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Kaupthing hat bis zuletzt hoch gepokert

Noch kurz vor ihrem Zusammenbruch hat die isländische Kaupthing Bank riesige Kredite an eigene Großaktionäre ausgezahlt - teilweise ohne Sicherheiten. Dies geht aus einem streng vertraulichen Dokument des Finanzunternehmens hervor, das am Wochenende ins Internet gelangte.

Von Marc-Christoph Wagner | 06.08.2009
    Es ist ein absurder Beginn der isländischen Abendnachrichten. Ihr Sprecher verweist auf das Topthema des Tages - die Kaupthing Bank und ein vertrauliches, internes Dokument, das an das Licht der Öffentlichkeit gespielt wurde. Um dann zu verkünden, man könne den Bericht leider nicht bringen, denn das sei dem Sender gerichtlich untersagt worden.

    Was ist geschehen? Dieser Tage wurde ein Dokument der Kaupthing Bank bekannt, das diese selbst erstellen ließ, um auf einer Sitzung ihres Aufsichtsrates am 25. September des vergangenen Jahres eine Risikoanalyse des eigenen Hauses zu erstellen. Nur zwei Wochen also, bevor die Bank kollabierte und vom isländischen Staat übernommen wurde.

    Der Inhalt der Liste schockiert selbst hartgesottene Finanzexperten, wie etwa Jesper Rangvid von der Kopenhagener Business School. Großaktionäre der Kaupthing Bank erhielten Kredite in Milliardenhöhe, ohne die notwendigen Sicherheiten zu stellen. Insgesamt schuldeten allein die zehn größten Kaupthing-Kunden der Bank im vergangenen Herbst rund sieben Milliarden Euro, was mehr als dem Doppelten des isländischen Staatshaushaltes und einem Mehrfachen des Eigenkapitals der Bank entsprach: ein Heißluftballon, den die Bank selbst befeuerte, indem sie eigene Aktien kaufte, um deren Kurs in die Höhe zu treiben. Um diese Ankäufe zu finanzieren aber musste die Bank selbst wiederum Milliarden leihen, wofür sie lediglich eigene Aktien als Sicherheit stellte. Jesper Rangvid:

    "Das ist ja wie im Wilden Westen. Man hat Kredite vergeben, ohne die Kunden zu überprüfen. Da gibt es einen einzelnen Kredit über 800 Millionen Euro - und das ist ja wahrlich keine kleine Summe -, ohne dass auch nur irgendeine Form von Sicherheit verlangt wurde."

    Wer das vertrauliche Dokument im Internet veröffentlichte, das ist noch immer unklar - wahrscheinlich scheint, dass es sich um einen hochrangigen Mitarbeiter des Geldinstitutes selbst handelt. Um die Berichterstattung über das brisante Papier zu verhindern, berief sich Kaupthing vor Gericht auf das Bankgeheimnis. Man wolle die betroffenen Kunden nicht schädigen. Inzwischen aber musste das Geldinstitut in der Sache eine Niederlage hinnehmen. Zum einen wiege das öffentliche Interesse schwerer, so die Richter. Zudem, so die Juristin Herdis Thorgeirsdottir von Islands Universität, sei das Dokument ohnehin jedermann zugänglich:

    "Es ergibt keinen juristischen Sinn, die Berichterstattung zu verbieten, um die Kunden zu schützen, denn die Informationen kursieren im Netz, auf Facebook und so weiter - und damit in der gesamten Gesellschaft."

    In den zehn Monaten seit dem Ausbruch der Krise ist viel passiert auf Island - die Regierung und der Zentralbankchef traten zurück, es gab vorgezogene Neuwahlen und eine neue Koalition. Erst kürzlich entschied sich das isländische Parlament, den Antrag auf eine EU-Mitgliedschaft zu stellen. Überstanden aber, das haben die vergangenen Tage einmal mehr gezeigt, sind die Nachbeben der isländischen Eruption noch lange nicht.