thema Familie beschäftigt haben. Eine Diskussion über gleichgeschlechtliche Liebe war in der Versammlung der Bischöfe aus aller Welt nicht möglich. Das Thema blieb ausgeklammert.
    Homosexuelle Veranlagung wird nicht verdammt, gleichgeschlechtlicher Sex schon
    Bernd Hagenkord, Jesuitenpater und Redaktionsleiter bei Radio Vatikan: "Das Thema Homosexualität ist ein schwieriges Thema innerhalb der Kirche. Um das anzusprechen heißt von allen Seiten Prügel beziehen, sowohl von denen, die eine Öffnung wollen, als auch bei denen, denen das alles schon viel zu weit geht. Von daher hat man sich an der Kirchenspitze eigentlich immer sehr vorsichtig geäußert. Dieser Papst sagt: es reicht nicht mehr, wir müssen zu den Menschen sprechen, mit den Menschen sprechen, also: wer bin ich zu urteilen ist ja quasi auch eine Öffnung und eine Annäherung."
    Gut, wenn diese Annäherung von ganz oben kommt, aber das reicht eben nicht. Theologisch trennt die katholische Kirche immer noch zwischen homosexueller Veranlagung, die nicht verdammt wird, und gleichgeschlechtlichem Sex, der verboten ist. Mit der Lebenspraxis hat das nur wenig zu tun. Und dann gibt es das Problem der Weltkirche:
    In Europa zum Beispiel gibt es zwar auch Homophobie, aber doch ist Homosexualität gesellschaftlich und rechtlich allgemein akzeptiert. In einigen afrikanischen Staaten aber zum Beispiel stehen darauf heftige Strafen. Und entsprechend kann die Haltung von Bischöfen zum Thema von Ort zu Ort höchst unterschiedlich sein, sagt Bernd Hagenkord:
    "Es gibt ganz klar homophobe Aussagen, bis hin zu Bischöfen von der ganzen Welt. Das ist jetzt nicht ein Kontinent, den man da nennen muss. Auf der anderen Seite gibt es auch sehr viel Offenheit, sehr viel Einsicht, dass wir so nicht mehr reden können. Aber da gibt es noch keinen gemeinsamen Nenner, Und es ist ein roter Knopf – wenn man da drauf drückt, hat man den maximalen Konflikt."
    Fundamentalistische Kirchenkreise sehen Homosexualität als Kampfthema
    Für konservative, man könnte auch sagen fundamentalistische Kirchenkreise ist Homosexualität längst zum Kampfthema geworden, an dem sich Rechtgläubigkeit zeigt oder eben nicht. Da geht selbst der dürre Text des gültigen Katechismus, nachdem man Homosexuellen mit "Achtung, Mitleid und Takt" zu begegnen habe, einigen zu weit.
    Papst Franziskus weiß um das Konfliktpotential und weiß aber auch, dass es eine seiner Hauptaufgaben ist, die katholische Kirche auch an ihren Rändern zusammen zu halten. Trotzdem hat er auf dem Rückflug von seiner Armenienreise vor zehn Tagen den Münchener Kardinal Reinhard Marx unterstützt, der vor kurzem gefordert hatte, die katholische Kirche müsse sich bei Homosexuellen entschuldigen, weil das Verhalten der Kirche ihnen gegenüber bis vor sehr kurzer Zeit sehr negativ gewesen sei. Franziskus sagte dazu:
    "Es gibt Traditionen in einigen Ländern, einigen Kulturen, die eine andere Mentalität angesichts dieses Problems haben. Ich glaube, dass sich die Kirche nicht nur bei Homosexuellen entschuldigen muss, die sie beleidigt hat. Wir Christen müssen in vielen Fällen Entschuldigung sagen, nicht nur hier. Und um Vergebung bitten, nicht nur Entschuldigung sagen."
    Bisher aber bleibt es vor allem bei diesen Worten. Viel Bewegung gibt es in der Sache nicht. Und so fühlen sich viele Homosexuelle von der Katholischen Kirche nach wie vor ausgegrenzt.