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Katholische Priester in England
Verheiratet trotz Zölibat

Weil die Entwicklung in der anglikanischen Kirche bei vielen ihrer Pastoren auf Unmut stieß, richtete Papst Benedikt ihnen ein eigenes Ordinariat ein. Verheiratete Priester mit Familie - daran mussten sich nicht nur Gemeindemitglieder, sondern auch einige Bischöfe erst mal gewöhnen.

Von Ada von der Decken | 04.10.2019
Der britische katholische Priester Simon Chinery
Der britische katholische Priester Simon Chinery: Das Zölibat aufzuheben sei nicht die alleinige Lösung für den Priestermangel (Deutschlandradio / Ada von der Decken)
Simon Chinery ist 57 Jahre alt, verheiratet und hat einen erwachsenen Sohn. Mit seiner Frau Jean lebt er in Hemel Hempstead, einer Stadt nördlich von London. Soweit, so gewöhnlich. Aber etwas ist anders: Simon Chinery ist katholischer Priester. Vor acht Jahren trat er von der anglikanischen Kirche zur katholischen über. Seine eigene Kirche war ihm und gleichgesinnten Kirchenleuten fremd geworden.
"In unserem so genannten anglo-katholischen Flügel der Kirche von England haben wir katholische Traditionen und Riten beibehalten. Und das gilt auch für Glaubensfragen. Da waren wir der katholischen Kirche sehr nah, etwa was die Realpräsenz Christi in der Eucharistie oder die Marienverehrung betrifft. Wir hatten viele Jahrzehnte lang gehofft, dass katholische Kirche und Kirche von England wieder zusammen finden, es also zu einer formalen Wiedervereinigung kommen würde. In den 1970er-Jahren gab es da großen Optimismus und viel Engagement. Leider sind wir wieder auseinandergedriftet. Etwa mit der einseitigen Entscheidung der Kirchenleitung, auch Frauen zu Priestern zu weihen oder in Bezug auf die sexuelle Moral. Das hat jede Hoffnung auf eine Wiedervereinigung der katholischen und anglikanischen Kirche wieder zerstreut."
"Diese Trennung war nicht einfach"
Streitpunkt Priesteramt: In der anglikanischen Kirche gibt es mittlerweile Bischöfinnen und es gibt Pastoren und Vikare, die mit Partnern des gleichen Geschlechts zusammenleben. Diese Entwicklung stieß bei vielen Anglikanern auf Unmut. Auch bei Pastoren. Einer von ihnen: Simon Chinery. Ausgerechnet, als er mit seiner Frau in Istanbul Silberne Hochzeit feierte, wurde öffentlich, dass der Papst auf ihn und seine Kollegen zugehen wollte. Benedikt XVI. richtete für ex-anglikanische Priester und Gemeindemitglieder ein eigenes Ordinariat ein. Es gleicht der Struktur einer Diözese und heißt seitdem: "Personalordinariat Unserer Lieben Frau von Walsingham".
Drei anglikanische Bischöfe machten den Anfang, 80 Priester zogen nach, darunter Simon Chinery. Das ist jetzt acht Jahre her. Das neue Ordinariat sollte auch für unzufriedene Gemeindemitglieder eine neue religiöse Heimat bieten. Teilweise traten ganze anglikanische Gemeinden samt Priester über. Die Kirche von England war erschüttert:
"Diese Trennung war nicht einfach. Es gab Vorbehalte und Bedenken unter den Anglikanern, was es mit dem Ordinariat auf sich hat. Das war manchmal schwierig. Und es bedeutete einen Bruch: Ich durfte nicht mehr in meine Kirche zurück, wo ich Gottesdienste geleitet hatte, ich durfte nicht mehr in die Schule, wo ich als Seelsorger gearbeitet hatte. Am Sonntag habe ich der Gemeinde meine Entscheidung mitgeteilt, am Montag musste ich meinen Tisch räumen und gehen."
"Einige wussten nicht, wie sie damit umgehen sollen"
Aber auch dieses so genannte "Personalordinariat" für Ex-Anglikaner musste in den katholischen Strukturen erst einmal seinen Platz finden. Anders als normale Diözesen, die für ein bestimmtes Gebiet zuständig sind, ist das Ordinariat nicht regional verortet. Da die verheirateten Ex-Anglikaner ihr besonderes anglikanisches Erbe nicht aufgeben müssen, haben einige der neuen Priester zwar bestehende Gemeinden übernommen. Meist waren sie aber zusätzlich zu den anderen katholischen Priestern vor Ort. Auch ihr Gottesdienst unterscheidet sich. So findet der Wortgottesdienst in der Mitte der Gemeinde statt. Darauf sind katholische Kirchen architektonisch gar nicht ausgerichtet. Und dass ein Priester verheiratet ist und Kinder hat? Auch daran mussten sich alle erst einmal gewöhnen.
"In der katholischen Kirche kennt man keine Priester mit Ehefrau. Das kam erschwerend hinzu. Einige wünschten sich die Priester-Gattin im Vordergrund, andere haben ihre Anwesenheit komplett ignoriert, weil sie nicht wussten, wie sie damit umgehen sollten. Und leider gilt das auch für einige Bischöfe. Die hatten schlichtweg keinerlei Erfahrung mit Priesterfrauen."
Kein Botschafter für die Aufhebung des Zölibats
Mit Blick auf die Amazonas-Synode äußert Simon Chinery Bedenken: In entlegenen Regenwald-Gebieten dürfen womöglich künftig "viri probati", also Männer, die sich in ihren Gemeinden bewährt haben und die auch verheiratet sein können, zu Priestern geweiht werden:
"Da habe ich Bedenken: Wenn diese Menschen bereits in ihrer Gemeinde in Autoritätspositionen sind, erhalten sie zusätzlich noch die spirituelle Autorität. Sie sind womöglich nicht allzu gut ausgebildet, außerdem gibt es wenig Kontrolle, weil sie so isoliert leben: Das birgt ein großes Risiko, diese Position zu missbrauchen. Ich frage mich, wie das an diesen entlegenen Orten geregelt werden soll."
Simon Chinery, der verheiratete Priester, möchte sich nicht als Botschafter für die Aufhebung des Zölibats verstanden wissen. Das obliege der Kirche insgesamt, sagt er diplomatisch. Und die alleinige Lösung für den Priestermangel könne es auch nicht sein.