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Kaum noch Schnee auf dem Kilimandscharo

Klima.- Ernest Hemingway ließ seine Hauptfigur Harry noch vom Krankenlager aus auf die endlos scheinenden weißen Weiten am Gipfel des Kilimandscharo schauen. Seitdem "Schnee auf dem Kilimandscharo" erschien, sind allerdings mehr als 70 Jahre vergangen, und der höchste Berg Afrikas hat sich dramatisch verändert.

Von Monika Seynsche | 07.11.2011
    Raymond Bradley ist ein Herr um die 60 mit Brille, weißem Bart und beigefarbenem Anzug. Er beugt sich über sein Laptop und zeigt auf das Display.

    Auch wenn man es im Radio nicht sehen könne, wolle er doch dieses Foto zeigen, sagt der Klimaforscher der Universität von Massachusetts. Man sieht einen Mann auf dem Eis stehen, der die getrocknete und ausgeblichene Leiche eines Tieres von ungefähr Hundegröße im Arm hält. Ein Buschschwein.

    "Das Eis verschwindet und gibt alles frei, was bislang eingeschlossen war. Dieses Buschschwein zum Beispiel haben wir mithilfe der Radiokarbonmethode datiert. Es ist mehr als 100 Jahre alt. Damit wissen wir, dass das Eis, auf dem wir jetzt stehen, vor über einem Jahrhundert entstand."

    Seit zehn Jahren fahren Raymond Bradley und seine Kollegen regelmäßig nach Ostafrika um die Eisfelder auf dem Kilimandscharo zu untersuchen.

    "In den ersten sieben oder acht Jahren ist das Eis um eineinhalb Meter dünner geworden. In den letzten drei Jahren hat es dann noch einmal zweieinhalb Meter verloren. Das heißt, allein in den zehn Jahren, in denen wir den Kilimandscharo untersucht haben, sind vier Meter Eisdicke verloren gegangen. Das ist wirklich viel für eine so kurze Zeitspanne! Insgesamt ist das Eis hier nur 50 Meter dick, da sind vier Meter Verlust jede Menge."

    Ähnlich geht es den wenigen anderen Gletscher Ostafrikas, erzählt der Doktorand Rainer Prinz von der Universität Innsbruck.

    "Der Mount Kenya ist ein erodierter Vulkanstumpf mit 5200 Metern Höhe und rund um diesen erodierten Vulkanstumpf gibt es einige sehr kleine Gletscher in der Höhenlage zwischen 4500 und 4900 Metern. Der größte dieser Gletscher ist der Lewis-Gletscher auf dem wir arbeiten.""

    Zehn Hektar ist dieser Gletscher heute noch groß. Seit 1934 hat er, den Untersuchungen der Innsbrucker Forscher zufolge, 80 Prozent seiner Fläche verloren. Allerdings ist dieser gewaltige Eisverlust vermutlich nicht, wie etwa in den Alpen, auf steigende Lufttemperaturen zurückzuführen, erzählt Rainer Prinz.

    "Damit man in den Tropen Eis erhalten kann, muss man in große Höhe, wo die Temperatur sehr niedrig ist. Und nachdem der Jahresgang der Lufttemperatur in den Tropen ja eigentlich sehr konstant ist, also es gibt eigentlich keine jahreszeitlichen Temperaturschwankungen in den Tropen, das ist auch in großer Höhe so, sind diese Gletscher ohnehin in Regionen, wo es sehr kalt ist. Und da man in den Tropen einfach sehr hohe Schwankungen übers Jahr in der Feuchte hat, ist auch die Verfügbarkeit von Feuchte der wesentliche Einfluss auf die Gletscher und auf die Schmelze."

    Und genau an dieser Feuchte mangelt es seit vielen Jahren in Ostafrika. Es fällt nur noch wenig bis kaum Schnee und das hat zwei gravierende Folgen. Zum einen fehlt den Gletschern schlicht die zusätzliche Masse und zum anderen fehlt ihnen die weiße Farbe des Neuschnees. Durch Staub und Dreck werden sie dunkler, absorbieren dadurch mehr Sonnenwärme und schmelzen noch schneller. Nur, warum fällt weniger Schnee?

    "Das scheint mit der atmosphärischen Zirkulation über dem Indischen Ozean zusammenzuhängen, mit dem sogenannten Indischen Ozean Dipol. Das ist ein Zirkulationsmuster, das zumindest in den vergangenen zehn Jahren sehr wenig Regen und Schnee nach Ostafrika gebracht hat. Deshalb sehen wir auch die schrecklichen Dürren in Somalia und am Horn von Afrika."

    Ob die Veränderungen über dem Indischen Ozean etwas mit dem weltweiten Klimawandel zu tun haben, wissen die Forscher noch nicht. Raymond Bradley hält es allerdings für unwahrscheinlich, dass die Gletscher Ostafrikas als einzige der Welt nicht auf den Klimawandel reagieren.